Wiener Gastro-«Tatort» im Check Tod eines Chefs – warum ist der Druck auf Sterneköche so gross?

Julian Weinberger

13.4.2025

Schauplatz des «Tatort: Messer» ist ein Sterne-Restaurant, dessen Chef erstochen wird. In der Küchen-Brigade herrscht Hauen und Stechen. Geht es wirklich so hart hinter dem Herd zu? Und warum ist der Druck so hoch?

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  • Wahrlich kein Leckerbissen erwartete die Wiener Ermittler Eisner (Harald Krassnitzer) und Fellner (Adele Neuhauser) in einem Wiener Sternerestaurant: Dort kam der Chef zu Tode.
  • An Verdächtigen mangelte es nicht, was unter anderem am rigiden Führungsstil des Chefkochs lag. Doch wird in der Sterne-Gastronomie wirklich mit so harten Bandagen gekämpft?
  • Vom Stress hinter den Kulissen bekommen die Gäste meist wenig mit. Köstlich dinieren kannst du auch in der Schweiz – in vier Drei-Sterne-Restaurants.

Sterneküche fasziniert wegen ihrer rauschhaften Geschmackserlebnisse und Perfektion, aber sie schreckt auch ab. Im «Tatort: Messer» erweist sich ein Wiener Sternerestaurant hinter den Kulissen als Hölle auf Erden. Der egomanische Chef wurde ermordet. Untergebene und Angehörige sind im Grunde alle verdächtig.

Schauspieler Harald Krassnitzer, der den Wiener Ermittler Moritz Eisner spielt, bringt es auf den Punkt: «Es gab eine Zeit, in der mich die Sterneküche mit ihrem Streben nach Perfektion und ihrer Detailverliebtheit fasziniert hat. Heute weiss ich, welcher Hochleistungswahnsinn dahintersteckt.»

Geht es wirklich so hart zu in der Spitzengastronomie zu? Warum ist der Druck auf die Sterneköche so gross? Und welche Wiener Restaurants sind die besten?

Worum geht es?

André Brauer (Daniel Keberle), Chef des Wiener Gastrotempels Efeukron, wurde vor seiner Wohnung erstochen. Im Wiener «Tatort: Messer» ist es das tragische Ende einer Nacht, in der Brauers Küchenbrigade feiern war.

Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) ermitteln im persönlichen Umfeld des Opfers, dessen Leben aus Arbeit und Exzess bestand.

Seine Frau Alicia Brauer (Martina Ebm) ist Geschäftsführerin des Restaurants. Auch der junge, sehr talentierte Sous-Chef Lars Eidmann (Simon Morzé) wirkt wie jemand, der etwas verbergen könnte.

Immerhin kümmert sich Lars um seinen Halbbruder und Ex-Junkie «Ratte» (Manuel Sefciuc), den er bei sich aufgenommen und ihm einen Job in der Küche besorgt hat.

Zur harten Partynacht der Küchenbrigade gehörten offenbar auch Drogen. Hat jemand aus dem Team im Morgengrauen den Mord am Chef begangen?

Worum geht es wirklich?

Der «Tatort: Messer» zeigt die Spitzengastronomie als geschlossene Welt mit hohem Druck, ökonomischen Risiken und Selbstausbeutung. Geprägt von seltsamen Kodexen in der Küche, menschlichen Erniedrigungen und einem elitären Habitus, der besagt: Wir sind trotz allem Spitze.

Doch könnte die Küche auch eine Metapher für unser modernes Leben sein, in dem Selbst- und Fremdoptimierung ganz oben auf der To-do-Liste stehen?

Schauspieler Harald Krassnitzer reflektiert das Drehbuch von Sarah Wassermair («Tatort: Azra»), wenn er sagt: «Was mir an diesem 'Tatort» gefällt? Dass die Küche in unserem Film eine dieser kleinen Zellen ist, wo uns das, was wir uns erträumen, gleichzeitig erdrückt.«

Und weiter: »Weil es auf einem Schema basiert, das nicht mehr funktioniert und spürbar dem Ende zugeht. Für mich steht die Spitzenküche sinnbildlich für eine Überforderung und Übermüdung, die ich in vielen Bereichen der Gesellschaft wahrnehme."

