InterviewTil Schweiger und die Augen von Bastian Schweinsteiger
Britta Schultejans, dpa
28.5.2020
Deutschlands wohl bekanntester Filmemacher hat sich für seinen ersten Dokumentarfilm niemand geringeren als Deutschlands Fussballgott ausgesucht. Im dpa-Interview erzählt Til Schweiger, wie es dazu kam.
Til Schweiger (56) ist für Kinofilme wie «Keinohrhasen» oder «Honig im Kopf» bekannt – für fiktive Geschichten. Jetzt betritt er mit seiner ersten Dokumentation Neuland. Er hat einen Dokumentarfilm über «Fussballgott» Bastian Schweinsteiger produziert, den Amazon Prime vom 5. Juni an zeigt. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht Schweiger über seine eigenen Fussball-Erfolge – und die Augen von Bastian Schweinsteiger.
Zur Person: Til Schweiger
Til Schweiger startete seine Schauspiel-Karriere einst in der «Lindenstrasse» und mit der 90er-Jahre-Klamotte «Manta, Manta». Seinen grossen Durchbruch hatte er als «bewegter Mann». Heute ist er selbst Filmemacher, arbeitet als Regisseur und produziert mit seiner eigenen Firma Barefoot Films Kinoerfolge wie «Keinohrhasen» oder «Honig im Kopf». «Schweinsteiger: Memories – Von Anfang bis Legende» ist der erste Dokumentarfilm, den er produziert hat.
Die Doku ist ja nicht nur ein Film über Schweinsteiger, sondern auch über die goldene Fussballer-Generation, der er angehört. Warum haben Sie ihn dafür ausgesucht und nicht – zum Beispiel – Philipp Lahm?
Til Schweiger: Ich habe ihn ja nicht ausgesucht, die haben mich ausgesucht, kontaktiert und gefragt, ob wir uns vorstellen können, einen Film über Bastian zu machen. Aber auch wenn ich mir den Protagonisten ausgesucht hätte – es wäre Bastian geworden. Er ist nicht nur ein überragender Fussballer, sondern auch eine wahnsinnig interessante Persönlichkeit.
Was ist das, was Sie da anspricht?
Sein Humor und seine Augen. Ich entscheide innerhalb von Sekunden, ob ich jemanden mag oder nicht – und bei Bastian war das sofort so. Er hat Humor, Empathie und mir gefällt, dass er jedem Menschen auf Augenhöhe begegnet. Der Typ Radfahrer – nach oben buckeln und nach unten treten – ist Bastian überhaupt nicht.
Der Film ist streckenweise sehr emotional – vor allem zum Schluss, als Schweinsteiger in der Kabine von Chicago Fire seinen Rücktritt vom Profifussball erklärt und dabei selbst Rotz und Wasser heult …
Ich werde bei einigen Szenen auch immer noch emotional – vor allem bei dieser letzten. Bastian war sich am Anfang nicht sicher, ob er das im Film drinhaben wollte. Aber ich habe gesagt: Basti, das ist der Höhepunkt des Films. Das muss drinbleiben. Zum Glück hat er seine Meinung dann geändert.
Sie sind privat mit Schweinsteiger befreundet. Haben Sie durch die Arbeit an dem gemeinsamen Film nochmal etwas Neues an ihm kennen gelernt?
Was ich tatsächlich überhaupt nicht wusste, ist, dass er ein so überragender Skifahrer war, dass er sogar gegen Felix Neureuther, seinen besten Freund, gewonnen hat. Dass er mal besser war als der beste Skifahrer, den Deutschland je hatte, war mir neu.
Schweinsteiger gilt als jemand, der sein Privatleben sehr schützt. Haben Sie das Gefühl, ihm mit dem Film trotzdem nahe genug gekommen zu sein?
Ja. Dass jemand seine kleinen Kinder nicht vor der Kamera sehen will, ist doch verständlich. Ich bin aber zum Beispiel unheimlich dankbar dafür, dass Bastian und Ana uns die ganz privaten Aufnahmen von ihrer Hochzeit zur Verfügung gestellt haben. Und dass sein Vater Fred das Leben von Basti so dokumentiert hat, als jemand, der einfach nie verlieren wollte, das ist natürlich Gold wert. Diese Szene, in der der kleine Basti wutentbrannt die Dosen zusammentritt, ist doch herrlich. Ich hätte auch gerne noch die Mutter zu Wort kommen lassen, aber die wollte einfach nicht vor die Kamera und das muss man dann akzeptieren. Dafür ist Papa Fred ja wirklich toll.
Haben Sie denn ansonsten alle Wegbegleiter bekommen, die Sie wollten?
Es wurden auch Leute angefragt, die dann nicht mitmachen wollten. Aber die meisten haben gleich zugesagt.
Sie selbst sagen in der Doku, Sie seien am Morgen nach dem verlorenen WM-Halbfinal gegen Italien 2006 aufgewacht und gleich wieder in Tränen ausgebrochen. Warum ist Fussball für Viele so eine emotionale Sache?
Das weiss ich auch nicht, aber es ist sicher so. Man sucht sich ja als Kind schon seinen Lieblingsverein aus und das war bei mir von Anfang an der FC Bayern – obwohl ich durchaus auch Sympathien für andere Mannschaften haben kann. Ich feuere selbst Dortmund an – wenn sie international spielen. Und was die in Leipzig machen, finde ich unglaublich toll.
Wie weit haben Sie es selbst als Fussballer geschafft?
Bezirksliga.
«Was ich nicht wusste? Dass er ein so überragender Skifahrer war»
Auf welcher Position?
Ich bin von einem Linksaussen im Mittelfeld auf die Position des linken Verteidigers gewechselt.
Haben Sie jetzt Blut geleckt und könnten sich vorstellen, noch weitere Dokumentationen zu drehen?
Auf jeden Fall. Früher habe ich nie Dokus geschaut, aber inzwischen finde ich die toll. Das ist ein eigenes Genre, das kann man nicht vergleichen mit fiktionalem Erzählen. Vielleicht versuche ich mich auch selbst als Regisseur daran. Dieses Mal war ich ja nur Produzent und wollte, dass ein gestandener Dokumentarfilmer sich der Sache annimmt. Aber Tierdokus oder so etwas interessieren mich nicht. Menschen sind schon das Interessanteste.
Haben Sie schon konkrete Pläne?
Für Dokumentationen nicht, aber eigentlich wollten wir im April einen Kinofilm drehen und im Juli noch einen. Corona hat jetzt erstmal alles verschoben auf unbestimmte Zeit. Die Situation für die Filmbranche ist natürlich desaströs, das kann man nicht anders sagen. Ich erwarte schon, dass viele Kinos das nicht überleben werden. Man kann nur hoffen, dass es keine zweite Welle gibt. Wenn es nochmal zu einem Lockdown kommen sollte – das verkraftet nicht nur die Filmbranche nicht, das verkraftet überhaupt keiner.
Wie haben Sie persönlich den Lockdown erlebt? Konnten Sie daran für sich auch etwas Positives entdecken? Stichwort Entschleunigung?
Wer mich kennt, weiss, dass das für mich sehr beengend war. Sachen erschaffen und Menschen kennenlernen, die mich inspirieren, ist wichtig für mich. Ich habe das alles also in keinster Weise als erholsam empfinden können. Dass in Venedig das Wasser klar ist und dort wieder Delfine schwimmen, ist toll – aber für mich persönlich kann ich an der Corona-Situation nichts Positives erkennen.
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