Aufstieg und Absturz des Duke of York Prinz Andrew – Vom Liebling der Queen zu Macht und Missbrauch

Jenny Keller

21.10.2025

Prinz Andrew legt im Zuge des Epstein-Skandals Titel und Ehrungen ab. (Archivbild)
Prinz Andrew legt im Zuge des Epstein-Skandals Titel und Ehrungen ab. (Archivbild)
Toby Melville/Pool Reuters/dpa

Einst gefeiert als Volksprinz und Kriegsheld, zum grössten Problemfall des Königshauses. Mit dem Titelverzicht und dem Erscheinen von Virginia Giuffres Memoiren wird der Fall Andrew endgültig zur historischen Zäsur.

Jenny Keller

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Prinz Andrew war lange einer der populärsten Royals.
  • Seine Verbindung zum verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und das berüchtigte Foto mit der minderjährigen Virginia Giuffre machten ihn zur persona non grata.
  • Nach öffentlichem Druck entzog ihm die Queen 2022 alle militärischen Ehren.
  • Nach dem Suizid von Virginia Giuffre und der Veröffentlichung ihrer posthumen Memoiren kündigte Andrew an, auf die Nutzung seiner verbleibenden Titel zu verzichten.

Prinz Andrew Albert Christian Edward wurde am 19. Februar 1960 im Buckingham Palace geboren, als drittes Kind und zweiter Sohn von Königin Elizabeth II. und Prinz Philip. Zwölf Jahre jünger als Thronfolger Charles, wuchs Andrew in einem Königshaus auf, das sich bereits gefestigt hatte. Die Monarchie war stabil, das Empire Geschichte, die Queen längst im Sattel.

Anders als ein zukünftiger Thronfol­ger, hatte Andrew als Nachzügler etwas mehr Freiraum und weniger Verantwortung. Er durfte «Prinz» sein ohne Last der Erbfolge.

Als Kind genoss er einen Sonderstatus. Während Charles unter der Strenge seines Vaters und dem intellektuellen Erwartungsdruck der Queen litt, wurde Andrew verwöhnt. In den Medien hiess es, Andrew sei der «Liebling der Queen».

Prinz in Uniform

Nach der Schule entschied sich Andrew 1979 für die Royal Navy, 1981 schloss er seine Pilotenausbildung als Lehrgangsbester ab und flog dann im Falklandkrieg 1982 Einsätze, die ihm breite Anerkennung verschafften. Als die HMS Invincible, das Kriegsschiff der Royal Navy, nach Grossbritannien zurückkehrte, stand die Nation Spalier. Jubelnd empfing auch die Queen ihren Sohn am Kai von Portsmouth.

Am 20. September 1982 trifft Prinz Andrew an Bord des Flugzeugträgers HMS Invincible im Hafen von Portsmouth ein. Rechts im Bild: Prinz Philip, Herzog von Edinburgh.
Am 20. September 1982 trifft Prinz Andrew an Bord des Flugzeugträgers HMS Invincible im Hafen von Portsmouth ein. Rechts im Bild: Prinz Philip, Herzog von Edinburgh.
IMAGO/Bridgeman Images

In dieser Zeit zeigte sich Andrew oft in Uniform, die ihm eine Autorität verlieh, die er als Prinz allein kaum hatte. Er inszenierte sich damit als Soldat statt «nur» als privilegierten Prinz, als royalen und volksnahen «Macher» mit Haltung. Andrew kam gut an in der Öffentlichkeit, wirkte glamouröser als sein spröder Bruder Charles. Plötzlich war er Kriegsheld, Nationalstolz und Teenie-Idol.

Der erste Skandal

Der Glanz des royalen Lieblings bekam seinen ersten Kratzer, als sich Andrew Anfang der 1980er in die US-amerikanische Schauspielerin Koo Stark verliebte.

Stark war nicht nur Amerikanerin, sondern hatte auch in einem erotisch aufgeladenen Kunstfilm (Emily (1976)) nackt vor der Kamera gestanden. Ein Detail, das für die britische Boulevardpresse ein gefundenes Fressen war.

Aus dem charmanten Prinzen wurde über Nacht «Randy Andy», der lüsterne Royal. Sein Privatleben wurde medial ausgeschlachtet, jeder Schritt verfolgt. Die Beziehung zu Stark hielt anderthalb Jahre, bis 1983, dann war Schluss. Warum, erfuhr die Öffentlichkeit nicht.

