Scharfseher Divertimento-Jonny rettet Tränen-Show

von Lukas Rüttimann

20.5.2018

Die Heulshow «Ich schänke dir es Lied» geht in eine neue Runde. Zum Glück hat man bei SRF dazu gelernt – und serviert nun für jede Träne einen Lacher.

Die Royal Wedding in London, der grandiose Auftritt der Schweizer Nationalmannschaft an der Eishockey-WM in Dänemark, der hochdramatische deutsche Cupfinal in Berlin – es war ein überaus ereignisreicher Samstag für das TV-Publikum.

In diesem Umfeld lief die Wiederaufnahme von «Ich schänke dir es Lied» Gefahr, sang- und klanglos unterzugehen. Zumal die erste Staffel der SRF-Show von vielen nicht wirklich als Geschenk empfunden wurde: zu plump der Mix aus «Happy Day» und «Sing meinen Song», zu repetitiv die konsequent auf Instant-Emotionen gebügelten «Überraschungen» der beschenkten Kandidaten in der Kreuzlinger Bodenseearena.

Aus den Fehlern gelernt

Doch die überarbeitete Event-Show schlug sich im Vergleich zu den Highlights auf den anderen Kanälen achtbar. Ein Grund dafür ist, dass das Team um Moderatorin Viola Tami und ihren musikalischen Helfern Kunz, Ritschi und Anna Rossinelli deutlich gelöster wirkt als noch in Staffel eins. Die beschwingt auftretende Zürcherin moderierte denn auch selbstbewusster als noch vor Jahresfrist und sorgte gar ab und zu mit knackigen Sprüchen im Stile ihres Ehemanns Roman Kilchsperger für Stimmung.

Richtig bezahlt machte sich jedoch der Zuzug von Jonny Fischer in die Runde. Litt die Show während der ersten Staffel unter einem Übermass an Tragik – oft hatten die beschenkten Gäste eine schwere Krankheit zu überstehen oder mit Schicksalsschlägen zu kämpfen – erhielt der Staffelauftakt von «Ich schänke dir es Lied» dank dem Divertimento-Komiker eine Extra-Portion Humor verpasst.

Kurt Felix liess grüssen

Sei es mit zottigen Sprüchen («Ständer von Kunz, das wollte ich immer mal sein») oder mit seiner ansteckend guten Laune – Fischer machte aus der einstigen Heul-Show eine heitere Sache. Dazu passte, dass man das «Happy Day/Sing meinen Song»-Konzept um ein weiteres Versatzstück bewährter TV-Unterhaltung erweiterte: Denn die versteckte Kamera funktioniert offenbar auch im Jahr 2018 noch immer bestens. Selbst dann, wenn ein Komiker bloss per Mikrofon ein wenig Schabernack mit Gästen in einem Lift treibt.

Der verstorbene Kurt Felix liess bei diesen Einspielern jedenfalls von TV-Himmel her grüssen; und man darf annehmen, dass er sich über den jungen Mann, der auf Tamis Mikrofon-Flirtattacke geradezu panisch mit der Erklärung «Sorry, aber ich bin schwul!» reagierte, genauso köstlich amüsiert hätte wie Fischer und das Publikum.

Kein echtes Finale

Telegen inszenierte Tränen durften in dieser Sendung dennoch nicht fehlen. Auch die flache Dynamik ohne echten Höhepunkt ist nach wie vor ein Problem. Denn mit einem früh angekündigten Hochzeitsantrag als Finale gewinnt man heutzutage in der Samstagabendunterhaltung schlicht keinen Blumentopf mehr.

Immerhin: Die zwei Stunden davor haben – Jonny Fischer sei Dank – Spass gemacht. Und schliesslich wird es auch wieder Samstage geben, an dem «Ich schänke dir es Lied» nicht mit dem Sensationssieg der Eintracht aus Frankfurt oder dem historischen Finaleinzug der Schweizer Eishockeyaner in den WM-Final konkurrenzieren muss.

«Ich schänke dir es Lied» lief am Samstag, 20. Mai, ab 20.10 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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