FlüchtlingselendDramatische Szenen aus Moria – Joko und Klaas rütteln mit Kurzfilm auf
tafu
17.9.2020
Diese Bilder erschüttern: Statt mit Quatsch-Fernsehen überraschen Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt mit einem Bericht aus dem Geflüchteten-Lager Moria, dessen Szenen man so schnell nicht vergessen kann.
Wenn Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf in ihrer Show gegen ihren Arbeitgeber antreten, bedeutet das, dass der Zuschauer viel zu lachen hat. In einer Reihe von Spielen kämpft das Duo bei «Joko & Klaas gegen ProSieben» um den Sieg und damit um 15 Minuten Sendezeit zur freien Verfügung.
Während sich die beiden in der ersten Folge der neuen Staffel noch geschlagen geben mussten, konnten Joko und Klaas die Show am Dienstag für sich entscheiden. Wer nun denkt, die 15 Minuten gewonnene Sendezeit werden für weitere Scherze und Klamauk verwendet, der irrt. Bereits in der vergangenen Staffel machten die beiden Moderatoren darin auf gesellschaftliche Missstände wie Sexismus oder Rechtspopulismus aufmerksam. Und so schafften es Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf am Mittwoch erneut, mit einem Beitrag zu überraschen.
Mit eine Hinweis, dass ProSieben keinerlei Einfluss auf die Gestaltung der Sendezeit habe, beginnt die Viertelstunde von Winterscheidt und Heufer-Umlauf. Das Duo begrüsste die Zuschauer aus einem leeren Studio und erklärte zunächst die Entstehungsgeschichte zu ihrer Idee. Die am Dienstag ausgestrahlte Show sei vor einem Monat aufgezeichnet worden, man habe sich bereits damals überlegt, was man mit der Sendezeit anfangen wollte.
... und dann kam das Feuer
Die Idee: auf die zu diesem Zeitpunkt vergessenen Schicksale im Geflüchteten-Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos aufmerksam machen. Doch dann brach Anfang September das Feuer in dem Lager aus und «zumindest die mediale Aufmerksamkeit ist seitdem nicht mehr das Problem», erklärt Klaas Heufer-Umlauf.
Seither hätten sich vor Ort die ohnehin schon schlimmen Lebensumständen für die Menschen dramatisch verschlechtert, so Winterscheidt. «Bereits vor dem Brand standen wir mit Bewohner*innen und Helfer*innen des Camps in Kontakt, um für diese 15 Minuten zu recherchieren.»
So lernten sie Milad Ebrahimi kennen, ein 21-jähriger Geflüchteter aus Afghanistan, der seit Januar in Moria wohnt und ihnen per Videocall seine Geschichte erzählt hatte. Und er ist nicht der Einzige: Alle Menschen haben ähnliche Erlebnisse wie er, erklärt Klaas weiter – «die auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa fliehen und in Lagern wie Moria und direkt in Moria landen».
Bilder am Rande des Erträglichen
Bevor die Videos aus dem Lager gezeigt werden weist Klaas darauf hin, dass die Bilder zum Teil «am Rande des Erträglichen» sind. «Es ist aber die Gegenwart und die Realität der Menschen, die dort sein müssen und dort leben müssen und ihr Leben dort verbringen.» Doch, so Heufer-Umlauf, warne er davor, diese Aufnahmen mit Kindern anzuschauen. Winterscheidt fügt hinzu: «Egal, wen man wählt und egal, wie man über die Flüchtlingskrise denkt, wir wollen, dass in Zukunft jeder weiss, welche Zustände mitten in Europa existieren, nur zwei Flugstunden entfernt».
Dann folgt der Kurzfilm «A Short Story of Moria» und beginnt mit den geschrieben Worten auf schwarzem Hintergrund: «Der nun folgende Film zeigt die körperliche und emotionale Gewalt an den Aussengrenzen Europas.»
Die Flucht war ein Fehler
«Es war der grösste Fehler meines Lebens, dass ich auf diese Insel gekommen bin», erklärt Milad Ebrahimi per Videocall in die Kamera. Was folgt, sind dramatische Szenen seiner Flucht. Milad beschreibt seine Ankunft in Europa, welche er in Teilen per Handyvideos festgehalten hat. Diese zeigen das rücksichtslose, gar lebensgefährdende Verhalten der griechischen Küstenwache.
Sie zerstörten den Motor eines völlig überfüllten Schlauchbootes und liessen die Geflüchteten, darunter Kleinkinder, auf offener See hilflos zurück. Stunden, sogar Tage mussten die Menschen ohne Essen und Trinken ausharren, bis die türkische Küstenwache sie zurück auf das türkische Festland brachte. Erst beim dritten Versuch schaffte es Milad Ebrahimi, Lesbos zu erreichen.
Doch statt Besserung erwarten ihn vor Ort dramatische Lebensbedingungen. «Als wir den Dreck sahen, waren wir einfach nur enttäuscht», so Ebrahimi. Unhaltbare Zustände offenbarten sich: mangelnde Wasserversorgung, kaum Versorgung mit Lebensmitteln menschenunwürdige, teils selbst gebaute Zeltbehausungen in einem hoffnungslos überfüllten Lager. «Ist das wirklich Europa?», fragte Ebrahimi resigniert in die Kamera.
Milad war wach, als das Feuer im Lager ausbrach. Die Menschen flüchten vor den Flammen, verlieren auch ihr letztes Hab und Gut. Die Aufnahmen erschüttern: Statt den Menschen zu helfen, werden diese von der griechischen Polizei mit Tränengas zurückgedrängt, Familien mit kleinen Kindern werden attackiert. Man hört die Stimme des Journalisten Jan Theurich, der sich vor Ort befindet: «Die Polizei schiesst mit Tränengas auf kleine Kinder!»
«Kümmert euch um dieses Chaos»
Traurig resümiert Milad Ebrahimi am Ende des Films: «Wir waren von Europa enttäuscht, wir waren vom Leben enttäuscht.» Doch die Welt sei durch das Feuer nun zum Hinsehen gezwungen. «Wir haben erwartet, dass es in Europa Frieden und Gerechtigkeit gibt», erklärt Milad weiter. «Dass Menschen sich gegenseitig respektieren und Menschenrechte besitzen. Für all das habe ich beschlossen nach Europa zu gehen.» Wenn Europa ihm zuhören würde, so Milad, dann würde er sagen, dass alle Geflüchteten auf dieser Insel eine Lösung brauchen. «Lasst uns sie unterstützen und ihnen helfen und kümmert euch um dieses Chaos.»
Ich schäme mich Europäer zu sein, ich war der Meinung das wir besser sind als das. #MoriaStory
Dass diese 15 Minuten schon jetzt viele Menschen erreicht und zum Nachdenken bewegt haben, zeigen die Reaktionen in den sozialen Medien. «Wer diese Bilder gesehen hat und jetzt noch wegsieht der hat kein Herz und kein Gewissen», schreibt ein Twitter-User. Ein weiterer erklärt: «Ich schäme mich, Europäer zu sein, ich war der Meinung, dass wir besser sind als das.» In diese Kerbe schlägt dann auch das Ende von «A Short Story of Moria» und stellt die Frage: «Ist das Europa?»