Covid-Skeptiker Der Wendler schiesst sich mit Verschwörungstheorien ins Aus

Von Jonas-Erik Schmidt und Sophia Weimer, dpa

9.10.2020 - 23:30

Michael Wendler sorgt für neue Schlagzeilen. 
Michael Wendler sorgt für neue Schlagzeilen. 
Source: Keystone/DPA/Rolf Vennenbernd

Michael Wendler galt manchen als Schlagerstar – ein Eintrag auf Instagram, in dem er sich auf bizarre Weise zu Corona äussert, dürfte Gift für seine Karriere sein. Mehrere Geschäftspartner gehen schon auf Distanz.

Er wurde gerne belächelt und war ein Liebling der Klatschspalten – jetzt hat sich der deutsche Schlagersänger Michael Wendler («Egal») mit wirren Äusserungen über Corona ins Abseits katapultiert. Sein bisheriger Haussender RTL distanzierte sich am Freitag mit scharfen Worten von dem 48-Jährigen und sagte umgehend die geplante Live-Übertragung von Wendlers kirchlicher Hochzeit im Jahr 2021 ab.

Und dem Sänger droht weiteres Ungemach. «Michael Wendler hat eigenständig und ohne Rücksprache unseren Vertrag gekündigt und verunglimpft RTL», erklärte RTL-Geschäftsführer Jörg Graf. «Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel prüfen und ausschöpfen.»

«Gleichgeschaltete» Fernsehsender?

Was war passiert? Der Sänger hatte zuvor auf Instagram mit einem Knall seinen Rückzug aus der Jury der RTL-Show «Deutschland sucht den Superstar» (DSDS) verkündet. Zur Begründung führte er – offensichtlich abgelesen – aus, dass er der Bundesregierung in der Corona-Krise «grobe und schwere Verstösse gegen die Verfassung und das Grundgesetz» vorwerfe. Weiter beschuldigte er die Fernsehsender, darunter RTL, «gleichgeschaltet» zu sein.

RTL ging in die Gegenoffensive. «Wir lassen uns eine erfolgreiche Show, die Millionen Menschen gerne sehen, sicher nicht von einem Verschwörungstheoretiker vermiesen oder generell vorschreiben, wie und was wir senden», sagte Geschäftsführer Graf über die nächste DSDS-Staffel. Zudem kündigte RTL an, in den nächsten Wochen journalistisch vermehrt das Phänomen Verschwörungstheorien aufzugreifen.



Der Sänger, der sich selbst «Der Wendler» nennt, hatte sich in den vergangenen Jahren von einem Nischenphänomen zu einer Grösse im Medienzirkus hochgearbeitet, auch wenn er von vielen belächelt wurde. Mit seiner Teilnahme an nahezu allen denkbaren Promi-Shows (Dschungelcamp, «Schlag den Star», «Promi Big Brother», «Goodbye Deutschland») und skurrilen Randgeschichten («Tausende Wendler-CDs in Altkleidercontainer entdeckt») war er ständig für Schlagzeilen gut. Ob immer geplant, war dabei die grosse Frage.

Die grosse Liebe brachte den grossen Durchbruch

Zum Promi-Phänomen wurde Wendler schliesslich, als die fast 30 Jahre jüngere Laura Müller (20) in sein Leben trat. Es folgte eine öffentliche Liebelei («Schatz!»), Videos aus der gemeinsamen Wahlheimat Florida, ein «Playboy»-Shooting (für Laura) und eine standesamtliche Trauung.

Sucht man nach dem Punkt für den endgültigen Durchbruch, landet man im Sommer 2019, in dem das Paar in das quotenstarke «Sommerhaus der Stars» von RTL einzog. Von da an gab es kaum ein Halten mehr, die Wendler-Maschine brummte. Als der Job bei DSDS winkte, war der Schlagerbarde oben angekommen, schon bildlich in einer Reihe mit «Pop-Titan» Dieter Bohlen.

Umso gigantischer war der Knall, als er am Donnerstagabend sein Instagram-Video veröffentlichte. Sein Werbepartner Kaufland, der nur Stunden zuvor eine selbstironische Wendler-Kampagne gestartet hatte, zog dieser sofort den Stecker. Man konnte sozusagen dabei zusehen, wie die Wendler'sche Karriere in Rauch aufgeht.

Zwar liesse sich einwenden, dass das konsequent war – bei Wendler war immer fast alles öffentlich. Aber diesmal war es unmöglich, den singenden Speditionskaufmann noch irgendwie ironisch zu sehen.



Sein Manager Markus Krampe sass mit Tränen in den Augen in einer Sondersendung mit Oliver Pocher. «Auch für mich ist das ein Schock», sagte er. Er mache sich Sorgen um den Wendler, die Einstellungen hätten sich aber über einen längeren Zeitraum angedeutet. Der Sänger sei «immer krasser» in seinen Aussagen geworden in Bezug auf das Coronavirus. «Das wurde immer abstruser.»

Als das Video online gegangen sei, habe Wendler ihn angerufen. «Es hörte sich für mich so an, wie so ein Anruf von jemand, der zum letzten Mal jemand anruft und sagt: Pass' auf, ich beende jetzt meine Karriere, ich komme nie wieder nach Deutschland», sagte Krampe. Darüber hinaus habe ihm Wendler erzählt, dass er die ganze Nacht mit Attila Hildmann telefoniert habe. Der Vegan-Kochbuchautor nennt sich selbst «ultrarechts» und einen Verschwörungsprediger.

Mit plötzlichen Abgängen kennt sich Wendler gleichwohl aus. 2014 verliess er schon am vierten Tag freiwillig und überhastet das RTL-Dschungelcamp. Anschliessend wollte er wieder zurück.

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Von Jonas-Erik Schmidt und Sophia Weimer, dpa