«Tatort»-Check Nach Ehe- und Unterhaltskrieg: Ist diese Gesellschaft gerecht?

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22.3.2020

Die Kommissare Ballauf und Schenk ermitteln im Fall einer ermordeten Mitarbeiterin des Jugendamts. Der neue Kölner «Tatort» war ein bösartiges Collage-Stück über den Hass von getrennt lebenden Eltern aufeinander.

Im Kölner «Tatort: Niemals ohne mich» konnte man sich leidenschaftlich hassenden Menschen zusehen. Und das ganz ohne krasse Gangster-Typen und fiese Verbrechensgenres. Nein, der grösste Hass findet im Nukleus der Gesellschaft statt – unter denen, die sich mal sehr geliebt haben: getrennt lebende Eltern. Ist es wirklich so schlimm – und was kann man tun, wenn der Ex-Partner keinen Unterhalt zahlen will?

Worum ging es?

Jugendamtsmitarbeiterin Monika Fellner (Melanie Straub) hatte viele Feinde. Dies fanden Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) heraus, als sie in der Wohnung des allein lebenden Opfers Ende 30 Überwachungsfotos und Akten fanden. Bei Fellner sieht aus wie bei einem Privatdetektiv, die Sachbearbeiterin hatte einen Gerechtigkeitsfimmel. Sie war unerbittlich, wenn es um getrennte Eltern ging, die nicht für ihre Kinder aufkommen wollten – und sie stellte ihren «Verdächtigen» nach.



Spannend und teilweise bitter komisch waren die Ermittlungen der Kommissare unter diversen getrennt lebenden Eltern, die sich von Fellner bis zur Weissglut – und eventuell darüber hinaus – provoziert fühlten. «Niemals ohne mich» war ein ebenso bodenständiger, spannender wie inhaltlich interessanter «Tatort».

Worum ging es wirklich?

Die grösste negative Energie entwickeln Menschen, die ihren Einsatz, ihre Fürsorge und Liebe nicht gewürdigt oder gar missachtet sehen. Der Familienkriegs-«Tatort» aus Köln zeigte in unterschiedlichen Beispielen, wie Alleinerziehende vom Ex-Partner allein gelassen werden, woraus sich neben Frust und Hass auch prekäre Existenzen ergeben: Ein aufbrausender, keinen Unterhalt zahlender Dachdecker und Schwarzarbeiter war stinksauer auf seine studierte Ex, die ihn verlassen hat, aber nun einen unwürdigen Lagerjob sowie die Schulzeiten der kleinen Tochter unter einen Hut bringen muss.

Das Architektenpaar Rainer (Peter Schneider) und Katja (Katrin Röver) trennte sich, als Katja mit ihrem Chef zusammenkam. Rainer wurde entlassen, rutschte in die Arbeitslosigkeit und eine schäbige Sozialwohnung ab. Während Katja fortan in einer mondänen Designervilla mit Pool und kleiner Golfanlage lebt, muss sie ihrem verarmten Ex keinen Cent zahlen, weil sie offiziell nicht arbeiten geht. Geht es in Deutschland noch gerecht zu?

Zahlt tatsächlich nur jeder vierte Getrennte vollen Unterhalt?

«Nur jeder vierte, zu Unterhalt verpflichtete Elternteil zahlt den vollen Betrag», erfährt der Zuschauer in der ersten Hälfte des Films. Ein Wert, der zumindest erstaunt. Der erfahrene Drehbuchautor Jürgen Werner (56), er schreibt regelmässig für die «Tatort»-Standorte Köln und Dortmund, hat herausgefunden, dass die überwiegende Mehrheit der getrennt lebenden Väter und Mütter in Deutschland angeben, nicht genug Geld zur Verfügung zu haben, um den am jeweiligen Einkommen orientierten Unterhalt zu zahlen.



«75 Prozent sagen, sie können es sich nicht leisten», sagt Werner. «Das klingt, als wäre Deutschland das Armenhaus Europas. Das ist die Regel. Eltern, die trotz Trennung immer noch gemeinsam für ihre Kinder da sind, scheinen eher die Ausnahme zu sein.»

Was können Alleinerziehende tun, deren Ex keinen Unterhalt zahlt?

Alleinerziehende können in Deutschland Unterhaltsvorschuss beantragen, wenn der Ex-Partner nicht für die Kinder aufkommt. Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um einen Vorschuss der Behörde, die erst mal einspringt, um sich das Geld später vom zahlungsunwilligen Elternteil zurückzuholen. Das klappt laut Bundesfamilienministerium eher schlecht als recht. Auf rund 61 Prozent der Kosten bleibt der Staat sitzen. Die, die zu Zahlungen verpflichtet werden sollen, konnten offenbar glaubhaft machen, nicht genügend Geld zur Verfügung zu haben.

In der Schweiz darf man in diesem Fall von Rechts wegen selbst aktiv werden und den zahlungsunwilligen Elternteil zehn Tage nach Ablauf des Zahlungstermins per eingeschriebenem Brief und mit Nennung einer Frist zur Leistung der Alimente auffordern. Diese Mahnung funktioniert ohne Inanspruchnahme eines juristischen Beistands. Man kann aber auch eine «Betreibung» in Gang setzen. Dazu reichen Sie beim Betreibungsamt am Wohnort des Schuldners ein Betreibungsbegehren ein. Die Website www.betreibungsschalter.ch gibt Auskunft über die Adresse des zuständigen Betreibungsamtes.

Wie viel Unterhalt muss man für ein Kind zahlen?

In der Schweiz gibt es für die Unterhaltsberechnung keine feste Formel und die Höhe variiert von Kanton zu Kanton. Die meisten Gerichte gehen bei der Berechnung vom konkreten Bedarf des Kindes (Unterhaltsbedarf) oder vom Einkommen der Eltern aus.



Bei der Berechnung des tatsächlichen Unterhaltsbedarfs des Kindes sind die Empfehlungen des Amts für Jugend und Beratung des Kantons Zürich am bekanntesten und verbreitetesten. Laut «Züricher Kinderkosten Tabelle» zahlt der vorwiegend getrennt von den Kindern Lebende seit dem 1. Januar 2020 für ein Kind zwischen ein und vier Jahren 1295 SFR, für Fünf- bis Zwölfjährige 1440 SFR und 1765 SFR für 13- bis 18-Jährige.

Wie geht es beim Kölner «Tatort» weiter?

Zwei neue Kölner «Tatorte» wurden zwischen Oktober und Dezember 2019 abgedreht. «Gefangen» spielt in einer psychiatrischen Klinik, in welcher der Chefarzt ermordet wurde. Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) befindet sich dort selbst gerade in Behandlung: Ein Trauma, das er bereits überwunden glaubte, kehrt mit aller Macht zurück. Nachdem er im Einsatz die Kollegin Melanie Sommer (Anna Brüggemann) erschossen hat, plagen ihn Albträume und Schuldgefühle. Das Drehbuch stammt von Christoph Wortberg («Tatort: Nachbarn»), Regie führt Isabel Prahl («1000 Arten, Regen zu beschreiben»).

Im zweiten neuen Fall von Ballauf und Schenk, «Der Tod der anderen», (Drehbuch: Wolfgang Stauch, Regie: Torsten C. Fischer) wird Freddy Schenk (Dietmar Bär) von einer unter Mordverdacht stehenden Hoteliersfrau (Ulrike Krumbiegel) als Geisel genommen.

Der «Tatort: Niemals ohne mich» lief am Sonntag, 22. März, um 20:05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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