Todestag von Eduard Zimmermann«Aktenzeichen XY» – das Erbe von «Ganoven-Ede» lebt weiter
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19.9.2019
Eduard Zimmermann hat die Verbrecherjagd am Fernsehen erfunden. Vor zehn Jahren starb «Ganoven-Ede» – seine Sendung aber läuft bis heute weiter. 463 Schweizer Kriminalfälle wurden am TV schon behandelt.
«Den Fernsehbildschirm zur Verbrecherbekämpfung einsetzen, das ist der Sinn unserer neuen Sendereihe ‹Aktenzeichen YX ... ungelöst›». Mit diesen Worten begrüsste Eduard Zimmermann die Zuschauer zur Premiere der berühmten ZDF-Sendung am 20. Oktober 1967. Der Münchner erfand die Verbrecherjagd am Bildschirm selbst und moderierte die Sendung auch 300 Folgen lang.
Eduard Zimmermann wurde auch «Ganoven-Ede» genannt. Diesen Übernamen verpasste man dem Moderator nicht zu Unrecht, hatte er vor seiner Zeit als TV-Journalist sogar im Gefängnis gesessen. Daraus machte Zimmermann auch kein Geheimnis, im Gegenteil. Im Oktober 2005 erschien seine Biografie mit dem Titel «Auch ich war ein Gauner: Die aussergewöhnliche Autobiografie von ‹Ganoven-Ede›».
Darin erzählte er offen und ehrlich von seiner kriminellen Vergangenheit. Nach der Volksschule in München und Magdeburg begann er 1943 eine Lehre als Bauzeichner und absolvierte 1947 in Hamburg ein Praktikum als Vermessungstechniker. Als solcher kam er 1948 nach Schweden, wandte sich dort aber dem Journalismus zu.
Nur ein Jahr später wurde Zimmermann wegen eines Berichtes für eine Stockholmer Zeitung über die damalige Sowjetzone verhaftet und zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. 1954 kam er dank einer Amnestie vorzeitig aus der Haft in Bautzen frei. Eine Zeit lang schlug sich Zimmermann auch als Dieb und Schwarzmarkthändler durch.
Vom Gauner zum Verbrecherjäger
In einem Zeitungsinterview stellte Eduard Zimmermann fest, diese Erfahrungen hätten ihn abgehärtet: «Ich bin sozusagen der Beweis dafür, dass man von der schiefen Bahn wieder runterkommt, wenn man es will.» 1960 wurde er Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk und wechselte 1962 zum ZDF. Es war der Beginn einer langen und einzigartigen TV-Karriere.
Ende 1997 verabschiedete sich Ganoven-Ede vom TV-Studio. Er zog er sich zurück. Doch ganz konnte er nicht loslassen. Er arbeitete weiterhin eng mit der «XY»-Redaktion zusammen. Zudem betrieb er zusammen mit dem ZDF ein Internet-Sicherheitsportal.
Zur 350. «XY»-Folge im November 2002 kam Zimmermann zu Rudi Cerne ins Studio, um den Mordfall Ursula Herrmann von 1981 nochmals vorzustellen. Dieser brutale Fall liess Zimmermann keine Ruhe.
Seinen allerletzten Fernsehauftritt hatte er in der 400. Sendung von «XY» am 10. Mai 2007 an der Seite der ehemaligen Leiter des Zürcher Aufnahmestudios, Konrad Toenz, Werner Vetterli und Stephan Schifferer.
Eduard Zimmermann starb am 19. September in einem Hospiz in München, er wurde 80 Jahre alt. Doch seine Sendung lebt weiter und ist eine der ältesten ZDF-Formate.
Hohe Aufklärungsquote
«Aktzenzeichen XY… ungelöst» kann mit einer beachtlichen Aufklärungsquote auftrumpfen (Stand März 2019): In 545 Sendungen wurden 4'723 Fälle behandelt. 1'900 davon wurden aufgeklärt, das entspricht einer Erfolgsquote von 40,2 Prozent. Eine stolze Zahl, wie der Sender schreibt.
Denn oft sind es die hoffnungslosen Fälle, die überhaupt bei «XY» landen. Fälle, bei denen die Polizei alle herkömmlichen Ermittlungsmethoden bereits ausgeschöpft hat und nur noch auf die Mithilfe der Fernsehzuschauer baut.
Fast jeder dritte «XY»-Fall ist ein Mordfall. Insgesamt wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt 1'546 Tötungsdelikte in der Sendung behandelt. Aufgeklärt werden konnten 649. Von 1'341 Raubüberfällen wurden 420 gelöst. Durch gezielte Personenfahndungen in der Sendung konnte die Polizei in 2139 Fällen 1354 Täter festnehmen.
