Sundance Festival Carlos Leal: «Jetzt werde ich Amerikaner!»

Von Marlène von Arx

1.2.2020

Carlos Leal besucht zum ersten Mal das Sundance Film Festival, Amerikas Top-Adresse für Indie-Filme. Er erklärt, was er von den kritischen Stimmen über seinen Netflix-Film «The Last Thing He Wanted» hält. Und wieso er den US-Pass beantragt – und warum er um seine Karriere bangte. 

Carlos Leal sitzt in der Netflix-Lounge in Park City am Computer: Zwischen zwei Filmen am Sundance Film Festival füllt er Online-Formulare für die amerikanische Staatsbürgerschaft aus. «Wegen Trump!», verwirft er die Hände und erzählt: «In den letzten drei Jahren wurde ich bei der Einreise in die USA sechzehn Mal am Zoll für eine zweite und dritte Zusatz-Kontrolle festgehalten», so der Schweizer Schauspieler mit Wohnsitz Los Angeles.

Das ist traumatisierend. Ich muss jetzt etwas dagegen unternehmen.» Wieso er schikaniert wird, weiss er nicht. Vielleicht gibt es irgendwo einen Gangster mit dem gleichen Namen, vermutet er. Sein Anwalt meint, die US-Staatsbürgerschaft werde das Problem lösen. «Natürlich mache ich das nur, weil ich den Schweizer und den spanischen Pass behalten kann. Ich würde nie einen der beiden für einen amerikanischen Pass aufgeben.»

Zum Glück brauchte er für die Reise ans Sundance Film Festival in Utah keinen Pass. Der Waadtländer präsentiert hier den Spielfilm «The Last Thing He Wanted». Anne Hathaway, Ben Affleck, Rosie Perez und Willem Dafoe spielen die Hauptrollen. Die oscarnominierte Filmemacherin Dee Rees («Mudbound») führte Regie. Der Film basiert auf einem Roman von Joan Didion und folgt der Polit-Journalistin Elena McMahon (Hathaway), die für ihren Vater einen gefährlichen Waffendeal in Zentralamerika durchführen soll. Carlos Leal spielt eine mysteriöse Drahtzieher-Figur, über die alle reden, aber keiner wirklich weiss, wer er ist.

Enttäuschendes Sundance-Debüt

Der Applaus an der Premiere im Eccles Theater, dem grössten aller Sundance Kino-Säle, war verhalten. Die Kritiker nennen «The Last Thing He Wanted» eine grosse Enttäuschung und ein unverständliches Durcheinander. «Ich finde, der Film ist wirklich gut gemacht, aber ich war bei der Handlung auch etwas verloren», gibt Leal nach der Premiere zu. «Aber letztlich weiss auch Elena nicht genau, was ihr geschieht. Am besten lässt man sich einfach vom Thriller mitreissen!»

Der Weg ist schliesslich das Ziel. Das wird dem Romand immer wieder vor Augen geführt: «Vor vier Jahren drehte ich einen iranischen Film. Ich war überzeugt, er würde in Cannes oder in Toronto am Festival laufen und mich auf die nächste Stufe bringen.» Aber wegen der politischen Situation in Iran kam der Film nie in die Kinos. Dann folgten hintereinander drei Pilot-Episoden für drei verschiedene US-Serien, in denen Carlos Leal tragende Rollen spielen sollte. Aber keine ging auch tatsächlich in Serie. Bis der negative Bescheid kam, musste er in Europa unter anderem Rollen wie im Schweizer «Tatort« sausen lassen.

Und jetzt ist es der Film von Dee Rees, deren letztes Drama «Mudbound» mit vier Oscars nominiert war, der die hohen Erwartungen nicht erfüllen kann.

Aber c’est la vie. Carlos Leal hat trotzdem Spass an seinem ersten Sundance-Besuch: «Arthouse Filme, die gut gemacht sind und auch gesellschaftspolitisch etwas zu sagen haben, sind meine Welt. Ich käme gerne jedes Jahr hierher.» Er bewundert Schauspieler wie Robert Pattinson, die mit ihrer Filmwahl ihren eigenen unkonventionellen Weg gehen. Erfolg hin oder her.

Midlifekrise vorbei

Inzwischen steckt Carlos Leal Rückschläge besser ein. Als seine Tochter Tyger vor vier Jahren mit einer Stoffwechsel-Krankheit zur Welt kam, schlitterte er zuerst in eine Lebenskrise: «Ich bangte um sie, die Karriere kam nicht voran und ich hatte das Gefühl, in Europa hätte man mich vergessen. Das war eine harte Zeit, aber die Phase ist zum Glück durch.»

Leal weiss grundsätzlich, dass er auf das Erreichte stolz sein kann. Das bestätigt ihm auch sein in New York ansässiger Agent Barry McPherson, mit dem er sich in Sundance wieder einmal getroffen hat. Die Feedbacks, die dieser für den Lausanner erhält, sind sehr gut. Aber es ist eine delikate Zeit in Hollywood: «Vor zwei Jahren hätte ich noch problemlos einen Mexikaner oder einen Schwulen spielen können. Heute ist das schwieriger.» Authentisches Casting ist angesagt. Andererseits gibt es aber auch mehr Shows und entsprechend mehr Jobs.

Für «The L Word: Generation Q» musste er nicht einmal vorsprechen. Die Mutter-Serie um eine Gruppe von lesbischen Freundinnen und ihrem Umfeld lief von 2004 bis 2009. Leal spielt im Reboot den Vater einer der Hauptdarstellerinnen und tritt in fünf der acht Episoden der ersten Staffel auf, die zweite ist in Planung. Dass inzwischen eine erwachsene Frau seine Tochter spielt, stört ihn nicht: «Meine Frau Jo fand das schockierender», lacht er. «Ich bin 50 und spiele einen Latino. Es ist nicht so abwegig, dass er eine 24-jährige Tochter hat. Ich bin so alt, wie ich bin, und finde, ich sehe noch ziemlich okay aus.»

Auch musikalisch ist der ehemalige Sens-Unik-Frontmann wieder produktiv: Gerade hat er die beiden Songs «Les Brunes et les Blondes» und «Highway» veröffentlicht, die in Zusammenarbeit mit Stee Gfeller von den ZiBBZ entstanden sind.

Carlos Leal hofft, dass er diese Musik-Film-Fusion weiterführen kann und am Schluss ein 35-minütiger Kurzfilm aus den Videos entstehen wird. Fortsetzung folgt. Aber jetzt geht’s für Carlos Leal zuerst einmal zur nächsten Sundance-Premiere.

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