Bei einer gemeinsamen Übung zu einem fiktiven Mordfall arbeiten Kriminalisten und Archäologen bei einer Ausgrabung eines Plastikskeletts.
Sichergestellte Fingerabdrücke des fiktiven Mordopfers bei der gemeinsamen Ausgrabung von Kriminalisten und Archäologen.
Fundsachen, die bei der fiktiven vergrabenen Leiche nach der Grabungsübung der Kriminalisten gefunden wurden.
Die Forensikerin Patricia van der Burgt zeigt einen sichergestellten Fussabdruck des fiktiven Mordopfers.
Die Forensikerin Patricia van der Burgt schaut in die Unterlagen zum Fall. Im Hintergrund bestückt Steffen Schulz (Name geändert) den Bedampfungsschrank mit einem sichergestellten Portemonnaie.
Bei einer gemeinsamen Übung zu einem fiktiven Mordfall arbeiten Kriminalisten und Archäologen bei einer Ausgrabung eines Plastikskeletts.
Sichergestellte Fingerabdrücke des fiktiven Mordopfers bei der gemeinsamen Ausgrabung von Kriminalisten und Archäologen.
Fundsachen, die bei der fiktiven vergrabenen Leiche nach der Grabungsübung der Kriminalisten gefunden wurden.
Die Forensikerin Patricia van der Burgt zeigt einen sichergestellten Fussabdruck des fiktiven Mordopfers.
Die Forensikerin Patricia van der Burgt schaut in die Unterlagen zum Fall. Im Hintergrund bestückt Steffen Schulz (Name geändert) den Bedampfungsschrank mit einem sichergestellten Portemonnaie.
Ihre Arbeit ist bekannt aus den US-Serien «CSI» und «Bones – die Knochenjägerin». Aber was hat es mit forensischer Archäologie wirklich auf sich?
Die nächste Leiche ist schon versteckt – allerdings aus Plastik und zu Übungszwecken. Wo genau, das verrät Steffen Schulz nicht. Er gehört zu Sachsens führenden Kriminalisten. Er heisst sonst anders. Er hat grosse Fälle gelöst und schwere Jungs hinter Gitter gebracht.
Aus diesem Grund will der Fachlehrer an der Hochschule der Sächsischen Polizei anonym bleiben. Sein Wissen aber gibt er weiter an die nächste Generation Polizisten und an Kollegen, zu deren Alltag Spurensuche gehört. Dafür vergräbt Schulz auch schon mal ein Plastikskelett samt Kleidung.
Dabei handelt Schulz nicht allein. Patricia van der Burgt ist in alle Pläne eingeweiht. Die Archäologin ist ausgebildete Forensikerin. Forensische Wissenschaftler analysieren und vergleichen Spuren und Fundstücke, um Beweismaterial zu sammeln. Ihre Arbeit ist bekannt aus den US-Serien «CSI» und «Bones – die Knochenjägerin». Doch bei den Titeln schüttelt van der Burgt nur den Kopf. Sie sieht sich eher als interdisziplinäre Beraterin, die in Workshops Beamte schult und bei der Untersuchung einschlägiger Fälle unterstützt.
Archäologen arbeiten anders
Laut van der Burgt können die Methoden archäologischer Ausgrabungen bei der Sicherung eines Tatortes hilfreich sein. Forensische Archäologie bedeutet demnach, vergrabene Opfer oder Objekte wie Waffen zu lokalisieren und diese gemeinsam mit der Polizei auszugraben – das Ziel: Alle Informationen über Täter, Opfer und Tatverlauf sollen so dokumentiert und als Beweismaterial vor Gericht standhalten können.
«Die Zusammenarbeit ist deutschlandweit einzigartig. Sogar die Kollegen von der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt haben Interesse an der Weiterbildung», sagt Kommissar Schulz. Die Kooperation zwischen dem Landesamt für Archäologie Sachsen und der Hochschule der Sächsischen Polizei entstand auf seine Initiative hin und gibt es seit drei Jahren. Schulz und van der Burgt erinnern sich noch gut daran, wie sie das erste Mal mit einem achtköpfigen Team sächsischer Top-Ermittler im Oktober 2018 vom «Tatort» hinter dem Lehrgebäude der Hochschule in Bautzen ein Plastikskelett freigelegt haben.
Vom Übungstatort ist heute nur noch wenig zu erkennen. Die Grassode wirkt vielleicht an mancher Stelle noch trocken, aber das können Auswirkungen des letzten Sommers sein. Fotos von der Grabung zeigen, wie vorsichtig die Seminarteilnehmer seinerzeit die oberste Schicht des Areals abgetragen und in Planquadrate eingeteilt haben.
