In Teufels Küche auf Disney+ «The Bear» ist so stressig und so verdammt gut

Von Fabian Tschamper

6.10.2022

Die Hektik einer Küche wird in «The Bear» so offen, derb und unverfroren dargestellt, ein stressanfälliger Mensch müsste kalkulierte Pausen einlegen. Das Drama ist so gut, du kannst den Schweiss und Zigarettenrauch riechen.

Von Fabian Tschamper

6.10.2022

«The Bear» schafft in einem Sandwich-Shop in Chicago eine fast zu gute Atmosphäre. Sich das Drama anzuschauen, fühlte sich an, als wäre ich auch in der Küche mit den Köchen – während Utensilien kaputtgehen, hitzige Streitereien ausbrechen und keine Zeit der Welt genug ist, um die Fertigstellung des Essens für die hungrigen Gäste sicherzustellen.

So manchen Zuschauer*innen dürfte «The Bear» zu intensiv, zu ungemütlich, zu roh sein.

Momente der Ruhe gibt es selten und auch die sind nicht wirklich besänftigend. Wird da doch schlicht eine Kampfzigarette geraucht – wie ich das zumindest noch aus dem Militär kenne.

Kurze Pause? Zieh wie ein Ochse an dem Ding.

Gerade Hauptfigur Carmy, gespielt von Jeremy Allen White, fasziniert und zieht einen auch in diesen Pausen magnetisch an. Das verkannte Genie, das sich deswegen eben nicht wie ein charismatisches Arschloch aufführt – wie es das Stereotyp vermuten lässt.

Er ist grösstenteils verschlossen und zurückhaltend. Was es umso schockierender macht, als er spät in der Staffel komplett die Geduld verliert und seine Mitarbeiter dermassen erniedrigt, dass sie ihm davonlaufen.

Ordnung für das Chaos

Carmy arbeitet übrigens im Sandwich-Shop «The Beef», doch eigentlich hätte er locker die Qualitäten, um in einem Gault-Millau-Restaurant zu kochen. Er hat sich jedoch geschworen, das Familiengeschäft zu übernehmen, nachdem sich sein Bruder Michael (Jon Bernthal) das Leben genommen hat.

Seine Mitstreiter im täglichen Stress-Geschäft sind Richie (Ebon Moss-Bachrach), Tina (Liza Colón-Zayas) und Neuankömmling Sydney (Ayo Edebiri). Weil Michael als ehemaliger Besitzer kein wirkliches System eingeführt hat, herrscht komplettes Chaos. Keine festen Arbeitsabläufe, keine festen Positionen. Das will Carmy ändern, sehr zum Leid der restlichen Angestellten – ausser Sydney.

Jene macht Carmy auch postwendend zum Sous Chef und führt eine Küchenbrigade ein – wie er es halt aus erfolgreichen Spitzenrestaurants kennt.

Herausragender Cast, brillanter Protagonist

Diese Umstellung in «The Bear» macht die Serie nicht weniger stressig, dafür noch besser. Meine Fingernägel sind abgenagt, meine Beine zittern während der Folgen. Kein Witz, das Drama ist echt ansteckend unruhig. Gerade in einer Zeit, in der Fernsehen und Streaming oftmals gerade «gut genug» sind, um es sich anzuschauen, sticht «The Bear» klar heraus.

Viele TV-Serien haben die richtigen Zutaten, aber die falschen Mengenverhältnisse, um das Rezept schliesslich schmackhaft zu machen. Diese Serie hat ein Gefühl für ihren Ort, klare Konflikte und allem voran Charakterentwicklung.

Weiter hat Jeremy Allen White mit dem Genie in der sprichwörtlichen Bredouille definitiv seine Nische gefunden. Seit «Shameless» weiss wohl jeder Fan, dass er das überzeugend abliefert. Und auch hier ist es ein Genuss.

Doch auch Ebon Moss-Bachrach und Ayo Edebiri spielen ihre Rollen inspiriert. In der Küche von «The Beef» passt alles zusammen. Ein sauberes Rezept, fein säuberlich zubereitet.

Bleibt noch zu klären, warum die Serie «The Bear» heisst, falls du dich fragst.

Es ist nur ein kleiner Spoiler, wenn ich dir sage, dass Carmy am Ende der ersten Staffel sein Restaurant im Rahmen eines Rebranding umbenennt. Der Schuppen heisst nun nämlich «The Bear». Eine zweite Staffel ist somit also erfolgreich aufgegleist. Bis dahin sind meine Fingernägel auch nachgewachsen.

«The Bear» ist jetzt auf Disney+ abrufbar.