Grenzüberschreitung Die Leichenfledderei der Klatschmagazine im Fall Küblböck

Von Philipp Dahm

24.6.2019

Die Klatschpresse spekuliert wild über Daniel Küblböcks Tod: Welche Aussagen zu welchen Überschriften führen, macht nicht nur Medienprofis sprachlos, sondern vor allem auch die Hinterbliebenen.

Daniel Küblböck lebte lieber ungewöhnlich. Seine Eltern hatten sich eigentlich ein Mädchen gewünscht, erzählte er zu Lebzeiten der «Süddeutschen Zeitung». Deshalb habe er als Kind auch die Rolle des Mädchens übernommen. Der extrovertierte Deutsche war stets auf der Suche nach Zuneigung und Bestätigung, doch bekommen hat er stattdessen vor allem Häme und Spott.

Am 9. September 2018 nahm sich der 33-Jährige das Leben, als er in der Labradorsee von einem Kreuzfahrtschiff sprang. «Bluewin» titelte damals «Küblböck wurde wie eine Sau durchs mediale Dorf getrieben. Und wir haben zugeschaut». Als noch nicht feststand, ob der Sänger vielleicht noch gerettet wird, haben wir geschrieben: «Was bleibt? Nur ein Wunsch: Ruhe in Frieden, Daniel Küblböck. Ob nun tot oder lebendig: Du hast es verdient.»

Heute steht fest, dass Daniel Küblböck im vergangenen Herbst gestorben ist. Es gilt als sicher, dass sein Leichnam für immer in den dunklen Tiefen der Labradorsee versenkt ist. Doch heute ist auch fest davon auszugehen, dass es nicht nur keine auffindbare Leiche gibt, sondern dass der 33-Jährige in seinem nassen Grab nicht zur Ruhe kommt, weil die Klatsch- und Regenbogenpresse auch dieser Tage noch die Familie des Opfers mit grotesken Spekulationen quält.

«Schamloses Geschäft»

Allein: Die Schmierfinken haben nie aufgehört, ihren Schmutz von den Dächern zu pfeiffen. Daniels Vater Günther Küblböck nennt diese Berichte «Märchengeschichten», als er sich im Mai entschliesst, diesen mit einem Offenen Brief zu widersprechen. Auf der Website des verstorbenen Künstlers schreibt der Vater: «Es vergeht kein Tag, an dem die Familie und enge Freunde nicht an Daniel denken.»

Fake News: «Bild» will wissen, dass Daniel Küblböck für tot erklärt werden soll.
Fake News: «Bild» will wissen, dass Daniel Küblböck für tot erklärt werden soll.
Bild via «ÜberMedien»

Oder der Familie wird zu denken gegeben: «Es gibt viele Erinnerungen, die in unzähligen kleinen Momenten im täglichen Leben plötzlich ganz präsent sind und Daniel für immer unvergessen machen. Und dann gibt es die Momente, wo wieder und wieder Unwahrheiten in den Medien auftauchen und diese umso schmerzlicher zu lesen sind.»

Ein Titelbild-Vergleich zeigt auf, dass «Freizeit Exklusiv» ...
Ein Titelbild-Vergleich zeigt auf, dass «Freizeit Exklusiv» ...
Bild via «ÜberMedien»

Konkret geht es um einen «Bild»-Artikel, nach dem die Angehörigen Küblböck für tot erklären wollten – angeblich, um das Erbe regeln zu können. Die grösste deutsche Zeitung und Sender wie «RTL» haben zwar reagiert und ihre Berichterstattung heruntergefahren, doch in anderen Verlagen erscheinen nach wie vor die absonderlichsten Stücke über Daniel Küblböck, kritisiert der Fachblog «Übermedien» das «schamlose Geschäft».

Verschwörung, Zynismus, Unverschämtheit

Kostprobe gefällig?

«War es Mord?», fragte die «In Touch» aus dem Bauer Verlag im Januar – nur wegen der Aussage eines «Insiders», dass diejenigen, die über Daniel gelacht haben, ihn in den Tod getrieben hätten. «Gala» meldet sich ebenfalls aus der Schmuddelecke: I, Artikel «Drei Verschwörungstheorien zu seinem Verschwinden» wird neben haltlosen Mord-Spekulationen von Facebook-Usern auch die These eines Unfalls verbreitet – und die Mär, Küblböck lebe nun unerkannt als Frau irgendwo weiter.

... und «Freizeit Spass» aus ein und demselben Verlag kommen: dem von Hubert Burda.
... und «Freizeit Spass» aus ein und demselben Verlag kommen: dem von Hubert Burda.
Bild via «ÜberMedien»

Oder «Freizeit Exklusiv» und «Freizeit Spass» aus dem Burda Verlag: Dass jene Magazine ihre Machwerke auch noch mit «Unfassbar!» überschreiben, ist an Zynismus kaum zu überbieten. «Die Aktuelle» fabuliert im März, der Vermisste könnte auf einer «kleinen Insel» leben, die «mitten im Meer» liegt: Das Bild eines Eilandes mit Palmen passt so gar nicht zu Anstand, Wahrheit und dem Umstand, dass die Labradorsee von der nächsten Tropeninsel Tausende Kilometer entfernt ist.

Spekulation unter Palmen in «Die Aktuelle».
Spekulation unter Palmen in «Die Aktuelle».
Bild via «ÜberMedien»

Wie weit deutsche Redaktionen für reisserische Schlagzeilen gehen, zeigen «OK!» und Burda: Ersteres Magazin weiss scheinbar, «warum seine Familie jetzt Hoffnung schöpft» – nach einer «dramatischen Wende» fragt das Klatschheft: «Lebt er noch?» Der Grund: Daniels Grosi träumte, ihr Enkel käme zurück. Der Gipfel der Unverschämtheit ist jedoch, was der Burda Verlag aus dem Offenen Brief von Günther Küblböck macht: Unter der Oberzeile «Daniel Küblböck» steht: «Er kehrt zurück.»

Peinlich, peinlich, peinlich

Dabei hat der Vater des Vermissten geschrieben: «Wenn wir Zeit zum Trauern hatten und alles etwas ruhiger wird, werden wir über eine Gedenkstätte in Daniels Heimat nachdenken und diese realisieren. Das hat für uns aktuell keine Eile, da Daniel in unseren Herzen seinen Platz hat.» Und daraus machen Klatschreporter dann ein Versprechen, dass der Sänger zurückkommt – einfach nur peinlich!

Hoffentlich lässt Günther Küblböck seinen Worten vom Mai Taten folgen: «Falsche Informationen, Unwahrheiten oder gar Diffamierungen, die nur aus Tratsch und vom Hörensagen resultieren, werden wir nicht mehr hinnehmen. […] Die Privatsphäre von Daniel und den Angehörigen sollte hier vor allem stehen, und die Bitte der Familie respektiert werden.»

Wird die Anfrage der Angehörigen wieder auf tauben Ohren stossen?

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