Fergie und Familienglück

Nur wenige Jahre später schien Andrew sein royales Comeback zu starten. Diesmal mit dem Segen des Establishments: 1986 heiratete er Sarah «Fergie» Ferguson, eine lebensfrohe, unkonventionelle Frau aus aristokratischem Haus.

Die Hochzeit wurde inszeniert wie ein royales Märchen. Millionen schalteten ein, als sich das Paar auf dem Balkon des Buckingham Palace küsste. Die beiden wirkten wie der frische Gegenentwurf zum oft etwas steif wirkenden Rest der Windsors.

Das frisch vermählte Herzogspaar von York mit Mitgliedern der königlichen Familie auf dem Balkon des Buckingham Palace.
Das frisch vermählte Herzogspaar von York mit Mitgliedern der königlichen Familie auf dem Balkon des Buckingham Palace.
IMAGO/Avalon.red

Fergie brachte laut Insidern frischen Wind in den Palast, Andrew Humor.  Gemeinsam galten sie als das ungezwungenste Paar unter den Royals. Mit der Geburt ihrer Töchter Beatrice (1988) und Eugenie (1990) schien das Familienglück komplett.

WG trotz Scheidung

Doch das Bild hielt nicht lange. Andrew war häufig auf Auslandsreisen, Fergie fühlte sich zunehmend alleingelassen. 1992, dem später von der Queen selbst als «annus horribilis» bezeichneten Jahr, gab das Paar offiziell seine Trennung bekannt.

Kurz darauf erschienen Paparazzifotos, die Fergie barfuss am Pool mit ihrem Finanzberater zeigten, der ihre Zehen küsste. Die Bilder gingen um die Welt. Andrew wurde erneut in einen medialen Sturm hineingezogen.

Leben bis heute in einer «freundschaftlichen Wohngemeinschaft»: Prinz Andrew und Sarah «Fergie» Ferguson, seine Ex-Frau. (Archivbild)
Leben bis heute in einer «freundschaftlichen Wohngemeinschaft»: Prinz Andrew und Sarah «Fergie» Ferguson, seine Ex-Frau. (Archivbild)
Chris Jackson/PA Wire/dpa

Trotz Trennung blieben sie eng verbunden: Fergie und Andrew wohnten weiterhin auf dem gemeinsamen Anwesen in Windsor, liessen sich erst 1996 scheiden, vier Jahre nach der Trennung. Ab 2008 zogen sie wieder zusammen, und das bis heute.

Offiziell bezeichnen sie ihr Zusammenleben als «freundschaftliche Wohngemeinschaft». Andrew sagte einmal in einem Interview: «Wir machen das nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns.» Und Fergie erklärte Jahre später: «Er ist immer noch mein schöner Prinz.»

Vom Helden zum Handelsreisenden

Auch Andrews öffentliche Rolle wandelte sich: Nach seinem Ausscheiden aus der Marine 2001 übernahm er den Posten des «Special Representative for Trade and Investment», eine Art britischer Wirtschafts­botschafter. Der Titel klang nach internationalem Prestige, produzierte jedoch auch viel Belustigung.

Und bald haftete Andrew ein anderer Ruf an: jener des «Air-Miles Andy». Teure Privatflüge, verschwenderische Delegationsreisen, zwielichtige Geschäftskontakte. Der Prinz bewegte sich in Kreisen, die dem Königshaus Unbehagen bereiteten.

Besonders irritierte der Verkauf seiner Villa in Sunninghill Park im Jahr 2007. Für rund 15 Millionen Pfund – drei Millionen über Wert – ging das Anwesen an den kasachischen Oligarchen Timur Kulibajew, den Schwiegersohn des damaligen Präsidenten Nursultan Nazarbajev.

Im Palast wuchs das Unbehagen. Der Eindruck verfestigte sich, dass sich Andrew in Kreisen bewegte, die für einen Royal untragbar waren. 2011 zog man die Reissleine. Offiziell hiess es, er gebe das Amt «aus persönlichen Gründen» ab, inoffiziell weil sich die Kritik an Andrews Lebensstil und seinen Verbindungen nicht mehr wegreden liess.

Andrews gefährlichster Freund: Jeffrey Epstein

Bereits Ende der 1990er-Jahre hatte Andrew über Ghislaine Maxwell, die Tochter des britischen Medienmoguls Robert Maxwell, den US-Finanzier Jeffrey Epstein kennengelernt – einen Mann mit Geld, Macht und, wie sich später zeigte, einem globalen Netzwerk sexuellen Missbrauchs.

