«Tatort: Dreams» Ist es möglich, jemanden beim Klarträumen zu ermorden?

tsch

7.11.2021

Im «Tatort: Dreams» weiss eine junge Geigerin nicht, ob sie ihre Konkurrentin umgebracht hat oder ob die Tat nur ein luzider Traum war. Könnte der Plot auch in Wirklichkeit passieren?

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7.11.2021

Auch Schlaf und Traum sind kein sicherer «Rückzugsraum» mehr für leistungsorientierte Menschen. Im Münchener «Tatort»-Krimi «Dreams» arbeiteten junge «High Performer», die Geigenstudentinnen Marina Eeden (Jara Bihler) und Lucy Castaneda (Dorothée Neff) sowie deren Freund, Top-Leistungsturner Mats Haki (Theo Trebs), an einer Verbesserung ihrer Leistung mithilfe von Klartraum-Training. Klarträume sind Träume, in denen man sich bewusst ist, dass man träumt und in denen man diese Träume auch beeinflussen kann.

Diese Art des Träumens ist in der Tat trainierbar. Sie wird für Psychotherapie genutzt, aber auch zum Erlernen von Bewegungsabläufen in der Sportwissenschaft oder der Kunst. Doch ist es – wie im «Tatort» – auch möglich, dass man einen Mord sehr realistisch träumt, aber selbst lange nach dem Aufwachen nicht weiss, ob die Szene stattgefunden hat oder ob es nur ein sehr realistischer, luzider Traum war?

Worum ging es?

Geigenstudentin Marina Eeden kommt völlig aufgelöst zu den Münchener Mordermittlern Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl). Sie fürchtet, ihre Freundin und Konkurrentin Lucy getötet zu haben. Oder ist dies doch nur im Traum geschehen? Fatalerweise finden sich auf dem Dach des Kulturzentrums Gasteig, das die Münchener Philharmoniker sowie die Hochschule für Musik und Theater beherbergt, tatsächlich Blutspuren von Lucy – allerdings keine Leiche.

Im «Tatort» von «Hindafing»-Macher Boris Kunz (Regie) erforschen die Kommissare zwei Welten, in die sie sich erst mal einfinden müssen. Zum einen die knallharten Regeln und der Konkurrenzkampf des «Leistungssports» Klassik und die faszinierende «Halbwelt» des luziden Träumens.

Worum ging es wirklich?

Das Drehbuch-Team Moritz Binder und Johanna Thalmann, die interessanterweise auch den Frankfurter Literatur-«Tatort: Luna frisst oder stirbt» aus der Vorwoche geschrieben hat, wo es ebenfalls um das Miteinander von Realität und Fiktion ging, wollte zwei Themen miteinander verbinden: den enormen Leistungsdruck klassischer Musiker und Phänomene der Klartraumforschung.



In der Tat experimentieren manche Leistungssportler wie auch Künstler mit Lern- und Trainingsformen, die im Schlaf während Traumphasen stattfinden. Im «Tatort» ist Schlaf- und Klartraumforscherin Dr. Deah (Katrin Röver, «Hindafing») dazu da, möglichst viel über das faszinierende Sujet loszuwerden. Sie tut dies auf herrlich schnoddrige Art – auch wenn nicht alle Details des Krimis realistisch sind.

Ist es möglich, nicht zu wissen, ob man einen Mord nur geträumt hat?

Die Wiener Psychologin Dr. Brigitte Holzinger, weltweit eine der führenden Klartraum-Forscherinnen, hat diesen «Tatort» beraten. Auf die Frage nach dem Realitätsbezug des Plots sagt sie: «Fast jeder kennt es, dass wir mal nicht wissen, ob etwas wahr ist oder ob wir es nur geträumt haben. Meist geht dieser Zustand schnell vorüber. Problematisch beim ‹Tatort› ist, dass wir im Klartraum eben wissen, dass wir träumen. Wir wissen es auch später noch, im normalen Wachzustand. Wenn der Klartraum allerdings in Kombination mit Drogen- oder Schlafmitteln stattfindet, könnte eine Verwirrung entstehen und ein Szenario wie im ‹Tatort› realistisch werden.»

Kann man luzides Träumen trainieren?

«Etwa 25 Prozent der Menschen erleben und erinnern sich im Ansatz an Klarträume, ohne dass sie bewusst jemals etwas dafür getan haben», sagt Brigitte Holzinger. Tatsächlich kann jeder die Technik erlernen, manche tun sich jedoch schwer damit. Ein wenig Talent gehört auf jeden Fall dazu. Brigitte Holzinger: «Manche Studenten, die es unbedingt lernen wollen, haben es nicht geschafft».

Folgende Kriterien begünstigen das Erleben von Klarträumen: Erst mal ist es überhaupt wichtig, einigermassen gut zu schlafen und zu träumen. Dann hilft es, die Träume beim Erwachen sofort aufzuschreiben, damit man sich später daran erinnert. Dies wiederum fördert die Häufigkeit, Träume häufiger wahrzunehmen und sie auch als luzide Träume zu verändern.



Wie kreiert man Klarträume?

«Um es zu lernen, empfehle ich, über die eigenen Träume zu reden, sich damit zu beschäftigen», rät Expertin-Brigitte Holzinger. «In unserem Institut für Traum- und Bewusstseinsforschung in Wien gibt es auch Online-Seminare und Seminare dazu.»

Wer es selbst probieren will: Das Lesen von Klartraum-Berichten anderer kann enorm helfen. Leute, die meditieren, tun sich ebenfalls leichter damit. «Und Kinder können es meist sofort», so Holzinger. «Wenn man ihnen sagt, du kannst dem Haifisch im Traum eins auf die Nase geben, gelingt das sehr vielen Kindern, ohne dass sie ein Klartraum-Training absolvieren müssen.»

Bringt luzides Träumen tatsächlich etwas im Leistungssport?

Klartraumforscher Daniel Erlacher, der heute in Bern als Sportwissenschaftler an der Universität arbeitet, wies nach, dass beispielsweise Wurfbewegungen während luzider Träume gut trainierbar sind. Jene Versuchspersonen, die während luzider Träume geübt hatten, trafen die Ziele besser als jene, die nicht im Schlaf trainiert hatten. Die Idee, luzides Träumen einzusetzen, um psychomotorische Höchstleistungen zu erbringen, beim Sport oder Musizieren, ist also durchaus realistisch.