Auch international ist die Sendung erfolgreich. Nicht nur die Polizei aus Deutschland bittet «XY» regelmässig um Hilfe, es melden sich auch Ermittler aus anderen Ländern bei der Redaktion. Vor allem dann, wenn die ungeklärten Fälle einen Bezug zu Deutschland oder ins deutschsprachige Ausland haben. Neben Deutschland waren bisher 16 andere Länder in der Sendung vertreten.
Am häufigsten Österreich (472 Fälle), die Schweiz (463 Fälle) und die Niederlande (15 Fälle). Andere Länder waren beispielsweise Grossbritannien (7 Fälle), Luxemburg (6 Fälle), Belgien (5 Fälle), Frankreich und Dänemark (je 3 Fälle) sowie Italien, Tschechien und die USA (je 2 Fälle).
Nichts für schwache Nerven: Die bizarrsten Leichenfunde beim «Tatort»
Der Leichenfund im Falke-«Tatort: Zorn Gottes» dürfte zu den bizarrsten in der Geschichte der Reihe zählen. Die Leiche des Flugreisenden Asis Berhan (Neil Malik Abdullah) ist aus grosser Höhe aus einem Flieger gefallen. Wir haben nachgeschaut und die denkwürdigsten «Fundstücke» in einer Galerie aufgebahrt.
Bild: Bild: NDR / Marion von der Mehden
Zum Beispiel dieses hier, vielleicht erinnern Sie sich: Der «Tatort: Du gehörst mir» lief vor einigen Wochen. Ein Bodybuilder wurde überfahren und verbrannt. Auto und Leiche scheinen zu einer Art Skulptur verschmolzen. Die Ludwigshafener Ermittler (von links: Andreas Hoppe, Ulrike Folkerts, Lisa Bitter, Peter Espelover) schauen sich am Tatort, einem Parkhaus, um.
Bild: Bild: SWR / Alexander Kluge
Da schau her! Schlüpfriger war wahrscheinlich kein Leichenfund der «Tatort»-Geschichte. Der Musikmanager Udo Hausberger (Peter Karolyi) wurde nackt und stranguliert in pikanter Pose gefunden. Die Wiener Ermittler Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) glauben zunächst an einen Sex-Unfall.
Bild: Bild: ARD Degeto / ORF / Petro Domenigg
Sie gehört zum «Tatort» wie Vorspann und Titelfanfare: die Stippvisite im Leichenschauhaus. Die niedersächsische LKA-Frau Lindholm (Maria Furtwängler) informiert sich hier bei Gerichtsmediziner Hans Jepsen (Niels Bormann) über das Mordopfer. Die zweite «Leiche» im Hintergrund ist allerdings fast noch interessanter, sie wird von Kai Diekmann gespielt, dem damaligen Chefredakteur der «Bild» und heutigen Herausgeber der Publikationen der «Bild»-Gruppe. Wie sich leider (oder zum Glück) nur im Film zeigt, hat der Maskenbildner gerade im Bauchbereich bei ihm Erstaunliches geleistet.
Bild: Bild: NDR / Frederic Batier
Nur gut, dass das Geruchsfernsehen noch nicht erfunden ist: Die Berliner Robert Karow (Mark Waschke, Mitte) und Nina Rubin (Meret Becker, rechts) wurden im «Tatort» mit dem passenden Titel «Ätzend» zu einem Säurefass gerufen, in der eine halb zersetzte Leiche schwimmt. Später fingert Karow auf dem Seziertisch einen Herzschrittmacher aus dem Glibberkorpus. Prost Mahlzeit!
Bild: Bild: RBB / Volker Roloff
Resozialisierung: fehlgeschlagen! Bezeichnenderweise in einem Stuttgarter Müllcontainer wird die Leiche des Vergewaltigers und Mörders Jörg Albrecht (David Bredin) gefunden. Der gerade aus der Haft entlassene Kriminelle hat seinen ersten Tag in Freiheit nicht überlebt.
Bild: Bild: SWR / Stephanie Schweigert
Abfallszenarien sind bei den «Tatort»-Machern durchaus beliebt. Einen starken Magen brauchte man für das Debüt der Berlin-Ermittler Robert Karow und Nina Rubin. Die Leichenteile einer zerstückelten und ausgeweideten Drogenkurierin werden in einer Mülldeponie sichergestellt. Viel Luft nach oben haben sich die Macher in Sachen Gewaltdarstellung da nicht gelassen.
Bild: Bild: RBB / Frédéric Batier
Wenn aus Bierleichen echte Leichen werden: An der U-Bahn-Station Marienplatz fällt dem Münchner Kommissar Leitmayr (Udo Wachtveitl, hinten), der auf dem Weg in die Ferien ist, ein italienischer Tourist auf. Dass der Wiesnbesucher nicht betrunken ist, sondern betäubt wurde und später verstirbt, kann der Kommissar da noch nicht ahnen.
