Kolumne am Mittag Lasst Frauen mehr Bösewichte spielen

Von Fabian Tschamper

4.3.2021

Reinheit und Tugend – diese Eigenschaften werden Frauen oft zugesprochen, zumindest in Film und Fernsehen. Die Stimme der Vernunft, rationale Wesen sollen sie sein. Weg mit diesen Stereotypen – lasst dem Wahnsinn freien Lauf!

Von Fabian Tschamper

4.3.2021

Wissen Sie, was passiert, wenn man «die besten Filmbösewichte aller Zeiten» googelt? Unzählige Listen erscheinen in den Resultaten, das ist absehbar. Da gibt es aber ein Problem: Bei den meisten schafft es keine Frau in die Top 20.

Dieses Würstchen-Fest empört mich.

Das «Empire»-Magazin» listet immerhin Mildred Ratched, die Oberschwester aus «Einer flog über das Kuckucksnest» (Roman 1962, Film 1975), auf Platz 13. Ja, auf der Unglückszahl – ironisch, nicht wahr? Denn unglücklich ist das wirklich. Die Diskrepanz zwischen weiblichen und männlichen Bösewichten ist gigantisch, dabei sprechen wir doch von einem fiktiven Medium. Warum sollen also die im echten Leben eh schon irrationaleren Männer diese Rollen füllen?

Gebt den Frauen den Raum, ihren Wahnsinn auf der Leinwand auszuleben! Und zwar nicht in diesem «Sexy, aber verrückt»-Stereotypen. So wie in «Suicide Squad», «Basic Instinct», «Stardust», «Mean Girls», «3 Engel für Charlie», «The Crush» oder – und das erwähne ich mit Brechreiz – January Jones in «X-Men: First Class». Eine Blondine in Lingerie als Bösewicht? Wirklich?

Das ist ja wohl das Letzte

Und falls Sie sich fragen: Ja, natürlich gibt es weibliche Bösewichte, die nicht diesen Stereotypen zum Opfer fallen. Zum Beispiel Meryl Streep in «Der Teufel trägt Prada», was für eine verbitterte, gemeine Chefin. Ich bin mir sicher, dass die Regieanweisung dabei war: Meryl, sei einfach das grösste A****loch aller Zeiten. Oder auch Angelina Jolie in «Maleficent», ich kriege Gänsehaut, wenn ich nur darüber schreibe – das ist ein Miststück. Und apropos Miststück: Lena Headey in «Game of Thrones»? Eine Meisterleistung.

Und warum will ich mehr davon? Weil mir der Stil der meisten männlichen Bösewichte zum Hals raushängt. Die oft brutale und stumpfe Herangehensweise, bei der literweise Blut spritzt und Dutzende Knochen brechen, Kugeln durch die Luft fliegen, davon gibt es – weiss Gott – genug. Frauen beweisen mehr Finesse, mehr psychologische Kriegsführung, da wird der Held – oder die Heldin! – einer Geschichte minutiös zermürbt.

Sind Frauen schlicht furchteinflössender?

Manch einer dürfte sich jetzt denken: Aber ist das nicht ebenfalls ein Klischee? Ja, aber eines mit viel mehr Spielraum als beim männlichen «Kopf durch die Wand»-Style. Und abgesehen davon: Wann gab es in einem Blockbuster das letzte Mal eine Gegenspielerin, die mit stumpfer Gewalt versuchte, den Protagonisten plattzumachen?

Hier aber doch noch ein Wort des Lobes an die Schreiberlinge von Horrorgeschichten: Die mit Abstand schrecklichsten Figuren in diesem Genre sind weiblich. Jesus, Maria und Josef, da gibt es schlaflose Nächte. Jennet Humfrye, die Woman in Black im gleichnamigen Film mit Daniel Radcliffe, ist der Stoff meiner Albträume. Oder die titelgebende Mama im Film von Guillermo del Toro – weiche von mir, Satan! Nicht zu vergessen, ist auch Sadako, die Frau aus «The Ring».

Ich wünschte mir eine neue Richtung, weg von den beiden Extremen: Entweder ist die Antagonistin übersexualisiert oder unfassbar schockierend, wie eben in diesen Horrorfilmen. Schreibt eine Bösewicht-Rolle von mir aus für Christoph Waltz und geben tut ihr sie dann Meryl Streep – schauen wir doch einfach, was passiert.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.