«Bombshell» Charlize Theron: «Ich war total demoralisiert. Grosse Panik»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

23.1.2020

Charlize Theron an den jährlichen Producer-Awards in Los Angeles am 18. Januar 2020. 
Charlize Theron an den jährlichen Producer-Awards in Los Angeles am 18. Januar 2020. 
Frazer Harrison/Getty Images

Charlize Theron ist die treibende Kraft hinter dem Kinofilm«Bombshell» – darin wird der frühere Fox-News-Chef Roger Ailes aufs Korn genommen. Im Interview spricht die gebürtige Südafrikanerin auch über ihr sonstiges Leben.

Frau Theron, als man die ersten Bilder von ‹Bombshell› sah, staunte man nicht schlecht: Was war mit Ihrem Gesicht passiert? Wie haben Sie sich in die amerikanische News-Moderatorin Megyn Kelly verwandelt?

Charlize Theron: Das war ein ziemliches Unterfangen, denn wir haben wirklich unterschiedliche Gesichtszüge. Der Maskenbildner Kazu Hiro hat aber mit wenig Prothetik-Make-Up viel erreicht. Das Schwierigste waren die Teile zwischen Augenlidern und Augenbrauen, denn wenn man da etwas zusammenklebt, kann man nicht mehr blinzeln. Dazu kamen die dunklen Kontaktlinsen. Manchmal hatte ich das fast das Gefühl, die Augen würden mir aus dem Kopf kullern.

‹Bombshell› beleuchtet die frauenfeindliche Atmosphäre beim Nachrichtensender Fox News – und wie die Frauen dort Boss Roger Aisles zu Fall brachten. Danach kamen sexuelle Belästigungen in weiten Kreisen in der Medienlandschaft ans Licht und die #MeToo-Bewegung kam ins Rollen. Wie wichtig ist Ihr Film für die heutige Zeit?

Sehr, sehr wichtig. Die Diskussion um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz führen wir jedoch schon lange: 2005 habe ich mit ‹North Country› einen Film über einen Fall gedreht, der sich 1989 zutrug. Es hiess damals, das sei alles in der Vergangenheit. Inzwischen wissen wir, dass dem nicht so ist und wir ein systematisches Problem haben. Mit der Arbeit an ‹Bombshell› habe ich vor #MeToo, der Harvey Weinstein Saga und all den anderen Fällen angefangen. Das Timing kam uns entgegen, obwohl der Film in letzter Minute doch noch fast nicht zustande gekommen wäre.

Sie verloren in letzter Minute die Produktionsfirma Annapurna, die in einer Finanzkrise steckte. Wie haben Sie als Produzentin des Films reagiert?

Ich war total demoralisiert. Eine Woche lang waren wir in grosser Panik. Ich bin etwa fünf Jahre gealtert in der Zeit. Alles war schon gebucht, auch die Schauspieler, die ja sehr gefragt sind. Ich wusste: Wenn wir nicht am geplanten Termin anfangen, würde der Film nicht realisiert werden können.

Was haben Sie dann getan?

Zuerst rief ich den zweiten Investor an, der sich innerhalb von 24 Stunden entschloss, die ganzen Finanzierung zu übernehmen. Was für ein Held und Lebensretter! Zuerst konnten wir die Leute gar nicht zahlen, aber sie blieben, bis alles geregelt war. Dafür bin ich allen sehr dankbar. Mir kommen heute noch fast die Tränen, wenn ich daran denke, wie mir Nicole Kidman sagte, sie ginge nirgends hin. Auch der Kameramann aus London blieb und wartete, bis die Produktion wieder stand.

Woher kommt Ihr Durchhaltevermögen?