Bild: Bild: BR / Wiedemann Berg Television / Bernd Schuller
«Borowski und der brennende Mann» ist dieser Kieler «Tatort» betitelt, was exakt die eine Szene beschreibt, die sich beim Zuschauer, nun ja, «einbrennt». Der Schulleiter Michael Eckart stürzt lichterloh entflammt aus den Unterrichtsräumen und bricht tot zusammen.
Bild: Bild: NDR / Marion von der Mehden
In der bisweilen exzentrischen Bodensee-Folge «Chateau Mort» wird Kommissar Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) in ein finsteres Verlies eingesperrt, dort ist er nicht allein. Sein Leidensgenosse, ein Revolutionär aus den Zeiten des Vormärz, ist aber schon gut 150 Jahre tot. Am Ende klärt der Kommissar en passant auf, wer den Freischärler auf dem Gewissen hat - satte anderthalb Jahrhunderte nach der Tat. Wahrscheinlich «Tatort»-Rekord.
Bild: Bild: SWR / Martin Furch
Nicht nur menschliche Leichenfunde halten die «Tatort»-Kommissare auf Trab, manchmal ist es auch ein (fast) verendeter Vierbeiner. In Ludwigshafen ging dereinst ein sadistischer Pferderipper um, der sein Opfer schwer verletzt und leidend zurückgelassen hatte. Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) setzt zum Gnadenschuss an.
Bild: Bild: SWR / Alexander Kluge
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts! Auch das gab's beim «Tatort»: einen Leichenfund ohne Leiche. Wie Kriminaltechniker Menzel (Maxim Mehmet, vorne) den Leipziger Hauptkommissaren Saalfeld (Simone Thomalla) und Keppler (Martin Wuttke) erklärt, ist ein Mann mit Phosphor in Berührung gekommen und dabei nahezu rückstandslos verbrannt.
Bild: Bild: MDR / Junghans
«Es ist böse» ist einer der abgründigsten und blutigsten «Tatorte» aller Zeiten: Ein perverser Frankfurter Serienkiller metzelt Prostituierte nieder. An den Tatorten sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld. Die Hauptkommissare Mey (Nina Kunzendorf) und Steier (Joachim Król, rechts) sind ziemlich fassungslos, und das ist man als Zuschauer auch. Umso mehr, wenn man weiss, dass die Folge auf einer authentischen Mordserie im Raum Bremen basiert.
Bild: Bild: HR / Johannes Krieg
Nicht immer gelingt es den «Tatort»-Ermittlern, ihre Leichen am Stück sicherzustellen. Oft kommen ihnen auch erst mal nur Leichenteile unter. So wie hier in Münster, als Professor Boerne (Jan Josef Liefers, rechts) eine mausgraue Mauke inspiziert. Zufälle gibt's: Den Rechtsmediziner erinnert der abgetrennte Fuss wegen einer seltenen Zehenfehlstellung an eine alte Klassenkameradin. Alberich (ChrisTine Urspruch) kann da nur staunen, Thiel (Axel Prahl) dreht sich der Magen um.
Bild: Bild: WDR / Thomas Kost
Skurril? Surreal? Oder geht das zu weit für einen «Tatort»? Der Kieler Kommissar (Axel Milberg) steht in der Folge «Borowski und der vierte Mann» vor einem besonders schaurigen Rätsel der Sorte: «Jetzt bloss nicht den Kopf verlieren!» Wer sich so etwas Makaberes ausdenkt? Natürlich ein Schwede! Die Drehbuchidee stammte seinerzeit vom inzwischen verstorbenen Krimiautor und «Wallander»-Erfinder Henning Mankell.
Bild: Bild: NDR / Marion von der Mehden
Und noch mal Stückwerk. Seien Sie froh, dass Sie nicht sehen müssen, was dem armen Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) am Ufer des Münsteraner Aasees so schwer auf den Magen schlägt: eine Leiche ohne Kopf. Den Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne kann so ein Anblick freilich nicht mehr schocken.
Bild: Bild: WDR / Michael Böhme
Tatwaffe: Silberbesteck. Die Münchner Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, rechts) staunen nicht schlecht über das, was sich ihnen in der Folge «Nicht jugendfrei» bietet: Der Apotheker Karl Kreuzer wurde mit einem Kaffeelöffel erstochen, den ihm der Täter ins Ohr gerammt hat.
Bild: Bild: BR / Bavaria Film / klick / Christian A. Rieger
Zum Abschluss der Galerie noch etwas ganz Besonderes, eine mörderische Performance: Die Kunststudentin Viktoria Schneider hängt im Engelsgewand von der Decke ihres Installationsraumes. Die Saarbrücker Ermittler Stefan Deininger (Gregor Weber, links), Franz Kappl (Maximilian Brückner) und Rhea Singh (Lale Yavas) begutachten das schaurig-schöne Kunstwerk.
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