Kontra

Fabian Tschamper

Redaktor TV/Film

Nur noch Schwule dürfen Schwule spielen, nur Transmenschen dürfen Transmenschen spielen? Damit gehen uns legendäre Performances flöten.

Per Definition sind Schauspieler*innen Menschen, die nach entsprechender Ausbildung bestimmte Rollen auf der Bühne oder im Film künstlerisch gestalten, darstellen.

Es ist völlig egal, was die Person für einen sexuellen oder religiösen Hintergrund hat. Das Wichtige ist die Figur, die authentisch und dem Skript entsprechend dargestellt wird.

Und ja, ich kenne schon das nächste Argument: Authentizität wird durch die Besetzung erreicht. Sprich: Die Entertainerin Joan Rivers darf als Jüdin nur von einer Jüdin gespielt werden.

Dies kreidet Komikerin Sarah Silverman den Produzenten des Biopic momentan an.

Bullshit.

Darf ich an ein paar glorreiche Figuren erinnern, die ausserhalb ihrer Sexualität oder körperlichen Limitierung gecastet wurden?

Allen voran Barney Stinson aus der Comedy-Serie «How I Met Your Mother». Schauspieler Neil Patrick Harris ist schwul, spielt in der Serie allerdings den wohl grössten Frauenhelden, den es je gab.

Hättet ihr da auch lieber einen echten Macho und Misogynen in der Rolle gewollt? Nicht? Ach so, der gute, alte double standard ist das.

Als der französische Film «Intouchables» in die Kinos kam, motzte niemand, dass der körperlich gesunde François Cluzet einen Tetraplegiker spielt.

Kaum kommt das Remake der Amerikaner, «The Upside», drehen die Leute durch. Wie kann Bryan Cranston bloss einen körperlich Beeinträchtigten spielen? Unerhört!

Einmal mehr: Bullshit.

Was ist in den sechs Jahren zwischen den beiden identischen Filmen bloss mit der Gesellschaft geschehen?

Damit ich's mir mit dem geschätzten Kollegen Bötschi allerdings nicht verscherze: Wie wär's, wenn wir Rollen schlicht an die Qualifiziertesten vergeben?

Pro

Bruno Bötschi

Redaktor Lifestyle/Reisen

Die Rollen an die Qualifiziertesten vergeben. Lieber Fabian, das klingt einfach, ist es in Realität aber nicht, zumindest nicht immer.

Ich gebe zu, mich hat es zu Tränen gerührt: Colin Firth und Stanley Tucci, beide heterosexuell, im Drama «Supernova» als Liebespaar zu sehen. Nur, Jim Parsons und Rupert Everett, beide schwul, zusammen im Bett hätten das auch geschafft.

Ich gebe dir recht, Schauspieler*innen sollten möglichst vielseitige Rollen spielen können. Es gibt jedoch auch Gründe, warum manche Rollen nicht von allen Menschen gespielt werden sollten.

Trans-Schauspieler*innen werden in der Filmwelt diskriminiert. Die Chance, dass sie eine Rolle erhalten, ist kleiner als bei einer heterosexuellen Person. Wusstest du, dass in der Schweiz die Arbeitslosigkeit von Trans-Personen bei 20 Prozent, also rund siebenmal höher ist als im Rest der Bevölkerung.

Als Filmfan erinnerst du dich, lieber Fabian, sicher an den Skandal, als vor drei Jahren bekannt wurde, dass Scarlett Johansson als Hetero-Frau in «Rug and Tug» den Part eines Transmannes übernehmen sollte. Ihr wurde vorgeworfen, sie nehme einem Transmann die Rolle weg. Derweil verwies Johansson auf Felicity Huffman, die als Trans-Person in «Transamerica» vor der Kamera gestanden ist, ohne trans zu sein.

Als die Gifteleien heftiger wurden, bedankte sich Johansson für die «Besetzungsdebatte» und stieg aus. Ich finde Streit – jedenfalls meistens – kontraproduktiv. In diesem Fall hatte ich aber Verständnis für die Forderungen der Trans-Community (siehe oben).

Wie du weisst, lieber Fabian, standen früher viel weniger Frauen auf der Bühne, weil ihnen der Zugang zur Schauspielerei erschwert wurde. Damals übernahmen regelmässig Männer weibliche Rollen. Sie spielten sie nicht schlecht. Aber um das geht es nicht.

Schwule sollen Schwule spielen, und die Rolle einer Trans-Person steht einem Menschen zu, der trans ist: Das ist eine Forderung der Identitätspolitik. Gleichzeitig wird der Ruf nach mehr Diversität im Kino lauter: People of Color, Lesben, Transgender, körperlich Behinderte.

Und genau darum geht es: Die Vielfalt der Gesellschaft soll auch in Filmen abgebildet werden.

Und das ist eben: kein bullshit.