Die Pop- und Rock-Ikone hat neben Mega-Erfolgen auch schlechte Zeiten erlebt. Davon erzählt der neue Musikfilm «Tina». Auch die Sängerin selbst kommt darin zu Wort. Die Doku ist als filmisches Adieu zu verstehen.
DPA
17.03.2021, 18:04
dpa/che
Der Film der beiden US-Regisseure Dan Lindsay und T.J. Martin markiert einen besonderen Punkt im Leben der inzwischen 81 Jahre alten Sängerin: Es ist eine Art Vermächtnis der Tina Turner.
Die Verkaufszahlen der Sängerin liegen im dreistelligen Millionenbereich, das Album «Privat Dancer» (1984) bleibt ihr grösster Erfolg. Es gibt eine Autobiografie («Ich, Tina. Mein Leben», 1986), einen Film («Tina – What's Love Got to Do with It?», 1993), ein Musical («Tina – The Tina Turner Musical», 2018).
«Diese Dokumentation ist ein Abschluss», sagt Erwin Bach im letzten Kapitel des fünfteiligen Films. Bach formuliert die deutliche Aussage nicht als Produzent des Films. Der aus Köln stammende Musikmanager ist seit Mitte der 80er-Jahre Lebenspartner der Musikerin, seit acht Jahren sind die beiden verheiratet. Sie leben am Zürichsee.
«Tina» erzählt von Jahrzehnten voll erschütternder Tiefen der in Tennessee als Kind von Baumwollfarmern geborenen Anna Mae Bullock, wo sie von den Eltern verlassen wird. Ihre Karriere beginnt, als sie 1958 Ike Turner (1931–2007) in St. Louis kennenlernt. Er holt sie als Background-Sängerin in seine Band. Rein zufällig springt sie bei Aufnahmen zu «A Fool In Love» als Sängerin ein. Der Song wird ein Hit. Für die Kampagne erfindet der Bandleader – ohne jede Absprache – den Namen Ike and Tina Turner.
Musikalische Erfolge wie «Proud Mary», «River Deep, Mountain High» oder «Nutbush City Limits» können lange das private Drama überdecken. «I was living a life of death», sagt Tina Turner in einem Interview, mit dem sie 1981 erstmals die Hölle ihres Lebens eher unter als neben Ike offenbart: Gewalt, Unterdrückung, Ausbeutung. «Ich habe ein beschämendes Leben geführt», sagt Tina im Film. Mehrfach versucht sie, sich das Leben zu nehmen.
Der Schrecken wird die Sängerin verfolgen. Kaum eine Begegnung oder ein Interview kommt ohne Fragen nach Ike aus – und damit die Erinnerung. Die Dokumentation zeigt die Auswirkungen: Tina Turner unterbricht nach einer solchen Frage ein Gespräch, greift nach einem Fächer, ringt nach Luft – und will doch antworten. «Ike war wie ein Schatten», beschreibt es eine Zeitzeugin im Film. Bach erläutert das Trauma: «Es ist wie bei Soldaten, die aus dem Krieg kommen.» Heute sagt Tina Turner, sie habe nach Ikes Tod verstanden, dass er ein kranker Mensch gewesen sei. «Irgendwann übernimmt die Vergebung.»
Nach dem Bruch ist der Weg frei. Die Sängerin überlässt alle Besitztümer ihrem Ex, nur den Namen Tina will sie behalten. Er habe den Namen erfunden, aber sie habe ihn berühmt gemacht. «I was ready for a change», sagt Tina Turner. Als erste schwarze Rock'n'Roll-Sängerin will sie Stadien füllen wie die Rolling Stones. Dafür bietet ihr das Europa der 80er das Sprungbrett. Der weltweite Erfolg der «Privat Dancer»-Tour wird noch getoppt von 230 Konzerten mit der «Break Every Rule»-Show.
«Tina» ist kein Musikfilm, er dokumentiert das Leben der Sängerin. Dafür können Lindsay und Martin neben den Gesprächen mit Turner und Bach auf Interviews mit vielen Zeitzeugen zurückgreifen. Darunter Angela Bassett oder Oprah Winfrey, der frühere Manager Roger Davies, der Komponist Terry Britten und Mitmusiker*innen.