Dunkle Zeiten Das Schweizer Musikfestival, das nie stattfinden wird

Von Gil Bieler

17.1.2021

Düster: Das Logo des Ghost-Festivals versprüht nicht gerade Optimismus.
Düster: Das Logo des Ghost-Festivals versprüht nicht gerade Optimismus.
Bild: zVg

Das Ghost-Festival feiert mitten in der Pandemie Premiere. Der Ticketverkauf ist diese Woche angelaufen, doch Auftritte darf man keine erwarten – aus gutem Grund, wie die Organisatoren erklären.

Ob Elektro, Rock oder Hip-Hop: Im umfangreichen Programm des Ghost-Festivals findet sich für jeden Musikfan etwas. Nicht weniger als 300 Bands und Musiker*innen aus der ganzen Schweiz werden Ende Februar an dem mysteriösen Anlass auftreten, der ausgerechnet in der Corona-Pandemie erstmals durchgeführt wird.

Zu schön, um wahr zu sein? Leider ja: Das Festival wird nämlich gar nicht stattfinden, «weder physisch noch digital». Die Tickets, die gibt es aber wirklich zu kaufen: 20 Franken bezahlt man für den Ein-Tages-Pass, für 100 Franken gibt es das VIP-Ticket. 

Dass man für sein Geld nichts geboten bekommt, hat schon seine Richtigkeit, denn beim Ghost-Festival handelt es sich um eine Spendenaktion: Die Einnahmen kommen den Musiker*innen zugute, die von der Pandemie finanziell schwer getroffen wurden.

Das Echo auf die ungewöhnliche Aktion ist gross: «Innert 24 Stunden waren bereits die ersten 2500 Tickets verkauft», sagt Regula Frei, Mediensprecherin des Festivals, zu «blue News». Auch das Feedback aus der Branche sei positiv ausgefallen.

Keine Streaming-Konzerte – aus Prinzip

«Mit dem Ghost-Festival wollen wir den Musikschaffenden ein grosses Merci aussprechen», sagt Frei. Diese hätten trotz Corona-Krise weiterhin neue Musik erschaffen, Projekte und Konzerte via Livestreams auf die Beine gestellt.

Der Erlös, der mit Ticketverkauf und Merchandising erzielt wird, fliesst daher vollumfänglich an die Musiker*innen. Mit diesem Gedanken erklärt sich auch, weshalb das Ghost-Festival keine Streaming-Auftritte oder Ähnliches anbietet, sondern einfach nichts. «Es soll ein Geschenk an die Künstler*innen sein, da erwartet man keine Gegenleistung», erklärt Frei. Zudem verdeutliche die Stille auch, was der Gesellschaft ohne Musik fehlen würde.



Nicht zuletzt wolle man mit dem Ghost-Festival in Erinnerung rufen, dass es die Musikbranche gibt – und dass auch sie unter der Corona-Situation leide. Wie hart die Branche getroffen worden sei, zeige sich auch am Line-up des Ghost-Festivals: Dieses reicht von Newcomer*innen wie den Acid Amazonians bis zu gestandenen Acts wie Steff la Cheffe und Patent Ochsner.

Kultur-Taskforce beklagt «Arbeitsverbot»

Die Taskforce Culture, in der sich Vertreter aus dem Kultursektor zusammengeschlossen haben, stiess diese Woche ins selbe Horn: Sie beklagt, dass die Kultur- und Veranstaltungsbranche seit elf Monaten «einem eigentlichen Arbeitsverbot» unterliege. Davon seien rund 270'000 Kulturschaffende und rund 63'000 Kulturunternehmen betroffen.

«Es braucht daher dringend schweizweit einheitliche Regelungen und eine klare Vereinfachung der unübersichtlichen Unterstützungsmassnahmen», fordert die Taskforce in einer Mitteilung. So müsse der Anspruch für Kurzarbeit bis mindestens Ende 2021 gelten. Und: Es brauche eine Strategie, wie kulturelle Angebote wieder durchgeführt werden könnten. 

Umfrage
Vermissen Sie Konzerte?

«Die Situation für Musikschaffende ist prekär», hält auch Regula Frei fest. Sie kenne einige Musiker*innen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen könnten. «Viele Künstlerinnen und Künstler sind Idealisten und kamen bisher mit einem bescheidenen Lifestyle gut über die Runden. Doch mit der Corona-Krise geht das nicht mehr auf.»

Im selben Boot sitzen all jene, die in Bühnentechnik oder Booking tätig seien – ihnen sind ebenso alle Einnahmen weggebrochen. Haben sie denn wenigstens etwas vom Ghost-Festival? Ja, sagt Frei: «Jede der teilnehmenden Bands konnte zwei weitere Personen anmelden, die zu ihrem Team gehören, die ebenfalls Geld bekommen.»

Verteilt wird das eingenommene Geld pro Kopf, jede und jeder bekommt gleich viel. Zudem hätten einige Bands von sich aus auf ihren Anteil verzichtet, damit mehr übrigbleibe für all jene, die es härter getroffen hat.

«Im Moment bucht dich ja niemand» 

Besonders leid täten ihr Newcomer*innen wie die Elektro-Musikerin Casanora aus Bern, die im letzten Jahr beim m4music-Festival den Demotape Clinic Award gewonnen hat. «Für sie hätte es 2021 richtig abgehen sollen – doch stattdessen geht jetzt nichts. Das ist bitter.»

Regula Frei selber tritt als Bassistin mit dem Duo Künzi & Frei auf. Da sie Musik aus Leidenschaft mache, aber ein anderes Einkommen habe, sei die Krise für sie noch nicht existenzbedrohend. «Trotzdem merke ich, wie mir das Ganze psychisch zusetzt.» Nebst dem Finanziellen litten Kulturschaffende auch darunter, dass sie nicht mehr arbeiten könnten. Und an Planung sei ohnehin nicht zu denken: «Im Moment bucht dich ja niemand – wieso auch?»

Tickets und Merchandise-Artikel können auf der Festival-Website gekauft werden. 

Regula Frei auf der Bühne mit dem Duo Künzi & Frei.

Youtube

Zurück zur Startseite