2008 wurde Epstein in Florida wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige verurteilt. Trotzdem hielt Andrew an der Freundschaft fest, besuchte ihn 2010 nach dessen Haftstrafe in New York.

Jeffrey Epstein (links) und Prinz Andrew (rechts). (Archiv)
Jeffrey Epstein (links) und Prinz Andrew (rechts). (Archiv)
sda/Stratenschult/New York State Sex Offender Registry/AP/dpa

Nicht nur, weil sie dokumentierten, dass Andrew – ein hochrangiger Royal mit diplomatischer Rolle – weiterhin mit einem verurteilten Sexualstraftäter verkehrte, sondern auch, weil sie ein Mass an Ignoranz, Naivität oder Kaltblütigkeit offenbarten, das selbst langjährige Palastbeobachter fassungslos machte.

2011 tauchte ein Foto von 2001 auf: Es zeigte den 41-jährigen Andrew mit der damals 17-jährigen Virginia Giuffre, daneben Ghislaine Maxwell. Giuffre sagte, sie sei mehrfach zum Sex mit dem Prinzen gezwungen worden, in London, New York und auf Epsteins Privatinsel. Andrew bestritt alles.

Prinz Andrew mit der damals 17-jährigen Virginia Giuffre, neben ihnen Ghislaine Maxwell, die Partnerin von Jeffrey Epstein. Giuffre wirft Andrew vor, sie mehrfach zum Sex gezwungen zu haben. (Archivbild)
Prinz Andrew mit der damals 17-jährigen Virginia Giuffre, neben ihnen Ghislaine Maxwell, die Partnerin von Jeffrey Epstein. Giuffre wirft Andrew vor, sie mehrfach zum Sex gezwungen zu haben. (Archivbild)
Us Department Of Justice/PA Media/dpa

Demontage im BBC-Interview

Im November 2019 suchte Andrew die Flucht nach vorn mit einem Interview bei der BBC-Sendung Newsnight. Es sollte ihn entlasten, wurde aber zur Katastrophe.

In 50 Minuten redete sich der Prinz um Kopf und Kragen, das Gespräch verwandelte sich in eine öffentliche Demontage. Andrew erinnerte sich angeblich nicht an Virginia Giuffre. Er betonte, er glaube, das Bild von ihm und Giuffre sei nicht echt. Das Foto könne manipuliert worden sein. Belegen konnte er das nie.

Virginia Giuffre hatte unter anderem ausgesagt, dass sie 2001 in einem Club in London mit Prinz Andrew getanzt habe. Dabei sei er «schweissgebadet» gewesen. Im Anschluss daran sei sie von Epstein und Maxwell dazu gebracht worden, mit Andrew in einem der Anwesen von Epsteins Partnerin Ghislaine Maxwell Sex zu haben.

Palast entzieht öffentliche Aufgaben

Andrew bestritt die Vorwürfe im BBC-Interview mit der Begründung, er könne nicht schwitzen. «Ich habe eine merkwürdige medizinische Bedingung, nämlich, dass ich für eine Zeit nicht schwitzen konnte – was merkwürdig klingt – aber es war so, nach einer Überdosis Adrenalin während des Falklandkriegs.»

Mit dieser Aussage wollte er Giuffres Erinnerung als falsch, also ihre gesamte Aussage als unglaubwürdig darstellen und den Eindruck erwecken, dass sie entweder lügt oder sich irrt.

Das Netz explodierte. Memes, Parodien, Schlagzeilen, Andrew war internationaler Spott. Noch am gleichen Tag distanzierten sich mehrere Organisationen, für die er Schirmherr war. Wenige Tage später folgte der erste institutionelle Rückzug. Der Palast liess mitteilen, Andrew werde auf unbestimmte Zeit keine öffentlichen Aufgaben mehr wahrnehmen.

Zusammenbruch der Fassade

Dann setzte sich ein Dominoeffekt in Bewegung: Im August 2021 reichte Virginia Giuffre in den USA eine Zivilklage wegen sexuellen Missbrauchs gegen Andrew ein. Als ein US-Bundesrichter im Januar 2022 den Antrag seiner Anwälte, die Klage abzuweisen, zurückwies, war klar: Ein Prozess vor einem New Yorker Gericht war realistisch.

