Kolumne am Mittag Gérard Depardieu berauscht sich an sich selbst

Von Carlotta Henggeler

16.3.2021

Der russisch-französische Schauspieler Gérard Depardieu hat sein neues Buch «Anderswo» veröffentlicht. Diesmal ist es keine Biografie, sondern eine Art Lebensratgeber. Vraiment?

Von Carlotta Henggeler

16.3.2021

Gérard Depardieu ist so etwas wie das Mille-Feuilles-Gebäck unter den französischen Stars. Zwar nicht so süss und schon gar nicht zerbrechlich. Aber mindestens so vielschichtig – und er sorgt mit seinem bunten Leben und seinen Ansichten immer wieder für eine Surprise.

Seine letzte trägt den Namen «Ailleurs» (also Anderswo) und ist sein neuestes Buch, sein viertes bereits. «Ailleurs» dreht sich nicht um die Tristesse seiner Stricherjugend oder seinen Kampf gegen seinen Alkohol-Dämon.

Und auch nicht primär um seine Freundschaft mit einem der gewichtigsten Weltpolitiker, Wladimir Wladimirowitsch Putin, der ihm 2013 zum russischen Pass verhalf (unter anderem aus steuerlichen Gründen).

Gérard Depardieu kritisiert sein Heimatland Frankreich immer wieder aufs Schärfste und besitzt seit 2013 die russische Staatsbürgerschaft, auch aus steuerlichen Gründen.
Gérard Depardieu kritisiert sein Heimatland Frankreich immer wieder aufs Schärfste und besitzt seit 2013 die russische Staatsbürgerschaft, auch aus steuerlichen Gründen.
PA/SEBASTIEN NOGIER/KEYSTONE

Manchmal ein Monster

«Manchmal bin ich ein Monster, manchmal ein Unschuldiger. Alles, was dazwischenliegt, interessiert mich nicht», so beginnt Depardieus neues Werk – starker Tobak. 

Was er genau damit meinen könnte, das erzählte er bereits in seinen früheren Werken «Monstre» und «Innocent». Depardieus Motto: Ich tue nichts, um nett oder sympathisch zu wirken. Er sei einfach so, wie er eben sei. Punkt. Harsche Worte und (Alkohol-)Eskapaden gehören einfach zum bewegten Leben des «Cyrano de Bergerac»-Darstellers. 

Sein neuester Coup «Ailleurs» ist nicht als Lebensphilosophie, sondern vielmehr als Denkanstoss zu verstehen. Die Natur, die Rückkehr zum einfachen Leben sind die Grundpfeiler seiner Gedankenwelt. Ein Kosmos, der frei ist von Konventionen und Moralvorstellungen. 

Apropos Ethik und Moral, selbstverständlich schiesst der Akteur in seinem neuesten Werk scharf gegen Amerikas Kapitalismus und sein anderes Hass-Thema: Frankreich. Sein Vorwurf an sein Heimatland: Es sei depressiv-krank – und zwar von innen.

Bei der Themenwahl gibt es selbstverständlich keine Tabus. So meint Depardieu zum Thema Sex, dass die Sexualität auch ein Rätsel bleibe. Eines, das von Religionen und zig Verboten erstickt worden sei.

Brisant, schreibt Depardieu gerade über Sex. Schliesslich läuft derzeit in Frankreich ein Verfahren wegen sexueller Übergriffe. Eine Schauspielerin und Tänzerin hatte ihn angeklagt. Der Schauspieler hat sich in der italienischen Zeitung «La Repubblica» darüber geäussert: «Für mich war die Untersuchung abgeschlossen, ich bin unschuldig und habe nichts zu befürchten.» Es gilt die Unschuldsvermutung.

«Ailleurs» entstand in Gesprächen mit den Verlagsredaktoren von Cherche-Midi Jean-Maurice Belayche und Arnaud Hofmarcher. Depardieus viertes Werk, brauchte es das wirklich?

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.