Greta van Fleet Die meistgehasste Band der Welt

Von Lukas Rüttimann

29.4.2021

Kopie oder Hommage? Die US-Rockband Greta van Fleet: Antithese zum Pop-Mainstream.
Kopie oder Hommage? Die US-Rockband Greta van Fleet: Antithese zum Pop-Mainstream.
Universal / dpa

Für die einen eine dreiste Kopie, für andere die Hoffnung auf ein Rock-Revival: An der US-Band Greta van Fleet scheiden sich die Geister. Ihr neues Album befeuert die Diskussion.

Von Lukas Rüttimann

29.4.2021

Rockmusik mag nicht tot sein, aber merkwürdig riechen tut sie schon seit einiger Zeit. Als Beweis genügt ein Blick auf die aktuellen US-Billboard-Charts: In den Top 20 ist von Rock weit und breit nichts zu sehen. In der Schweizer Hitparade sieht’s ähnlich aus; und wenn – wie in den Albumcharts – mit Cannibal Corpse oder The Offspring doch mal laute Gitarren auftauchen, sind es meist Acts, die ihre Blütezeit schon seit einiger Zeit hinter sich haben.

Eine junge Band, die den Laden aufmischt und Rocksound für ein junges Publikum attraktiv macht, wäre also gefragt. Die gute Nachricht: Es gibt sie. Die US-Gruppe Greta van Fleet wird als grosse Hoffnung für ein Rock-Revival gefeiert, ihr soeben erschienenes zweites Album «The Battle at Garden’s Gate» hat in den USA wie auch in der Schweiz prompt die Top 5 gestürmt. Die schlechte Nachricht ist: Kaum eine andere Band wird derzeit mit so viel Hass eingedeckt – und zwar von Kritikern und Rockfans gleichermassen.

Der Zeppelin-Vergleich

Um das zu verstehen, reichen ein paar Takte aus «Lover, Leaver». Die Band klingt wie Led Zeppelin 2.0, vor allem Sänger Josh Kiszka erinnert mit seiner hohen Stimme frappant an Robert Plant. Doch auch Gitarren, Bass, Drums und die warme Produktion kommen daher, als wären sie per Zeitmaschine aus den Siebzigern ins Hier und Jetzt transportiert worden.

Die Nähe zu den 70er-Giganten Led Zeppelin kommt bei Kritikern, gelinde gesagt, nicht so gut an; die Band wird behandelt, als habe sie ein Verbrechen begangen. Von einer «abstrusen Ähnlichkeit» und «kunstvollen Fälschungen» schrieb etwa das amerikanische «Rolling Stone»-Magazin über die Songs des GvF-Debüts «Anthem of the Peaceful Army» (2018); und damit war man noch eine der netteren Stimmen aus dem Kritikerkanon. Auf Youtube und Social Media wird die Band nicht selten derb beleidigt, zumal dort neben der Zep-Diskussion auch das hippie-eske Auftreten oder die Körpergrösse von Kiszka zum Gegenstand des Spotts werden. In einigen Kommentaren wird der zierliche Sänger mit den eigenartigen Klamotten – an dessen schriller Stimme sich die Geister ohnehin scheiden – schon mal mit «Lord of the Rings»-Hobbit Frodo Baggins verglichen.

Segen vom Meister – und ein Meisterstück

Tatsächlich bietet die Band um die drei Kiszka-Brüder, die in der US-Provinz phasenweise ohne TV und Uhren aufgewachsen sind, jede Menge Angriffsflächen. Mit ihren träumerisch-esoterischen Texten, ihrem Hang zur operettenhaften Theatralik und ihrem eigenwilligen Look sind Greta van Fleet quasi die Antithese zum Pop-Mainstream von Cardi B oder The Weeknd. Rockfans wiederum hassen sie dafür, dass sie mit vermeintlich geklauten Sounds erfolgreicher sind als innovative Bands mit genauso viel Talent. Doch die Diskussionen zeigen, dass Greta van Fleet bereits wichtig genug sind, um zum Thema zu werden. Zumal der Maestro persönlich – Zeppelin-Sänger Robert Plant – keinen Hehl daraus macht, dass er die Band mag. Auch wenn ihn die Stimme, wie er einem Journalisten auf Youtube grinsend zu Protokoll gegeben hat, frappant an jemanden erinnert, «den ich sehr gut kenne»:

Der Band selbst ist das egal. Kritiker seien einfach «sauer, weil wir etwas schaffen, während sie am Computer ihren Frust ablassen», sagte Kiszka kürzlich gegenüber dem «Guardian». Die Aufruhr sei am Ende Zeichen dafür, dass «wir etwas richtig machen». Tatsächlich sind Diskussionen um die Originalität von jungen Bands so alt wie die Musik. Zeppelin-Verehrer müssen dabei oft hinhalten – als Beispiel sei nur die 80er-Band Kingdom Come erwähnt, die genauso angefeindet wurde und denen Gitarre-Ikone Gary Moore mit «Led Clones» gar einen bitterbösen Song widmete.

Was Greta van Fleet von Kingdom Come unterscheidet, ist das Songwriting. Genau auf das kommt es letzten Endes an, und das zweite GvF-Album ist ein eindrückliches Statement dafür, dass diese Band dem Rock tatsächlich neues Leben einhauchen kann. Greta van Fleet beweisen auf «The Battle at Garden’s Gate» jedenfalls, dass sie mehr können als Zeppelin-Hommagen. Songs wie «The Weight of Dreams» oder «Broken Bells» sind grosses Kino, mit mehr Prog, mehr Pathos und – tatsächlich – mehr Eigenständigkeit als frühere Werke.

Dass böse Zungen behaupten, Greta van Fleet klängen inzwischen einfach mehr nach Cream oder Yes als nach Led Zeppelin gehört bei dieser Band wohl zum Programm. Die Diskussionen dürften also weitergehen – der Angriff auf den Rock-Olymp allerdings auch.