Sommerpause beim Sonntagskrimi Das waren die Tops und Flops der «Tatort»-Saison

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10.6.2018

Reichsbürger, RAF-Mythen und ein Impro-Desaster mit Ansage: Wir blicken zurück auf die «Tatort»-Saison 2017/18 und wagen auch einen Blick voraus.

Ab diesem Sonntag ist vorübergehend geschlossen: Die «Tatort»-Saison 2017/18 ist mit dem Münchner Fall «Freies Land» am Sonntag, 3. Juni, zu Ende gegangen. Bis August gähnt den Krimifan die gefürchtete Sommerpause an - mit einer Ausnahme. Welche das ist - und worüber man sich freuen und ärgern durfte, verrät unser grosser «Tatort»-Rück- und Ausblick.

Das war herausragend

Ein fulminanter Saison-Schlussakkord war der Münchner Reichsbürger-«Tatort», für den die Kommissare Batic und Leitmeyr erstmals jenseits des Münchner S-Bahn-Netzes in Niederbayern aufschlugen: Gallig, lakonisch - und lehrreich! Noch besser war 2017/18 nur ein «Tatort»: die Episode «Alles was Sie sagen» mit den norddeutschen Bundespolizisten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Grosz (Franziska Weisz). Der Verhörraum-Thriller war ein ebenso cleveres wie spannendes Spiel mit alternativen Wahrheiten. Auf anregende Weise verwirrend!

Das war mies

Eher zum Verzweifeln: die Formschwankungen der Bremer. Auf beeindruckende Stücke (wir denken an das Pflegedrama «Im toten Winkel») folgen regelmässig Totalausfälle. Der hektisch überladene Pharma-Krimi «Zurück ins Licht» blieb eigentlich nur deshalb im Gedächtnis, weil Frauenschwarm Stedefreund (Oliver Mommsen) seinen kleinen Kommissar in die Kamera hielt. Schlimmer ging es trotzdem: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Team erlebten in «Waldlust» zum zweiten Mal nach «Babbeldasch» (2017) ein Impro-Desaster zum Kopfschütteln. Aus Fehlern lernen - keine Ludwigshafener Tugend.

Darüber wurde gestritten

Der umstrittenste «Tatort» der Saison kam aus Stuttgart: Autorenfilmer Dominik Graf strickte um die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) eine alte Verschwörungstheorie zum deutschen Terror-Herbst. «Das ist RAF-Propaganda», wetterte der Journalist und Zeitzeuge Stefan Aust über das formal recht verworrene Stück. Überhaupt: Die Experimentierlaune der Macher war 2017/18 derart überbordend, dass die ARD verfügte, künftig nur noch zwei «experimentelle» Produktionen pro Jahr zu gestatten. Eine ihrerseits kontrovers aufgenommene Massnahme ...

Das goutierten die Zuschauer (nicht)

Immerhin: Die Zuschauerzahlen gaben den Verantwortlichen Recht. Konventionell gemachte Krimis waren durchweg erfolgreicher als solche, welche die Sehgewohnheiten allzu sehr herausforderten - man denke nur an den Spukhaus-Horror «Fürchte Dich» aus Frankfurt (nur 6,9 Millionen Zuschauer in der ARD). Am stärksten schnitten wie immer die Münsteraner ab. Die Episoden «Gott ist auch nur ein Mensch» (12,89 Millionen) und «Schlangengrube» (12,00 Millionen) rangieren in der Publikumsgunst weit vorne. Mit 5,92 Millionen Zuschauern ganz hinten liegt die Weimarer Episode «Der wüste Gobi», die am zweiten Weihnachtstag aber auch einen undankbaren Sendeplatz hatte.

Das hat genervt

Was dem «Tatort» auf Dauer aber vermutlich noch viel mehr schadet als die Experimentierfreude der Macher, sind sogenannte «Event-Tatorte» wie der mit Heike Makatsch. Alle zwei Jahre mal eine Krimifortsetzung zu drehen, bei der die Zuschauer den gedanklichen Anschluss an die komplizierte Ermittler-Biografie herstellen müssen: Das grenzt an Arroganz. So geht man mit der «Tatort»-Marke nicht um.

Das hat noch mehr genervt

Mal ungeachtet dessen, dass der «Tatort»-Koordinator derzeit aufgrund von Belästigungsvorwürfen ausser Dienst gestellt ist: Wozu gibt es diese Planstelle, wenn man als Zuschauer binnen fünf Programmwochen zweimal am Sonntagabend mit völkischen Siedlern («Tatort» Schwarzwald, «Polizeiruf» Rostock) und einmal mit Reichsbürgern («Tatort» München) konfrontiert ist? Solche thematischen Ballungen auf engstem Raum erscheinen völlig kontraproduktiv. Man kann den fragwürdigen Reflex vieler Krimi-Gucker, sich volkspädagogisch zwangsbelehrt zu fühlen, auch unnötig forcieren.

So geht es in der Sommerpause weiter

Wer auch im WM-Sommer 2018 nicht ohne Sonntagskrimi kann, muss sich nun für viele Wochen mit Konservenware begnügen. Mit einer Ausnahme: Am 8. Juli läuft Til Schweigers überlanger Kino-«Tatort: Tschiller - Off Duty» als Free-TV-Premiere. Der Starschauspieler zeigte sich ob der Programmierung im Sommerloch pikiert: «Ich weiss, wie das jetzt ausgeht. Der Film wird vielleicht drei oder vier Millionen Zuschauer machen, und dann schreiben alle: Der 'Tatort' ist im Kino gefloppt, jetzt floppt er auch im Fernsehen.»

So geht es nach der Sommerpause weiter

Die neue «Tatort»-Saison 2018/19 eröffnen: die Schweizer! Am 5. August läuft der von Star-Regisseur Dani Levy in einer einzigen Kameraeinstellung gedrehte Krimi «Musik stirbt zuletzt» (lesen Sie dazu auch unseren Drehbericht). Das forsche «Echtzeit»-Experiment ist einer der letzten Fälle für die Luzerner Kommissare Flückiger und Ritschard ...

Darauf freuen wir uns

Inzwischen ist beschlossen: Das Luzerner Revier ist passé, neuer Standort des SRF-«Tatorts» wird Zürich sein. Bei allem Respekt für die seriös inszenierten Fälle vom Vierwaldstättersee: In der dicht besiedelten Finanzmetropole mit der unschlagbaren Lebensqualität scheint erzählerisch doch einiges mehr möglich. Einen Vorschlag für die Besetzung der Kommissare haben wir frei Haus: Ursina Lardi (47, vielfach «Tatort»-erfahren) und der Hollywood-gestählte Anatole Taubman (47, «James Bond 007: Ein Quantum Trost»): Besser geht es doch gar nicht!

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