Ich glaube, wir Südafrikanerinnen werden alle mit einer grossen Portion Durchhaltewillen geboren. Aber in diesem Business schafft man nichts alleine. Man ist auf die Unterstützung und das Vertrauen anderer angewiesen. Wenn man eine Leidenschaft für etwas hat, dann betrachtet man ein Nein nur als Hindernis, das es zu überspringen gilt. Wenn etwas nicht nach meinem Kopf oder meinen Plan geht, erinnere ich mich jeweils daran, dass mir das Ganze weniger bedeuten würde, wenn es einfach wäre.

«Heute hat Ruanda eine boomende Wirtschaft. Wenn Frauen etwas zu sagen haben, geht es der Gesellschaft besser»

Hollywood wird kritisiert, zu wenige Frauen in führenden Positionen zu haben. Sie haben Jay Roach engagiert und nicht einer Frau die Chance gegeben, bei ‹Bombshell› Regie zu führen. Weshalb?

Es war auch ein Mann, der das Drehbuch geschrieben hat, weil er die Geschichte dieser Frauen erzählen wollte. Darauf hatte ich keinen Einfluss. Mit Jay habe ich in jener Zeit über ein TV-Projekt gesprochen und da wurden wir gute Freunde. Als ich das ‹Bombshell›-Script bekam, habe ich um seine Meinung gebeten, weil ich nicht sicher war, oben ich Megyn Kelly spielen könnte. Er hat mich umgehend zurückgerufen. Wir telefonierten drei Stunden miteinander. Er wurde so emotional, weil er auch Frauen kennt, denen Ähnliches widerfahren ist. Er war der richtige Regisseur für diesen Film.  Ich will auch nicht in einer Welt leben, in der Männer sich nicht an einer Frauengeschichte beteiligen können. Klar, ich will Frauen unterstützen. Letzten Sommer habe ich einen Film unter der Regie einer Frau gedreht. Bei ‹Bombshell› sind die Puzzle-Steine anders gefallen. Wenn ich nochmal vor der Entscheidung stünde: Ich würde nichts anders machen. Der Film entstand mit den richtigen Leuten.

Wie optimistisch sind Sie, dass sich für Frauen wirklich etwas in der Gesellschaft verändert?

Wir werden nicht alle Probleme beseitigen können, aber Veränderungen sind möglich. Schauen Sie mal Ruanda an: Weil die männliche Bevölkerung während des Genozids dezimiert wurde, mussten danach Frauen Führungspositionen übernehmen. Heute hat Ruanda eine boomende Wirtschaft. Denn wenn Frauen etwas zu sagen haben, geht es der Gesellschaft besser.

Nicht, dass Frauen immer unschuldig sind: Die Sekretärin von Roger Aisles wusste genau, was sie tat, wenn sie die jungen Frauen in sein Büro brachte. Oder Ghislaine Maxwell, die Jeff Epstein mit jungen Mädchen beliefert haben soll. Frauen sind komplizierte Wesen.

Wie wirkt sich Ihr Engagement für Filme wie ‹Bombshell› auf Ihr Dating-Leben aus?

Ich war mir immer bewusst, dass es eine Gefahr für meine Beziehung mit Männern darstellt, wenn ich mein volles Potenzial auslebe. Als ich in meinen Zwanzigern war, dachte ich oft, dass meine Beziehung grossartig wäre, wenn ich mich etwas kleiner machen könnte. Aber je älter ich werde, desto weniger will ich mich zurückhalten. Hoffentlich treffe ich eines Tages jemanden, der das alles schätzt, was ich zu bieten habe.

Versuchen Ihre Freundinnen und Freunde Sie zu verkuppeln?

Sagen wir so: Ich bin offen. Ich würde gerne jemanden kennenlernen, aber wenn es sich nicht richtig anfühlt, bin ich nicht mehr bereit, Kompromisse einzugehen. Ich bin sehr glücklich als Single und mein Leben ist erfüllt. Es gibt kein Loch zu stopfen. Mein Leben ist zu schön, als dass ich jemanden darauf pinkeln lasse.

«Bombshell - Das Ende des Schweigens» lief gestern in den Kinos an.

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