Popwunder Olivia Rodrigo Von der Disney-Serie an die Hitparaden-Spitze

Lisa Forster, dpa/che

7.6.2021

In der Schweiz thront US-Musikerin Olivia Rodrigo auf Platz eins der Single-Charts. Woher kommt der Erfolg der erst 18-Jährigen, die beim Zuhören ein wenig an Taylor Swift oder Billie Eilish denken lässt?

Lisa Forster, dpa/che

Olivia Rodrigo hat neue Massstäbe in der Kunst gesetzt, viral zu gehen. Quasi über Nacht wurde die 18-Jährige mit ihrer Debütsingle «Drivers License» weltberühmt. Erst ein Hit auf TikTok, knackte der Song Rekorde bei den Streamingplattformen und in den Charts. Ähnlich verhält es sich nun mit ihrem jüngst erschienenen Debüt «Sour».

Dieses Jahr ist es das bisher meistverkaufte Album in den USA innerhalb einer Woche, berichtet jetzt das Magazin «Billboard». Mit 295'000 Verkäufen innerhalb einer Woche stieg ‹Sour› auf Platz eins der US-Albumcharts ein. «Ich möchte mich bei allen bedanken, die ‹Sour› angehört haben», schrieb die Sängerin auf Instagram. «Das hier war wirklich die coolste Woche meines Lebens. Ich bin so, so, so dankbar.»

Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs? Zum einen mag es daran liegen, dass Rodrigo schon vorher nicht ganz unbekannt war. Sie wurde unter anderem als Darstellerin in der Disney-Serie «High School Musical: The Musical: The Series» bekannt. Doch wer vermutet, dass ihre Popularität damit zu tun hat, liegt falsch. Tatsächlich ist sie auch eine begabte Musikerin. In den besten Momenten bietet das Album «Sour» herausragende Beispiele eingängigen Songwriter-Pops in der Art von Taylor Swift.

Das heisst: gute Melodien, einprägsames Songwriting und eine anscheinend nahbare Persönlichkeit, mit der sich Fans identifizieren können. Es geht auf «Sour» viel um Liebeskummer. Die Lyrics sind detailliert und anspielungsreich. Wie bei Swift sorgen die Texte dafür, dass Fans im Netz darüber spekulieren, wen und was Rodrigo damit gemeint haben könnte.



2003 in Kalifornien geboren, begann Rodrigo mit sieben Jahren, Klavierunterricht zu nehmen. Mit zwölf habe sie angefangen, Songtexte zu schreiben, erzählte sie laut ihrer Plattenfirma. «Nichts ist besser, als am Klavier in meinem Schlafzimmer zu sitzen und einen richtig traurigen Song zu schreiben. Es ist wirklich das Beste der Welt.»

Musikalisch verfolgen die Lieder auf «Sour» mal mehr, mal weniger erfolgreich ein Konzept, das nur bei sehr guter Popmusik funktioniert: Die Instrumentierung ist reduziert, der Fokus liegt ganz auf der Gesangsmelodie. In «drivers license» spielt das Klavier im Prinzip die ganze Zeit dieselbe Note. Im Hintergrund ist ein minimalistischer Synthesizer zu hören, der klingt, als würde man ihm langsam die Luft abdrehen. Und im Vordergrund: Rodrigos betörende Gesangsmelodie (samt einer der besten Bridges der jüngeren Pop-Geschichte).

Ein weiteres Vorbild Rodrigos dürfte die Sängerin Lorde sein, die 2013 ebenfalls sehr jung mit dem Album «Pure Heroine» grosse Erfolge feierte. Einiges in der Musik erinnert an das Werk der inzwischen 24-Jährigen aus Neuseeland: die minimalistische Instrumentierung, die gute Stimme, die eingängige Melodien.

Bei Rodrigo geht das Rezept allerdings nicht immer auf. Vermutlich hätte sie einfach ein bisschen mehr Zeit gebraucht – doch der Druck nach dem Erfolg der vorab veröffentlichten Singles war wohl gross.

Sehr lohnend aber: der Song «deja vu». Er beginnt mit einer repetitiven Glockenspiel-Melodie und Rodrigos gehauchter Stimme – bis plötzlich ein heftiger Breakbeat einsetzt. Im Vergleich zum ruhigen «drivers license» entwickelt sich «deja vu» zu einem Pop-Kracher, der wenig Anderes als Mitsingen zulässt. Auch wenn es inhaltlich weiterhin um gar nicht so Erfreuliches, nämlich Herzschmerz, geht.

«Ich verbrachte die meiste Zeit der Quarantäne damit, Lieder in meinem Wohnzimmer zu schreiben und sie in der Garage zu produzieren», schreibt Rodrigo auf ihrer Homepage. Von dort wird ihr Weg, sobald die Pandemie es zulässt, mit Sicherheit auf die ganz grossen Bühnen führen.