Kommentar zu Daniel Küblböck Küblböck wurde wie eine Sau durchs mediale Dorf getrieben. Und wir haben zugeschaut

Philipp Dahm

11.9.2018

Eine Castingshow hat ihn gross gemacht, aber wohl auch sein Leben versaut. Wer aber nun meint, Daniel Küblböck hätte sein Schicksal selbst bestimmt, glaubt vielleicht auch, als Zuschauer unmanipulierbar zu sein.

«Drama um Daniel Küblböck auf der Aida: Er trug Frauenkleider und randalierte an Bord», heisst es am Morgen des 10. September. «‹Bild› an der Schule von Daniel Küblböck: ‹Er hatte Angst vor der Prüfung, war ein Sonderling›», legt die deutsche Boulevardzeitung am frühen Abend nach. Und einige Stunden später wird getitelt: «Die letzten Wochen, die letzten Fotos: So entglitt Daniel Küblböck das Leben».

Küblböck scheidet in der vorletzten DSDS-Folge aus: Die Moderatoren Michelle Hunziker und Carsten Spengemann vergiessen Krokodilstränen.
Küblböck scheidet in der vorletzten DSDS-Folge aus: Die Moderatoren Michelle Hunziker und Carsten Spengemann vergiessen Krokodilstränen.
Keystone

Die Nachrichten über den Fall des 33-Jährigen, der seit dem 9. September in der Labradorsee verschollen ist, spiegeln exakt die Misere wieder, in der sich der Deutsche befunden haben muss, nachdem er sich im Jahr 2002 bei einer Castingshow beworben hatte. Die Macher von «Deutschland sucht den Superstar» müssen sich bei diesem Kandidaten, der da mit seinen damals 17 Jahren vor ihnen steht, die Hände reiben. 

Extrovertiert und emotional: Das lieben die TV-Macher

Denn Küblböck bringt alles mit, was sich TV-Produzenten wünschen. Der Minderjährige präsentiert sich als bunter Vogel: ausladend extrovertiert, hochgradig emotional, schlicht anders als andere. So ein Kandidat hält den Zuschauer bei der Stange: Die einen verfangen sich in dem TV-Bilder-Teppich aus Gefühlen und verfallen der Faszination des Schillernden. Die anderen nerven sich an genau jener Zurschaustellung und fallen auf den Reiz herein, mit dem RTL auch jene an den Bildschirm bindet, die nur Böses über solche Buben denken.

Was für TV-Produzenten recht ist, kann für Boulevardjournalisten nur billig sein. Als Daniel Küblböck medial auf die Welt kommt, spielt «Bild» bereitwillig den Geburtshelfer. Küblböck gewinnt zwar nicht die Castingshow, doch deren Zugpferd Dieter Bohlen produziert dafür für ihn den Hitsong «You Drive Me Crazy». Passt ja auch so schön zu diesem Flummi, der von einer Schlagzeile zur nächsten springt.

Küblböck ist folgerichtig erste Wahl für die erste Staffel einer neuen RTL-Show, die da heisst: «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» Wer den jungen Mann damals bereits hasst, freut sich auf die Zickereien, die immer dann folgen, wenn Küblböck schon wieder zu einer Dschungelprüfung antreten muss. Sie können triumphal auftrumpfen, wenn sich «Daniel K.» mal wieder windet, wenn er schluchzt oder weint.

Versuch eines Imagewechsels

Als 2004 sein erster Film «Daniel, der Zauberer» floppt, scheint der Komet so schnell verglüht zu sein wie er am Medienhimmel aufgezogen ist. Der Comic «Super-Dan» schmiert ebenso ab wie neuerliche Alben und Singles. Auch nach verzweifelt anmutenden Big-Brother-Auftritten und einem kurzen Chart-Comeback mit «König von Deutschland» kann Küblböck nicht an alte Zeiten anknüpfen. Der offen bisexuell orientierte Deutsche steht am Scheideweg.

Küblböck 2003 im RTL-«Dschungelcamp»: Das Publikum will Daniel leiden sehen.
Küblböck 2003 im RTL-«Dschungelcamp»: Das Publikum will Daniel leiden sehen.
Keystone

Küblböck will raus aus der Schublade, in die ihn die Populärkultur gesteckt hat. Er lässt kein Stein auf dem anderen, schwenkt auf Country-Musik um, sammelt Geld für eine Aids-Stiftung und stellt seine Tour 2008 unter das Motto «Jazz Meets Blues». Statt krawalliger RTL-Shows zeigt er sich beim «Perfekten Promi-Dinner». 2011 lässt er sich adoptieren. Nun heisst er sogar anders: Daniel Kaiser.

Doch Glück beschert ihm das Leben nicht. 2013 stirbt der Bruder, zu dem zwei Jahre vorher der Kontakt abgebrochen war, an einer Überdosis. Küblböck alias Kaiser ist 2015 noch einmal im TV zu sehen: Der Auftritt bei «Let’s Dance» endet unspektakulär. Der gebürtige Bayer beginnt ein Schauspiel-Studium, doch was er kann, wird er einem grösseren Publikum nie wieder zeigen.

Das Stockholm-Syndrom: Zurück auf die Bühne

Es ist merkwürdig, dass er in die Branche zurück will, die ihn erst zu den Sternen befördert und dann ganz bewusst hat abstürzen lassen. Dieser Daniel Dominik Kaiser-Küblböck, der so viel Schund über sich hat sehen, lesen und hören müssen, hat wirklich in Erwähnung gezogen, sein Leben weiterhin vor der Kamera zu verbringen. 2014 bietet er etwa seine Kandidatur für den Eurovision Song Contest an, doch die Jury lehnt ab.

Den damaligen Grand Prix in Kopenhagen gewinnt ein gewisser Thomas Neuwirth aus Österreich, dessen Kunstfigur Conchita Wurst Europa in ihren Bann zieht. Eine Rolle, die Küblböck wohl nur zu gern auch gespielt hätte, doch die Zeit war wohl einfach noch nicht reif, als er 2002 die öffentliche Bühne betritt.

Wer nun meint, dass der Deutsche sich ja nicht auf das miese Spiel mit den Medien hätte einlassen müssen, tut dem Vermissten Unrecht. Küblböck war 17 Jahre alt, er stammt aus einer deutsch-italienischen Familie mit fünf Kindern und hat einen Hauptschulabschluss. Ein Springinsfeld, der viel zu naiv und im eigentlichen Sinne unschuldig war, um dem glatten und mitunter perfiden Unterhaltungsgeschäft etwas entgegenzusetzen.

Daniel Küblböck wurde von Anfang an buchstäblich wie eine Sau durchs mediale Dorf getrieben. Und das Schlimme ist: Wir haben dabei zugeguckt. Und noch schlimmer ist: Der Mann ist vielleicht tot, doch die Treibjagd findet immer noch kein Ende. So verzeichnet sein zweiter Instagram-Account, unter dem er als «Rosa Luxemburg» und als «Künstlerin, Schauspielerin, Transsexuell» firmiert, seit seinem Verschwinden einen krassen Anstieg von Followern. Auch sein eigentliches Profil hat neue «Anhänger». Das Traurige dabei: Die meisten outen sich mit übelsten Beleidigungen als Hater.

Was bleibt? Nur ein Wunsch: Ruhe in Frieden, Daniel Küblböck. Ob nun tot oder lebendig: DU hast es verdient.

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