Hologramm-Konzerte Hologramm-Konzerte – Geister auf Tournee

Von Lukas Ruettimann

23.2.2020

Whitney Houston ist längst tot, doch aktuell tourt sie – oder genauer ihr Abbild – wieder über die Konzertbühnen der Welt.
Whitney Houston ist längst tot, doch aktuell tourt sie – oder genauer ihr Abbild – wieder über die Konzertbühnen der Welt.
Bild: zVg

Konzerte mit Stars aus Fleisch und Blut? Gut möglich, dass das bald nicht mehr selbstverständlich ist. Verstorbene Stars wie Whitney Houston oder Ronnie James Dio treten immer öfter als Hologramme auf. Nicht nur zur Freude der Fans.

In der Musik war der Tod schon immer ein gutes Geschäft. Seit Jahren dominieren Tote die Hitparade der meistverdienenden Stars, Michael Jackson setzte allein 2018 mehrere Hundert Millionen Dollar um. Auch die Doors, Bob Marley oder Elvis Presley sind Goldesel für ihre Hinterbliebenen. Zu den lukrativsten toten Stars zählen ausserdem Freddie Mercury, Prince oder die Ex-Beatles John Lennon und George Harrison.

Whitney kommt

Was diese Namen alle gemeinsam haben? Nun, sie werden derzeit hoch gehandelt, sobald die Rede auf neue Kandidaten für sogenannte Hologramm-Touren kommt. Das klingt nach Science-Fiction – und irgendwie ist es das auch. Als rockende Lichtbilder nehmen die verblichenen Künstler ihre Fans mit auf eine Zeitreise der ganz speziellen Art; zurück in eine Ära nämlich, in der sie noch am Leben waren.



Unterstützt von viel Spektakel auf der Bühne, Videoeinspielungen und einer meist fähigen Liveband sind Hologramm-Konzerte längst keine Hirngespinste aus der Marketingabteilung mehr. Im Gegenteil. Immer mehr Acts werden für solche Holgramm-Touren gebucht (vielleicht sollte man besser schreiben: programmiert). In der Schweiz etwa war bereits die verstorbene Sängerin Maria Callas als Avatar zu sehen, und demnächst ist die Reihe an US-Souldiva Whitney Houston. Sie wird Ende März auf der Bühne in der Zürcher Samsung Hall ihre Auferstehung aus Licht und Schatten feiern.

Ein nostalgischer Trend

Was abgefahren klingt, ist eigentlich eine recht simple Sache. Die Ursprünge der Hologramm-Technik sind alles andere als Hightech; vielmehr reich sie bis ins 19. Jahrhundert zurück. Die Grundlage für Hologramm-Konzerte bildet eine visuelle Täuschung namens Pepper’s Ghost. Dabei nutzte man einen Spiegel und einen bestimmten Beleuchtungswinkel, um die Dreidimensionalität einer Projektion zu erzeugen. Inzwischen ist man weiter; heute werden meistens spiegelnde Metallflächen verwendet, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Letztlich sind Hologramme nichts anderes als gebündeltes Licht und somit eine Art dreidimensionale Variante eines Fotos.



Doch der Trick scheint zu funktionieren. Wer heute auf den Konzertkalender schaut, kann sich zuweilen fühlen wie in einer Zeitschlaufe. Buddy Holly, Roy Orbison, Ronnie James Dio oder Frank Zappa touren frisch fröhlich durch die Lande, obwohl sie das Zeitliche teils schon lange gesegnet haben. Und das durchaus mit Erfolg: Hologramm-Gigs füllen vor allem in den USA immer grössere Hallen und fleissig werden neue Namen ins Feld geführt, die man als Avatare auch gern noch mal auf der Bühne erleben möchte: Janis Joplin, Prince, Nirvana oder Motörhead mit Lemmy Kilmister gelten aktuell als aussichtsreichste Kandidaten für eine digitale Auferstehung.

Dem Trend in die Karten spielt die Nostalgie. Verständlich, denn wer möchte nicht gern noch einmal die Helden seiner Jugend live erleben? Ganz besonders, wenn man zeit ihres Lebens nie die Möglichkeit hatte. Ein Hologramm-Gig ist immer noch besser als gar kein Konzert, dürfte sich der eine oder andere Fan zudem sagen. Denn lebendiger werden die grossen Namen der vergangenen Jahrzehnte nicht, und das Bedürfnis nach der guten alten Zeit ist unter Musikfans enorm. Das beweisen nicht zuletzt die vielen Abschiedstourneen, die Superstars in schöner Regelmässigkeit durch prall gefüllte Konzerthallen führen, nur damit sie ein halbes Jahr später eine neue «letzte Tour» ankündigen können. Und spätestens, seit Abba bekannt gegeben haben, ihr Comeback in Form von digital verjüngten Avataren zu geben, ist ohnehin klar, wohin die Reise geht.

Nicht alle sind begeistert

Alles Friede, Freude, Lichtfiguren also? Nun, nicht ganz. Denn nicht alle Fans können sich mit dem Gedanken anfreunden, dass ihre Idole als Geister auf der Bühne rocken. Der Vorwurf, Hologramm-Gigs seien seelenlos und künstlich, hält sich unter Musikfans zudem hartnäckig. Allerdings macht die Technik durchaus Fortschritte. Seit den Anfängen, als 2012 Tupac Shakur auf dem Coachella-Festival als digitale Lichtfigur rappte, ist viel passiert. Wendy Dio etwa, die Witwe des verstorbenen Rainbow- und Black Sabbath-Shouters Ronnie James Dio, arbeitet aktuell mit einem Studio zusammen, das auch die Effekte für «Star Wars: The Rise of Skywalker» programmierte, um die Konzerte mit dem stimmgewaltigen Rock Avatar noch lebensechter zu machen.

Vielen Fans schmeckt das trotzdem nicht. Rockfans, bekannt für ihre Loyalität und ihr Misstrauen gegenüber der Kommerzialisierung ihrer Idole, werfen Dio vor, dem Vermächtnis des Sängers zu schaden und Abzocke zu betreiben. Die Managerin hingegen rechtfertigt sich damit, dass Hologramm-Tourneen bislang mitnichten ein gutes Geschäft gewesen seien. Ausserdem habe ihr Mann für seine Shows auch immer Spezialeffekte – Laser und Gummidrachen etwa ­– eingesetzt und würde dieser Idee seinen Segen geben.

Letztlich muss jeder selber entscheiden, ob er Hologramm-Konzerte goutiert oder nicht. Fest steht: Gezwungen hinzugehen wird niemand. Und wenn sich Fans dank etwas gespiegeltem Licht und einer clever arrangierten Show für zwei Stunden in eine gute alte Zeit zurückversetzt fühlen, ist dagegen nicht viel einzuwenden. Klar ist aber auch, dass Hologramm-Touren Ausdruck einer gewissen Schwäche der aktuellen Musikszene sind. Denn wären die Songs von Taylor Swift nicht so austauschbar, würde wohl kein Hahn nach einem singenden Hologramm von Whitney Houston krähen.

Whitney Houston Hologramm-Tour am 19. März in der Samsung Hall Zürich

Um diese Prominenten trauerten wir 2019
Zurück zur Startseite