Ausstellung Geschichten öffnen den Blick auf die Sammlung des Kunstmuseums Bern

fa, sda

26.7.2023 - 14:11

«Anekdoten des Schicksals» (28.7.-7.1.) heisst eine Ausstellung, mit der das Kunstmuseum Bern sich auf neue Weise der eigenen Sammlung nähert: mit Geschichten, die viele neue Perspektiven auf die Werke eröffnen.

Die Sammlung des Kunstmuseums Bern enthält Werke von bekannten Künstlerinnen und Künstlern wie Meret Oppenheim oder Ferdinand Hodler und von vergessenen oder übergangenen Kunstschaffenden, wie Annie Stebler-Hopf (1861-1918). «Anekdoten des Schicksals» bringt nun die Stars mit den Übergangenen zusammen.

Dabei stand für die Kuratorin Marta Dziewańska am Anfang ein frustrierendes Erlebnis. Eigentlich wollte sie Annie Stebler-Hopf eine mongrafische Ausstellung widmen. Doch sie fand zu wenig Werke und noch weniger Informationen über die gebürtige Bernerin, die Ende des 19. Jahrhunderts an der Akademie der Künste in Berlin gelehrt und in Paris gearbeitet hat, bevor sie 1890 nach Zürich gezogen ist. «Die Geschichte ist ungerecht gegenüber vielen Künstlerinnen und Künstlern», sagte Dziewańska am Mittwoch vor den Medien.

Spiel mit Blickwinkeln

Deshalb habe sie «wirkliche Geschichtenerzähler» gesucht und gefunden in Schweizer Autorinnen wie Melinda Nadj Arbonji, Dorothee Elmiger, Eva Maria Leuenberger und Friederike Kretzen sowie im Autor, Slam-Poeten und Musiker Frédéric Zwicker. Sie alle haben Geschichten geschrieben zu Werken oder Kapiteln, in die die Ausstellung gegliedert ist. Dadurch entstehe eine Vielstimmigkeit und es eröffneten sich neue Perspektiven auf die Werke, so Dziewańska.

«Mir als Autorin ist der Blickwinkel wichtig, die Frage aus welcher Perspektive ich erzähle», sagte Melinda Nadj Arbonji, die 2010 sowohl mit dem Schweizer als auch mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Dass daraus ein vielschichtiges Spiel entstehen kann, wurde an der Situation deutlich, in der sie sprach: Sie stand vor dem Bild «La Blanche et la Noire» (1913) von Felix Valloton (1865-1925). Das Bild zeigt eine liegende weisse Frau, die den Blick in den Hintergrund richtet; neben ihr sitzt eine schwarze Frau, die sie anschaut und davor steht die Autorin, die auf die beiden Frauen schaut.

In der Ausstellung «Anekdoten des Schicksals» geht es denn auch um ein solches Spiel mit Blickwinkeln. In der bildenden Kunst wie in der Literatur ist das eine Funktion des Geschichtenerzählens. Und so lässt die Ausstellung Autorinnen und den Autor zu Wort kommen, um «durch deren Worte zu schauen», wie es Dziewańska ausdrückte. Zudem erzählen die Werke selber, indem sie Aspekte sichtbar machen und andere in Schatten hüllen. Oder indem sie miteinander in den Dialog treten. Oder es wird am Beispiel von Selbstporträts sichtbar, wie sich Künstlerinnen und Künstler selber darstellen oder gar selber neu erfinden.

Kanon als Prozess

Bemerkenswert an der Ausstellung «Anekdoten des Schicksals» ist, dass vermeintliche Sicherheiten im Umgang mit den Werken hinterfragt werden. Damit öffnet das Kunstmuseum Bern den Blick auf die eigene Sammlung, die als kanonisch gilt. Kanon definiert das Kunstmuseum mit dieser Ausstellung nicht statisch, sondern «als Weg, auf dem Kunstgeschichte ständig neu geschrieben wird», sagte Kunsthaus-Direktorin Nina Zimmer zu Beginn des Medienrundrundgangs.

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