Interview Warum das Leben im Hospiz Eckart von Hirschhausen auch erstaunt hat

Von Carlotta Henggeler

16.9.2019

Für sein neues TV-Abenteuer wagt sich TV-Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen auf neues Terrain. Er erzählt etwa, wie sich Eingesperrt sein anfühlt – und auf welche fünf Gesundheitstipps er schwört.

Für Ihre Sendung «Hirschhausens Check Up» auf ARD gehen sie an Orte hin, wo andere nicht hingehen wollen. In diesem Fall ins Hospiz und ins Gefängnis. Wie bereitet man sich auf eine solche Erfahrung vor?

So wenig wie möglich. Verstehen Sie das nicht falsch, das hat nichts mit Faulheit oder mangelndem Respekt zu tun, sondern ist ein bewusster Ansatz. Ich gehe in solche Reportagen ohne Drehbuch hinein. Es gibt eine vorherige Recherche der Produktionsfirma, aber das ist nur ein Grundgerüst. Ich versuche so offen und unvoreingenommen wie möglich in die Drehs zu gehen und den Menschen und ihrer Situation möglichst direkt und ohne Wissensfilter zu begegnen. Und natürlich sind diese Drehs auch nicht planbar, man weiss nie was passiert.

Im Hospiz leben sterbenskranke Menschen, keine Angst vor traurigen Erlebnissen gehabt im Vorfeld?

Doch natürlich. Und natürlich gab es diese Erlebnisse auch. Aber was mich schon überrascht hat: Ich habe auch viele Menschen im Hospiz  getroffen, die sehr gelassen waren und sogar fröhlich. Im Hospiz ticken die Uhren anders. Es ist ein Ort, der komplett herausgenommen ist aus der ganzen Betriebsamkeit der Hochleistungsmedizin und unserer Welt. Mit meiner Arzt-Denke wollte ich vor dem Betreten jedes Zimmers wissen: Welches Krankheitsbild? Welche Komplikationen? Welche Prognose? Eine der Schwestern sagte zu mir: ‹Entspann dich, das ist hier alles nicht mehr so wichtig. Begegne dem Menschen in diesem Zimmer doch einfach so, wie er ist.›

Gute Idee.

Ja, und das stimmt. Es geht im Hospiz um Begegnung, Würde und um Echtheit. Menschen, die darum wissen, wie kostbar die ihnen verbleibende Zeit ist, haben auf anderes keine Lust mehr. Insofern ist der Moment, in dem es ganz existenziell auf den Tod zugeht, für viele auch befreiend: Sie müssen kein Bild von sich selbst mehr aufrechterhalten. Sie müssen es niemandem mehr recht machen.

Welche Begegnungen haben Sie im Hospiz berührt?

In meiner Ausbildungszeit hatte ich als angehender Arzt in der Kinderneurologie wenig mit dem Tod zu tun, und daher war das Hospiz für mich echtes Neuland. Mich hat beeindruckt, dass dort gegen die Erwartung keine durchgehende «Grabesstimmung» herrscht, sondern es viele herzliche und auch leichte Momente gibt, die wir erleben und einfangen konnten. Vor allem hat mich tief berührt, mit welcher Liebe und Hingabe dort Ärzte, Pflegekräfte, Ehrenamtliche und Angehörige zusammenarbeiten, um der letzten Lebensphase Würde und Fülle zu geben. Diesen Menschen kann man gar nicht genug danken.

Haben Sie nach diesen Erfahrungen ein anderes Bild vom Tod?

Nein, nur ein noch klareres: Angesichts des Todes wird sehr viel von dem, wonach wir alle lange streben und unglaublich viel Zeit verdödeln, total unwichtig. Und davor haben wir Angst: dass wir einsehen müssten, die falschen Prioritäten gehabt zu haben. Keiner hat doch auf dem Sterbebett jemals gesagt: Ich hätte mehr Zeit im Büro verbringen sollen oder mit Social Media. Alles, was am Ende zählt, ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Und weil du eh nichts mitnehmen kannst, bleibt die Frage, was hast du angestossen und weitergegeben. Eigentlich wissen wir das, sind aber Meister des Verdrängens.

Und vom Eingesperrt sein?

Dass es Türen gibt, die man nicht von innen öffnen kann. das ist eine schreckliche Erfahrung. Mich hat sehr beschäftigt, was das mit einem macht und wie es Menschen, Beziehungen, Lebensläufe verändert. Und da kann man schon ins Grübeln kommen, wie sinnvoll manche Strafmassnahme wirklich ist. Ich hatte ja Zeit nachzudenken, denn ich musste wie jeder andere auch mein Handy abgeben, was einem ja sonst pausenlos das eigene Denken abnimmt.

Als Arzt, welche drei Tipps geben Sie Leuten, die möglichst lange gesund bleiben möchten?

Nicht nur drei, sondern sogar fünf! In meinem Bühnenprogramm «Endlich!» bringe ich es ganz einfach auf den Punkt: 15 Jahre unseres Lebens hängen am Lebensstil. Es gibt keine Tablette, keine Operation und erst recht keine Creme, die uns besser schützen als fünf ganz einfache Dinge des Alltags: nicht rauchen, bewegen, Gemüse – erwachsen werden und Kind bleiben. Und wen die Langfassung interessiert, Sie sind herzlich eingeladen in mein Programm zu kommen!

In der Schweiz am 12.11. in Bern und am 13.und 14.11 in Zürich. Was haben Sie für einen Bezug zur Schweiz?

Ich habe einen Teil meiner Ausbildung in der Schweiz als Unterassistent gemacht und dabei dieses Land kennen und lieben gelernt. Ich komme sehr gern auf Tour in die Schweiz und war auch schon auf dem Arosa Humorfestival. Wer hier nichts zu lachen hat, ist selber schuld. Gelegenheiten und grossartige Künstler hat es genug.

Und stimmt es, dass die Schweizer einen anderen Humor als die Deutschen haben?

Auf jeden Fall haben sie sehr viel Sinn für Humor! Ich habe einmal Emil Steinberger interviewt, ob er auch davon überzeugt ist, dass Lachen Medizin ist. Und er erzählte mir die wunderbare Anekdote, als eine schwangere Frau bei ihm im Programm so sehr gelacht hat, dass die Wehen ausgelöst wurden. Dass Kind wurde natürlich «Emil» genannt! Wenn das kein Beweis ist ...

Womit überraschen Sie uns als nächstes?

Mit einer Radtour mit Wigald Boning! Er ist einer der kuriosesten Menschen, die ich kenne – und extremer Ausdauersportler. Für meine Sendung ‹Hirschhausens Quiz des Menschen› haben wir gemeinsam Nordrhein-Westphalen auf unseren Rädern unsicher gemacht. Und was dabei alles passiert ist, kann man am 21.09. um 20.15 Uhr auf ARD sehen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

«Hirschhausen im Hospiz» läuft Montag, 16. September, um 20.15 Uhr auf ARD. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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