Effekte So dumm können gute Filme sein

Von Lukas Rüttimann

15.3.2020

Selbst unbestrittene Meisterwerke wie «The Shawshank Redemption» können zuweilen erstaunlich grosse Logiklöcher haben.
Selbst unbestrittene Meisterwerke wie «The Shawshank Redemption» können zuweilen erstaunlich grosse Logiklöcher haben.
Bild: zVg

Auch bei eigentlich guten Filmen muss man hin und wieder das Hirn ausschalten. Bald kommt ein neues Paradebeispiel dafür ins Kino.

Stellen Sie sich vor, eine unbekannte Bedrohung – sagen wir, es sind Aliens – hat die Weltbevölkerung dezimiert. Überleben können nur jene, die sich verstecken und jegliche Art von Lärm unterbinden, denn die Monster sind blind und reagieren auf Geräusche.

Trotzdem haben Sie es sich mit Ihrer Familie so einrichten können, dass Sie auf einer einsamen Farm gut leben können. Jeder Tagesablauf ist genau durchgeplant, jedes Geräusch wird tunlichst vermieden.

Kämen Sie in dieser Situation auf die Idee, mit Ihrer Frau ein schreiendes Baby zu zeugen? Zumal Verhütungsmittel in verlassenen Apotheken nach wie vor vorrätig sind und Sie bereits Kinder haben? Wohl eher nicht.

Den Filmemachern aber ist das egal; die Geburt des Kindes ist das zentrale dramaturgische Element in «A Quiet Place», einem Thriller aus dem Jahr 2018. Dabei ist diese Wendung nur eines von vielen Logiklöchern. Der Film strotzt nur so von Ungereimtheiten, und wenn beim grossen Finale ein gigantisches Feuerwerk gezündet wird, um die lärmempfindlichen Aliens abzulenken, fragt man sich automatisch: Wieso machen die das nicht immer so, beispielsweise mit lauter Musik?

Dumm, aber gut

Nun gibt es dumme Filme wie Sand am Meer; und mit den meisten sollte man sich auch nicht gross befassen. Das Problem bei «A Quiet Place» ist, dass der Film ohne seine Logiklöcher eigentlich sehr gut wäre. Spannend, gut besetzt, stringent und stimmig erzählt, gute Effekte, schöne Bilder, eine originelle Idee – alles ist da. Aber eben, man muss über weite Strecken das Hirn ausschalten, um den Film geniessen zu können.

Ob das auch für die Fortsetzung «A Quiet Place 2» gilt, wird sich noch zeigen müssen. Das mit Spannung erwartete Prequel hätte eigentlich nächste Woche in den Schweizer Kinos starten sollen, wurde nun aber wegen der Corona-Pandemie bis auf Weiteres verschoben. Am logikanfälligen Filmkonzept ändert das aber nichts.

Eskapismus vs. Realismus

Freilich ist die Diskussion, ob eine Filmhandlung glaubwürdig ist oder nicht, so alt wie das Medium selbst. Jeder und jede kennt Menschen, die bei jedem Kinobesuch das Totschlag-Argument «aber das ist doch nicht realistisch!» ins Feld führen. Oft wird dabei vergessen, dass man sich vor allem bei Hollywoodfilmen schon ein bisschen auf ein Szenario einlassen sollte. Blockbuster sind schliesslich keine Nachrichtensendungen. Sie wollen ihrem Publikum meist Eskapismus anbieten – eine Flucht vor der Alltagsrealität.

Dass es dabei nicht immer absolut logisch zu und her geht, ist klar – und kein Problem. Bei einem abstrusen Filmkonzept wie dem Science-Fiction-Spektakel «Armageddon» aus dem Jahr 1998 etwa sind Ungereimtheiten nicht das Thema. Denn wenn man damit anfängt, die hanebüchene Story zu hinterfragen, kann man den Film schlicht und einfach nicht mehr schauen.

Und man stellt sich zwangsläufig jene Frage, die auch Ben Affleck Regisseur Michael Bay bei den Dreharbeiten unter die Nase gerieben haben soll: Warum in aller Welt bildet die NASA für eine gefährliche Mission auf einem Asteroiden Bohrexperten zu Astronauten aus – statt Astronauten zu Bohrexperten? Michel Bay soll seinem Star der Legende nach übrigens nur geantwortet haben: «Halt’ bloss dein Maul!»

Surfen im Weltraum

Klar: Wer bei «Armageddon» sein Hirn nicht auf Off stellt, hat ohnehin verloren. Ärgerlicher sind solche Ungereimtheiten indes bei Filmen, die einen ernsthafteren Anspruch haben als ein Blockbuster von Michael Bay.

In «Ad Astra» etwa, einem Science-Fiction-Film aus dem letzten Jahr, zeichnet Regisseur James Gray durchaus realistisch auf, wie kommerzielle Raumfahrt in naher Zukunft funktionieren könnte.

Brad Pitt reist darin als Astronaut mit einer Airline (lies: Virgin Galactic) auf den Mond, inklusive Erfrischungstüchlein von den Stewardessen und persönlichem Flight Monitor.

Meisterwerke mit Logiklöchern

Das ist toll gemacht, gerade weil man sich vorstellen kann, dass das in ein paar Jahren wirklich so ablaufen könnte. Umso stossender dann das Finale des Films: Brad Pitts Astronaut stösst sich auf einem abgetrennten Teil von einem Raumschiff ab und surft damit – bitte festhalten – durch den Asteroidengürtel des Neptuns. Dass er dabei nicht nur alle Gesetze der Physik, sondern auch der Logik ausser Kraft setzt, macht die zuvor sorgfältig aufgebaute Stimmung kaputt. Schade um einen sonst sehr guten Film.

Ein Trost indes bleibt. «Ad Astra» und «A Quiet Place» sind bei Weitem nicht die einzigen guten Filme, die unter beissender Dummheit zu leiden haben. Im Gegenteil – selbst unbestrittene Meisterwerke können zuweilen erstaunlich grosse Logiklöcher haben.

Eines der berühmtesten Beispiele stammt aus «The Shawshank Redemption», dem gemäss Filmdatenbank IMDB nach wie vor bestbewerteten Film aller Zeiten.

Denn die Szene, in der Häftling Andy (Tim Robbins) per selbstgebuddeltem Tunnel aus seiner Zelle flieht, hat einen Haken: Wie bloss hat er das Plakat, mit dem er den Tunneleingang überdeckt hat, von innen so perfekt an die Aussenwand geheftet?

In diesem Sinne: Viel Spass beim Filmschauen – aber denken Sie bloss nicht zu viel nach.

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