Virginia Giuffre sagte, sie sei von Prinz Andrew als Minderjährige sexuell missbraucht worden. Bei einer Zivilklage in den USA einigte sie sich mit dem Royal auf einen Vergleich. (Archivbild)
Virginia Giuffre sagte, sie sei von Prinz Andrew als Minderjährige sexuell missbraucht worden. Bei einer Zivilklage in den USA einigte sie sich mit dem Royal auf einen Vergleich. (Archivbild)
Bebeto Matthews/AP/dpa

Nur einen Tag nach diesem juristischen Rückschlag zog der Palast die Konsequenzen. Am 13. Januar 2022 verkündete das Königshaus, dass Andrew alle militärischen Titel und Schirmherrschaften verliert. Auch die Anrede «His Royal Highness» durfte er nicht länger offiziell führen. Offiziell hatte die Queen entschieden. Laut britischen Medien waren es allerdings vor allem Charles und William, die auf diesen Schritt gedrängt hatten, um das Überleben der Monarchie zu sichern.

Im Februar 2022 einigte sich Andrew aussergerichtlich mit Virginia Giuffre, angeblich gegen eine Zahlung von bis zu 12 Millionen Pfund. Ein Schuldeingeständnis gab es nicht, aber der symbolische Schaden war enorm.

Rückzug ins Royal Lodge

Seither lebt Andrew zurückgezogen in der Royal Lodge, einem herrschaftlichen Anwesen mit 30 Zimmern im Windsor Park. Das Haus diente einst als Wohnsitz der Queen Mum, der Mutter von Elizabeth II., die dort bis zu ihrem Tod im Jahr 2002 lebte. Heute teilt er sich das Anwesen mit seiner Ex-Frau Sarah Ferguson.

Das Gebäude soll ihm bis 2078 zugesichert sein. Laut Medienberichten zahlt der Prinz seit 20 Jahren keine Miete, respektive lediglich einen symbolischen «Peppercorn»-Zins, was jährlich maximal zehn Pfund entspricht. König Charles soll mehrfach vergeblich versucht haben, seinen jüngeren Bruder zum Auszug zu bewegen. Öffentlich zeigt Andrew sich nur noch selten, meist in Begleitung seiner Töchter.

Mit dem Verlust seiner royalen Funktionen verlor Prinz Andrew nicht nur seine öffentliche Rolle, sondern auch die finanziellen Privilegien, die ihn jahrzehntelang getragen hatten. König Charles III., bestrebt, das Königshaus zu verschlanken und Distanz zu Skandalen zu schaffen, strich ihm 2023 die jährliche Zuwendung aus dem «Sovereign Grant», einem öffentlichen Fonds, der normalerweise nur für aktive Mitglieder der Royal Family vorgesehen ist.

Auch die persönliche Sicherheit, die bislang privat durch die Queen gedeckt worden war, wurde gestrichen. Andrew, der jahrzehntelang von Status, Verbindungen und einer schützenden Monarchie gelebt hatte, fand sich plötzlich ohne festes Einkommen, ohne offizielle Aufgabe, ohne Schutz und Rückhalt. Er war kein Repräsentant mehr, kein «working royal», kein Mitglied der Frontlinie der Krone, nur noch ein Titelträger ohne Funktion.

Nachspiel: Giuffres Tod und der Titelverzicht

Im Frühjahr 2025 erschütterte eine tragische Nachricht erneut die Öffentlichkeit: Virginia Giuffre hatte sich das Leben genommen. «Nobody’s Girl: A Memoir of Surviving Abuse and Fighting for Justice» ist der Titel der heute posthum erschienenen Autobiografie von Giuffre, die in enger Zusammenarbeit mit der US-Journalistin Amy Wallace erschien.

In ihrem Buch beschreibt Giuffre ausführlich, wie sie zum Opfer des Sexualstraftäters Epstein wurde.
In ihrem Buch beschreibt Giuffre ausführlich, wie sie zum Opfer des Sexualstraftäters Epstein wurde.
James Manning/PA Wire/dpa

Darin erzählt sie von den jahrelangen Missbrauchserfahrungen, denen sie durch Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell ausgesetzt war, und vom Einflusskreis reicher, mächtiger Männer, die mitgespielt oder weggesehen haben. Unter ihnen mutmasslich auch Prinz Andrew.

Heute kündigte Andrew an, auf die Nutzung seiner Titel und Ehren zu verzichten, «im Einvernehmen mit dem König». Ein Schritt, der von der Öffentlichkeit als längst überfällig, vom Palast als «richtige Entscheidung» bezeichnet wurde. Andrews offizielles Profil auf royal.uk wurde gekürzt, das Wappen entfernt.