TV-Kritik Einbrecher-Plage im «Tatort»: Wie sieht's in der Schweiz aus?

tsch

18.11.2018

Rumänische Einbrecherbanden marodieren durch Hamburger Eigenheime. Ein «Tatort»-Krimi, der mal wieder viele Fragen aufwirft. Zum Glück haben wir die Antworten dazu.

Wenn sich das Leben in einer Hamburger Eigenheimsiedlung anfühlt wie im wilden Westen, ist einiges aus dem Lot geraten. Im «Tatort: Treibjagd» hatten es die norddeutschen Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) mit rumänischen Diebesbanden und schiesswütigen «Hilfssheriffs» zu tun. Ist das Gründen einer Bürgerwehr eigentlich erlaubt? Wir haben Antworten auf diese und weitere drängende Fragen zum jüngsten Sonntagskrimi.

Worum ging's?

Um eine Einbruchsserie, die einer biblischen Heuschreckenplage glich. Thorsten Falke und Julia Grosz unterstützten im Film von Regisseurin Samira Radsi eine Hamburger Anti-Einbruchs-Soko. Doch im Anwesen des Vorstadtbewohners Dieter Kranzbühler (Jörg Pose) kamen sie zu spät. Der alleinstehende Mann hatte einen auf frischer Tat ertappten Rumänen erschossen und dessen junge Komplizin (Michelle Barthel) verletzt. Notwehr? Eher nicht. Um das zu vertuschen respektive zu beweisen, jagten der Bruder (Andreas Lust) des Todesschützen sowie die beiden Ermittler die angeschossene Augenzeugin durchs norddeutsche Unterholz.

Worum ging's wirklich?

Um die verborgene, gewaltsame Seite, die auch in biedersten Bürgern zum Vorschein kommen kann, wenn sie sich bedroht und von der Staatsmacht nicht ausreichend geschützt fühlen. Eine kühne Täter-Opfer-Rochade mutete einem das Drehbuch von Benjamin Hessler und Florian Oeller da zu. Obendrauf setzte es Medienkritik öffentlich-rechtlicher Prägung: «Internet-Videos sind was für Spacken», dozierte der im Netz verleumdete Thorsten Falke. Fast hätten wir frech erwidert: «Manche 'Tatort'-Krimis aber auch.»

Sind Einbruchsdelikte wirklich so ein eklatantes Problem?

In Deutschland sind die Zahlen landesweit rückläufig, doch immer noch hoch: Alle vier Minuten wird in unserem Nachbarland eingebrochen. Der Anteil ost- und südosteuropäischer Banden an Wohnungseinbrüchen ist nach Behördenangaben in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Auch gebe es wechselnde «Einbruchs-Hotspots». So gerieten «bestimmte Vororte mit guter Autobahnanbindung» immer wieder ins Visier der Banden, wie unlängst Carsten Milius vom Bund Deutscher Kriminalbeamter gegenüber dem NDR-«Kriminalreport» erklärte.

Weniger angespannt ist die Lage in der Schweiz: 2017 wurde bei uns so wenig eingebrochen wie noch nie seit der Überarbeitung der polizeilichen Kriminalstatistik im Jahr 2009. Registriert wurden «nur» noch 113 Einbruch- oder Einschleichdiebstähle pro Tag. Markus Stauffer von der Schweizerischen Kriminalprävention führt den Rückgang gegenüber der «Luzerner Zeitung» vor allem auf verstärkte Sicherheitsvorkehrungen seitens der Hausbesitzer zurück. «Ein Einbruch dauert dadurch deutlich länger, das Risiko für den Täter wird grösser.» In der Folge würden ausländische Banden «eher in andere Regionen, bestenfalls andere Länder» ausweichen.

Ist es legal, eine Bürgerwehr zu gründen?

Ausdrücklich verboten ist es nicht. Dass sich Anwohner organisieren, um in der Nachbarschaft «die Augen offenzuhalten», ist vom Gesetzgeber nicht untersagt. Auch ist es legitim, einen auf frischer Tat ertappten Straftäter bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Darüber hinausgehende Befugnisse, die sie in den Rang von «Hilfssheriffs» setzen würden, haben Bürgerwehren aber nicht.

Das heisst?

Bewaffnen dürfen sich Mitglieder einer Bürgerwehr ohne weiteres selbstverständlich nicht. Auch haben sie keinerlei Befugnis, Ausweise oder Taschen zu kontrollieren. «Grundsätzlich ist ein gewisses Mass an Zivilcourage nicht falsch, aber private Patrouillen müssten sich bewusst sein, dass sie nicht mehr Rechte haben als andere Bürger», mahnt Christoph Gnägi, Sprecher der Kantonspolizei Bern, gegenüber dem «Tagesanzeiger». Problematisch an vielen Initiativen dieser Art ist überdies ihre ausländerfeindliche Motivation. «Rechtsextremisten betrachten Bürgerwehren als Gelegenheit, sich polizeiliche Befugnisse anzumassen», warnte 2016 der Verfassungsschutz des deutschen Bundeslands Sachsen auf Anfrage der «Hamburger Morgenpost».

Wie geht es mit Kommissar Falke weiter?

Ihr nächster Fall führt die Bundespolizisten Falke und Grosz ins Truckermilieu. In der im Oktober abgedrehten Folge «Kollateralschaden» wird ein Lkw-Fahrer auf einem Autohof durch einen Heckenschützen ermordet. Ein psychisch gestörter Einzeltäter? Ein Erpressungsfall? Ausgestrahlt wird der Film von Autor Oke Stielow und Regisseur Stephan Rick voraussichtlich im kommenden Jahr.

Der neueste «Tatort» lief am Sonntag, 18. November, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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