TV-Tipp Mord in der Toskana: Wer gab vor über 70 Jahren den Auftrag?

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3.9.2018

«Einsteins Nichten» Lorenza und Paola Mazzetti heute auf ihrer Dachterrasse in Rom.
«Einsteins Nichten» Lorenza und Paola Mazzetti heute auf ihrer Dachterrasse in Rom.
Source: ZDF / BR / Cinefattoria / NFP / ARRI Media

Albert Einsteins Grossnichten mussten im Zweiten Weltkrieg mit ansehen, wie die Familie von Einsteins Cousin in der Toskana getötet wurde. Nun kehrten sie an den Schauplatz des Geschehens zurück.

Es ist eine schier unglaubliche Geschichte, die an diesem Abend erzählt wird. Leider «nur» bei 3sat. Der Dokumentarfilm «Einsteins Nichten» hätte ein grösseres Publikum verdient. Es geht um die beiden heute fast 90-jährigen Zwillingsschwestern Lorenza und Paola, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Zeuge eines unfassbaren Wehrmachtsverbrechens wurden.

Kein grosses Massaker. Drei Tote waren es. Eine Mutter mit ihren beiden Töchtern. Vor der Erschiessung in ihrem Haus nahmen sie sich in die Arme, und genau so wurden sie aufgefunden. Und doch zeigt sich an diesem Ereignis die ganze Gnadenlosigkeit des Krieges.

Der deutsche Filmemacher Friedemann Fromm ging mit den überlebenden Schwestern zurück an den Ort des Geschehens, den sie seit mehr als 70 Jahren nicht mehr betreten hatten. Die Kamera war dabei. Es entstanden Bilder, die man nicht mehr vergisst. 2017 lief der Film in den Kinos.

Robert Einstein war ein enger Vertrauter von Albert

Albert Einstein, geboren in Ulm, war zu jener Zeit ein weltberühmter Wissenschaftler. Er lebte in den USA und wandte sich energisch gegen Nazi-Deutschland und Hitler. Aus der Ferne hatte er die italienische Bevölkerung aufgerufen, sich gegen die Besatzung zu wehren. Hitler wusste um die Gefahr, die von solchen Appellen ausging.

Südlich von Florenz lebte derweil Robert Einstein, Cousin und enger Vertrauter Alberts. In einer Villa wohnten er, seine Frau, seine beiden 22 und 17 Jahre alten Töchter sowie eben jene beiden Zwillingsschwestern, die von Robert Einsteins Frau adoptiert worden waren und nicht den Namen «Einstein» trugen.

Alliierte kamen zu spät

Am 3. August 1944 sollten Soldaten der Wehrmacht ihren Auftrag ausführen. Wer ihn gab, wurde nie festgestellt. Robert Einstein, der Spionage bezichtigt, sollte erschossen werden. Der jedoch hatte sich in einem Versteck fern der Villa zurückgezogen. Er war Jude, seine Familie nicht, und so nahm er an, sie würde verschont werden. Doch es kam anders: Die Soldaten erschossen Roberts Frau und seine beiden Kinder. Lorenza und Paola warteten derweil im Stock darüber, bewacht von einem sehr jungen Soldaten, der in Tränen ausbrach, als die Schüsse fielen. Die drei lagen sich weinend in den Armen. Nur sechs Stunden nach der Tat nahmen die Alliierten den Ort in der Toskana ein.

Der Journalist Andreas Englisch war es schliesslich, der zufällig auf die Zwilllingsschwestern aufmerksam wurde und sich in den Kopf setzte, deren Geschichte zu erzählen. Die Recherchen gestalteten sich schwierig. So liess sich lange Zeit keine Akte mehr finden, obwohl der Fall ob des prominenten Namens «Einsteins» sicher vermerkt wurde. Es stellte sich heraus, dass die Akte als «geheim» eingestuft worden war.

Rückkehr an den Ort des Verbrechens

Begleitet durch den Filmemacher und sein Team kehrten die beiden Damen nun zurück in die Villa, die unbewohnt ist und in der sich kaum etwas verändert hat seit jener Zeit. Dezent aus dem Hintergrund gefilmt stehen sie in der Mitte des Raumes, den sie niemals mehr betreten wollten. Doch dann entschieden sie, es zu wagen. Und sanken auf die Knie...

«Gebt mir eine Waffe», hatte Robert Einstein damals die Alliierten angeschrien. Mit der Schuld, das Haus verlassen zu haben, wollte er nicht mehr leben. Sie überzeugten ihn, es nicht zu tun - für die beiden überlebenden Zwillingsmädchen. Er lebte mit beiden noch ein Jahr dort. Dann, an seinem ersten Hochzeitstag nach der Tat, schrieb er Briefe an Albert Einstein und die Zwillinge - und nahm sich das Leben.

Aufruf bei «Aktenzeichen XY» erfolglos

Im Anschluss, um 23.50 Uhr, beschäftigt sich die Dokumentation «Die Story - Einstein» mit der Suche nach den Mördern der Einsteins. Gefunden wurden sie nie. Wie auch nicht jener Soldat, der unter Tränen die beiden zu trösten versucht hatte. Gerne hätten die Schwestern sich bedankt, und auch die Staatsanwaltschaft erhoffte sich Hinweise von ihm. Doch ein Aufruf bei «Aktenzeichen XY» im Jahr 2011 blieb ohne Ergebnis.

«Einsteins Nichten» läuft am Montag, 3. September, um 22.25 Uhr auf 3sat. Gleich im Anschluss folgt um 23.50 Uhr «Die Story - Die Suche nach den Mördern der Einsteins». Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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