«Cats» Katzentheater der Superklasse

Von Marlène von Arx, London

23.12.2019

Es passiert nicht oft, dass man die Schlüsselszene eines Films live bei den Dreharbeiten miterlebt. Bei «Cats» war das jedoch der Fall: «Bluewin» war dabei, als Jennifer Hudson in den Leavesden Studios ausserhalb Londons den Superhit «Memory» aufnahm.

«Sie haben einen grossartigen Tag für einen Besuch erwischt», sagt Regisseur Tom Hooper fröhlich und streckt  die Hand zur Begrüssung aus. «Wir filmen heute gerade den berühmtesten Song aus dem Musical.» Beim Song handelt es sich freilich um «Memory«, den Klassiker aus dem Musical «Cats», den Barbra Streisand zum Evergreen machte.

Wir befinden uns in der Halle A, wo die Katzen, sprich Tänzer, auf der Strasse um Grizabella herumstreifen. Die einstige Glamour Cat wird von Jennifer Hudson gespielt. Sie trägt eine Art grauen Taucheranzug, auf den später im Computer Katzenhaare animiert werden. Die weissen Markierungen im Gesicht helfen dann, ihren Gesichtsausdruck nachzubilden. Darüber trägt sie einen falschen Pelzmantel.

Um sie herum das Ensemble inklusive Newcomer Francesca Hayward und Bühnenveteranin Judi Dench. In einer Ecke sitzt der Komponist Andrew Lloyd Webber mit Kopfhörern auf.

Schon beim ersten Take hat die Oscar-Preisträgerin Hudson («Dreamgirls») Tränen in den Augen, als sie vom verlorenen Glück und der Hoffnung auf morgen singt. Es ist wahrlich ein Gänsehaut-Moment. Die Crew spendet spontan Applaus. «Grizabella bekommt nicht viel Zeit, ihre Geschichte zu erzählen. Deshalb muss man in ihrer Stimme schon hören, was sie wohl alles mitgemacht hat», erklärt Hudson, nachdem der erste Teil der Szene im Kasten ist. «Die Rolle ist so emotional, manchmal weiss ich nicht, ob ich weinen oder singen soll. Aber ich habe mir vorgenommen, beides zu tun.»

In den 80-Jahren war das Musical um eine Gruppe von Strassenkatzen das begehrteste Ticket im West End und am Broadway. Bereits 1982 hatte Universal Pictures die Filmrechte gekauft. Steven Spielberg und diverse andere Regisseure wollten das Bühnenmusical verfilmen, aber zur Produktion kam es nie. Nun landete die Aufgabe bei Tom Hooper, der bereits das Musical «Les Misérables» erfolgreich fürs Kino inszeniert hatte.



Tanz ist ein ebenso wichtiges Element dieses Musicals wie die Songs – ein Element, das Hooper für sich entdecken wollte. Dazu war er als Zehnjähriger ein grosser Fan der Musik: «Wir sangen die Lieder im Auto - ich habe die Kassette heute noch!»

Ob das Musical auch heute noch die gleiche Akzeptanz findet, wird sich weisen. Inspiriert ist das Musical von «Old Possum’s Book of Practical Cats», einer Dichtung von T. S. Eliot. Statt einer Handlung präsentieren sich während einer Nacht diverse Strassenkatzen, hier «Jellical cats» genannt, die beim Jellical Ball auf Reinkarnation hoffen. Präsidiert wird der Wettbewerb von Old Deuteronomy, die im Film erstmals kein Kater, sondern eine Katze ist und von Judi Dench verkörpert wird. Weitere Büsis werden von Ian McKellen, Rebel Wilson, Taylor Swift, James Corden und Idris Elba interpretiert.

Zwei Jahre lang wurde daran getüftelt, wie aus den Schauspielern Katzen werden würden. Geeinigt hat man sich schliesslich auf eine neue Form von CGI: Das Gesicht der Stars würde trotz Fell erkennbar bleiben: «Das ist nicht einfach, aber wir wollten, dass auch die Falten von Judy und Ian erhalten bleiben, weil das ihnen Charakter gibt. Wir mussten also eine Balance finden», erklärt die Effekte-Beauftragte Jennifer Bell, die die Kosten der visuellen Effekte auf 30 Prozent des Gesamtbudgets schätzt.



Die Schauspieler wurden im weiteren zu Verhaltensspezialisten in ein Katzenlager geschickt. Für die Bewegungen kam Capoeira-Training dazu: «Die Anatomie einer Katze ist ganz anders als unsere und deshalb bewegt sie sich auch anders. Wir haben versucht, beide Bewegungsarten miteinander zu verschmelzen», so die Ballerina vom Royal Ballet at Covent Garden Francesca Hayward.

Sie führt als Jungkatze Victoria, die in den Strassen von Soho ausgesetzt wird, durch den Film. Richtig nervös wurde sie dann, als sie für Andrew Lloyd Webber vorsingen musste. Sie ist es nämlich, die die einzige Neu-Komposition «Beautiful Ghosts» aus der Feder von Webber und Taylor Swift, im Film singt: «Aber die Nervosität war schnell vorbei, denn er ist sehr nett und zuvorkommend. Er hat sogar die Tonart passend für mich gewählt.»



Ein Gang durch die Sets enthüllt eine Welt für Riesen: «Alles, was sie hier sehen, ist zweieinhalbmal so gross, wie es in Wirklichkeit ist», erklärt Produzent Eric Fellner, während er unter einem Tisch hindurchgeht. «Katzen sind ja klein. Und da Menschen Katzen spielen und wir die Menschen nicht verkleinern konnten, haben wir halt die Umgebung entsprechend vergrössert.»

Die Pause ist vorbei und Jennifer Hudson macht sich wieder auf zum Set. Wie sie ihre Stimme schont bei all den Takes? «Das frage ich mich auch gerade. Ein Luftbefeuchter hilft.» Die Rolle der Grizabella hat sie nachhaltig berührt. Die Besitzerin von drei Hunden, die auf den Namen Oscar, Grammy und Dreamgirl hören, hat inzwischen auch zwei Katzen. Macavity (nach der Rolle von Idris Elba im Film) ist ein Sphinx-Kater: «Ich bekam ihn zum Geburtstag geschenkt. Passend zum Thema in ‹Cats› habe ich dazu eine Katze aus dem Tierheim adoptiert. Sie ist vier Monate alt und heisst Grizabella.» Jennifer Hudson kann sich also auch zu Hause auf ein weihnachtliches Katzentheater freuen. Merry Christmas, Grizabella!

«Cats» läuft momentan in den Kinos.

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