Scharfseher Paola Felix – Tränenzusammenbruch zur Prime-Time

Lukas Rüttimann

16.12.2018

In «100 % Schweizer Musik» werden einheimische Musikstars konsequent abgefeiert. Paola Felix wurde es gestern Nacht fast etwas zu viel des Guten.

Kein Licht ohne Schatten: Von solchen Grundsätzlichkeiten hält man beim Schweizer Fernsehen, respektive bei den Machern von «100 % Schweizer Musik», wenig. Denn in dieser Show gibt es nur gleissenden Sonnenschein. Einheimische Stars werden gefeiert und mit Neuinterpretationen geehrt. Eine Mischung aus «Sing meinen Song» und Lebenswerk-Zeremonie– zur besten Sendezeit am Samstagabend auf SRF eins.

Ein solches Konzept hat Folgen. Etwa jene, dass nur zuschaut, wer den Ehrengast wirklich mag. Fans von Paola kamen denn gestern auch prompt auf ihre Kosten. Ihnen dürfte es egal gewesen sein, dass die Sendung aus 120 Minuten gegenseitiger Schulterklopferei bestand und biografische Zwischentöne komplett aussen vor liess. Ein Umstand, den sogar den Teilnehmer selbst auffiel. «Hui, hier gibts ja wirklich nur wahnsinnig tolle Komplimente für alle», sagte Chansonnier und Paola-Superfan Michael von der Heide irgendwann – und strahlte wie ein Maienkäfer.

Tolle Archivaufnahmen

Tatsächlich ist es eine grandiose Karriere, auf die Paola mit ihren 68 Jahren zurück blicken kann. Schon von ihrem ersten Auftritt beim grossen Vico Torriani zeigte sich nicht nur Songwriter-Legende Peter Reber tief beeindruckt. Ehrfürchtig sagt er: «Wie grossartig das live gesungen ist. Konntest du eigentlich immer so gut singen?»

Paola konnte – und deshalb reihte sie in den späten siebziger Jahren Hit an Hit. Sie repräsentierte die Schweiz beim Concours Eurovision de la Chanson. Und an der Seite ihres Gatten Kurt wurde sie zur festen Grösse im deutschsprachigen Fernsehraum. Das zeigten unter anderem Archivaufnahmen aus «Verstehen Sie Spass?» oder der zum YouTube-Hit avancierte Auftritt bei Karl Dall, in dem die Sängerin mitten in ihrem Lied von einer Gummi-Insel rutscht.

Paola und Kurt Felix – die Bilder

Überhaupt: Die Archiv-Aufnahmen sind der eigentliche Star dieses Formats. Wenn wie bei Paola nahezu die gesamte Karriere durch das Schweizer Fernsehen dokumentiert ist, verwandelt sich die TV-Hommage schnell zur Reise in die Vergangenheit. Eine höchst amüsante dazu: Wunderbar die schrägen Kostüme aus den 70ern und 80ern; herrlich die Schnäuzer und Frisuren der inzwischen etwas älter und weiser gewordenen Pepe Lienhard, Peter Reber, Pino Gasparini und – als Stargast zum Finale – Peter Kraus.

Tränen zum Schluss

Dass diese Zeitdokumente fast spannender waren als einige der Neuinterpretationen, hat nichts mit deren Qualität zu tun. Zumal man sich in der Schweiz mit dem Abfeiern von Stars bekanntlich schon immer schwer getan hat. «100 % Schweizer Musik» setzt hier ein durchaus sinnvolles Gegengewicht; doch irgendwie erinnerte es einen auch an die Geschenkzeremonie zu Weihnachten, wenn ein Star nach dem anderen mit den Worten «auch ich habe mir etwas überlegt» zur Tat – sprich zur Bühne – schreitet.



Freude hatte Paola dennoch. Die ganze Sendung über sass die gut aufgelegte Ostschweizerin mit leuchtenden Augen auf ihrem Sessel und musste immer mal wieder herzhaft lachen. Nur zum Schluss wurde es ihr dann doch etwas (zu) viel des Guten.

Beim Rückblick auf ihre Karriere und der Danksagung – unter anderem an das Schweizer Fernsehen, «das seit den 60er Jahren an mich geglaubt hat» – erlitt Paola einen emotionalen Zusammenbruch. Tränen schossen ihr in die Augen, die Stimme begann zu zittern. Sofort sprangen Beatrice Egli und Luca Hänni ein und führten Paola auf die Bühne, wo dann alle zusammen noch einmal «Cinéma» zum Besten gaben. Zum Glück. Alles andere hätte zur konsequenten Lobhudelei in dieser Show auch nicht gepasst.

Beatrice Egli
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