«Die kriminaltechnische Arbeit bekommt eine immer höhere Bedeutung bei der Polizei»
Van der Burgt und ihr Kollege von der Polizeihochschule betrachten die Bilder. «Archäologen gehen anders an Ausgrabungen heran als Kriminaltechniker. Diese legen oftmals einen Knochen nach dem anderen am Fundort frei, fotografieren und nehmen sie Stück für Stück heraus. Der Archäologe legt das gesamte Skelett frei, und erst dann wird dokumentiert», sagt Schulz. So könne auch die genaue Lage des Skelettes rekonstruiert werden, etwa ob die Hände gebunden waren oder ob die Person auf dem Bauch lag.
Nicht nur die Bilder berichten vom fiktiven Mordfall, auch die Bekleidungsstücke sowie geborgene Gegenstände. Etwa eineinhalb Jahre lag «das Opfer» im Boden. Seine Sachen sind teilweise noch gut erhalten, ein bisschen verschmutzt, eine Wurzel hat das Portemonnaie umschlungen. «Auf darin befindlichen Plastikkarten konnten wir im Bedampfungsschrank trotzdem noch Fingerabdrücke feststellen, auch weitere Spuren, sogar DNA, konnten wir sichern, und einen Schuhabdruck, den die Täter beim Vergraben der Leiche im Erdreich hinterlassen haben», sagt der Kommissar. Eine spurenlose Straftat gibt es aus seiner Sicht nicht.
Die akribische Spurensuche am Tatort wird aus Sicht von Hanjo Protze, Prorektor der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) am Standort Bautzen, immer wichtiger. «Die kriminaltechnische Arbeit bekommt eine immer höhere Bedeutung bei der Polizei, denn die Aussagen von Beschuldigten und Zeugen gehen zurück», sagt Protze. Häufig verweigerten Verdächtige die Aussage. So müssen Spuren am Tatort die Straftat zu einem Bild zusammensetzen – und die Täter anhand der Indizien überführt werden. Auch aus dieser Sicht sei die Kooperation zwischen Archäologen und Polizei wichtig.
Leiche muss noch etwas liegen bleiben
Für van der Burgt ergibt sich noch ein weiterer Mehrwert. «Wir Archäologen profitieren vom anderen Denken der Kriminalisten. Wir überlegen uns allerhand zu unseren Funden, haben aber nicht immer ausreichende Belege, die unsere Überlegungen stützen. Die Polizei aber stellt mehrere Thesen in der Theorie auf, prüft diese und gleicht sie mit den Fakten ab, um so die passendste These zu finden», sagt die Forensikerin, die auf diese Weise einen Totschlag aus der Eisenzeit 100 v. Chr. vielleicht aufgeklärt hat. Ein zerstückeltes Skelett mit eingeschlagenem Schädel bei Leipzig hatte die Archäologen jüngst vor ein Rätsel gestellt. Sie spielte Szenarien durch.
Das Ergebnis? «Eine persönliche Fehde zwischen zwei Bekannten aus der gleichen Gemeinschaft, denn das Opfer musste schnell versteckt werden», sagt die Archäologin. Ihre forensische Ausbildung hat sie unter anderem in Grossbritannien sowie beim berufsbegleitenden Studiengang «Forensic Scienes and Engineering» an der TU Cottbus absolviert. Das Fachgebiet steht in Deutschland am Anfang, anders als in Grossbritannien oder den USA. «In Deutschland gibt es pro Jahr etwa 500 Mordopfer, davon wird ein Prozent versteckt oder vergraben. In den USA dagegen ist die Zahl der Mordopfer im Allgemeinen und jener, die versteckt werden, um ein Vielfaches höher», so die Forensikerin.
Van der Burgt unterstützt Behörden über Sachsens Grenzen hinaus. An der Hochschule der Polizei in Brandenburg bietet sie Vorträge an, die Tatortermittler in Saarbrücken hat sie mit dem «Bautzener Modell» fortgebildet. Zuweilen klingelt bei ihr in Dresden das Telefon, wenn ermittelnde Kollegen Fragen haben.
Und die neue Bautzener «Leiche»? Die wartet noch auf ihre Entdeckung. Denn das Plastikskelett muss mehrere Monate in der Erde liegen, um besonders authentisch zu wirken. Im Sommer 2021 soll sich eine Tatortgruppe auf deren Spur begeben.
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