Geht es in der Spitzengastronomie wirklich so hart zu?

Filme und Serien, die den Stress, aber auch die Höchstleistungen der Spitzengastronomie zeigen liegen im Trend:

Die US-Serie «The Bear» (Disney+) sammelt TV-Trophäen wie am Fliessband, auch der britische Film «Yes, Chef» der «Adolescence»-Macher ist sehr sehenswert.

Aber ist der Stresspegel wirklich so hoch, das Arbeitsumfeld derart toxisch?

Grundproblem der Spitzengastronomie, die eine hohe Insolvenzquote aufweist, ist die sehr personalintensive Arbeit, gepaart mit dem Druck einer ständigen Bewertung (Sterne, Hauben, Kritiken, anspruchsvolle Gäste).

Drehbuchautorin Sarah Wassermair sagt dazu: «Das hohe Level an Qualität lässt sich nur mit einem grossen Personalaufwand erreichen. Man braucht zahlreiche fleissige Hände, die aber nicht allzu viel kosten dürfen, damit sich ein Sternerestaurant am Ende knapp rechnet.»

In diesem Zusammenhang spricht sie von einer «Ethik der Selbstausbeutung», die sie folgt erklärt: «Wenn ich mir als Koch möglichst viele Sachen gefallen lasse, dann macht mich das zum Teil des Ganzen.»

Welche Wiener Restaurants sind die besten?

Kenner der Wiener Gourmet-Szene dürfte die Inneneinrichtung des fiktiven Lokals «Efeukron» bekannt vorkommen. Tatsächlich wurde im Sommer 2024 in Joji Hattoris Fine-Dining-Restaurant «Shiki» gedreht.

Dort entstand auch Josef Haders Kultfilm «Die wilde Maus». Mit dem «Steirereck im Stadtpark» und dem «Amador» hat Wien die einzigen Drei-Sterne-Restaurants Österreichs.

Wie viele Sternerestaurants gibt es in der Schweiz?

Der Michelin Guide 2024 weist vier 3-Sterne-Restaurants in der Schweiz aus: Cheval Blanc by Peter Knogl (Basel), Memories (Bad Ragaz), Restaurant de l'Hôtel de Ville (Crissier) und Schloss Schauenstein (Fürstenau).

Dazu haben folgende 5-Hauben-Restaurants die Höchstnote von 19 bis 19,5 Punkten im Gault&Millau 2025 erreicht:

Cheval Blanc by Peter Knogl (Basel), Memories (Bad Ragaz), Restaurant de l'Hôtel de Ville (Crissier), Schloss Schauenstein (Fürstenau), La Brezza (Ascona, Marco Campanella, Koch des Jahres 2025) und «Stucki – Tanja Grandits» (Basel).

Im Guide Michelin Schweiz 2024 wurden sechs neue Restaurants mit einem Stern ausgezeichnet. Damit stieg die Gesamtzahl der Ein-Stern-Restaurants in der Schweiz auf 107 an.

Wie geht es beim Wiener «Tatort» weiter?

Zwei weitere Wien-Fälle wurden 2024 abgedreht. Beide könnten noch 2025 zu sehen sein. Schon vor dem Küchen-«Tatort: Messer» entstand die Folge «Wir sind nicht zu fassen» (Arbeitstitel), Drehbuch und Regie kommen von Rupert Henning («Tatort: Krank»).

Im Film wird nach einer Demonstration die Leiche eines jungen Mannes vor dem Burgtheater gefunden. Die Spuren sind rar, die Zeugen sagen widersprüchlich aus. Ist ein Aufeinandertreffen mit Gegendemonstranten eskaliert? Oder stammt der Täter aus den Reihen der Polizei, die bei der Demo eingegriffen hat?

Ende 2024 wurde zudem die Folge «Tatort: Der Elektriker» (Drehbuch: Roland Hablesreiter und Petra Ladinigg, Regie: Harald Sicheritz) abgedreht, die in einem Pflegeheim spielt.

Das gestresste Personal dort arbeitet täglich am Anschlag. Ein gehbehinderter Pensionär ist in seiner Badewanne ertrunken. Fremdeinwirkung kann nicht ausgeschlossen werden.



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