Rainer Maria Salzgeber Rainer Maria Salzgeber: «Ich habe mir lieber Kleider gekauft, als Bier trinken zu gehen»

Cilgia Grass (Interview), Nathalie Röllin (Fotos, Video)

9.12.2018

Pochetten – eins der Markenzeichen von Rainer Maria Salzgeber

Pochetten – eins der Markenzeichen von Rainer Maria Salzgeber

Es sei sein Schatz, erklärt Rainer Maria Salzgeber «Bluewin» und meint damit seine Pochetten. Wie viele er hat, zeigt er den «Bluewin»-Lesern im Video.

07.12.2018

Es werden wieder die besten Sportler der Schweiz gekürt. Mittendrin: Rainer Maria Salzgeber. «Bluewin» spricht mit ihm über die Sports Awards, Lampenfieber, Kleider, seine Familie und sein neuestes Hobby.

Sie moderieren schon seit zehn Jahren die Sports Awards.

Da merkt man mal, wie alt ich geworden bin … (schmunzelt)

Wollen Sie das auch noch die nächsten zehn Jahre machen?

Ab und zu weiss man nicht, was morgen ist. Geschweige denn in zehn Jahren. Die Branche, in der ich arbeite, ist sehr schnelllebig. Was ich in zehn Jahren mache, kann ich unmöglich voraussagen. Wie sieht die Fernsehwelt dann aus? Schauen wir noch Fernsehen? Stehen plötzlich Hologramme im Raum? Grundsätzlich lasse ich mich immer von den Sachen treiben, die ich machen darf. Und ich mache sie mit grosser Freude und viel Leidenschaft — hoffentlich auch noch in zehn Jahren (lacht). Und was ich auf jeden Fall hoffe, ist, dass ich in zehn Jahren noch gesund bin. Und meine Familie auch.

Brennen Sie neben dem Fernsehen noch für etwas anderes?

Ich brenne schon über 20 Jahre für Fernsehen und für Sport. Diese Kombination hat dazu geführt, dass ich alle Alternativen, die links und rechts am Weg lagen, nie wirklich in Betracht gezogen habe. Noch nie war etwas dabei, das attraktiver war als das, was ich jetzt mache. Ich konnte mein Hobby zum Beruf machen – das ist ein unbezahlbares Privileg. Mit fast 50 bin ich noch immer mit der Materie verbunden, die mich fasziniert, seit ich ein kleiner Bub war. Klar wäre ich grundsätzlich lieber Nationalspieler geworden als Moderator der Nationalmannschaft. Aber das war einfach nicht möglich, weil ich zu wenig gut war (lacht).

Auf welcher Position haben Sie gespielt?

Ich war Goalie. Im Wallis. Die 1. Liga war das höchste der Gefühle.

Sie haben die Sports Awards schon mit drei Damen moderiert: mit Steffi Buchli, Nicole Berchtold und mit Sandra Studer, die dieses Jahr wieder mit von der Partie ist. Mit wem klappt das Zusammenspiel am besten?

Als Mann kann man nur verlieren, wenn man sagt, wen man lieber hat. Deshalb: Ich habe alle genau gleich gern an meiner Seite (lacht spitzbübisch). Im Ernst: Das Faszinierende ist, dass jede auf ihre Art anders ist und jede einen anderen Ansatz hat. Und am Schluss ist es Teamwork.

Haben Sie noch Lampenfieber?

Als ich angefangen habe zu moderieren, dachte ich «Das geht nicht, meine Güte! Wer schaut denn da alles zu?». Da fängt man schon an zu zittern. Irgendwann habe ich aber beschlossen, das Wort nervös aus meinem Wortschatz zu streichen – und mich entschieden, dass ich mich vor Sendungen immer freudig erregt fühle. Nervosität und Lampenfieber haben etwas Negatives. Ich will aber mit positiven Emotionen in eine Sendung gehen. Das heisst aber nicht, dass ich das Kribbeln vor der Sendung nicht habe, dass nicht eine gewisse Anspannung und Vorfreude da sind. Hätte ich das alles nicht mehr, müsste ich aufhören.

Das tönt nach Mental Coach.

(Lacht) Der bin ich selber.

Wie gehen Sie mit Pannen um?

Die gehören zum Leben. Perfektionismus ist langweilig. Wenn alles stimmt, es nie Fehler gibt, wirkt das so proper und cool. Das will ich nicht. Ich will mit der Art und Weise, wie ich Sendungen mache, nahe bei den Leuten sein. Ich glaube, man kann sich mehr mit jemandem identifizieren, der mit den gleichen Problemen kämpft, auch mal einen Namen vergisst oder die falschen Kleider auswählt. Am Schluss ist die Legitimation, die ich habe, der Zuschauer. Inhaltliche Fehler sind aber eine andere Geschichte. Es wäre problematisch, wenn ich zum Beispiel nicht wüsste, dass Ramon Zenhäusern ein Skirennfahrer ist.

Wenn Sie schon von Kleidern sprechen: Stylische Outfits sind Ihr Markenzeichen.

Angefangen hat es, als ich zwischen 20 und 25 war. Ich habe im Kleiderladen in Brig, den es übrigens immer noch gibt, spezielle grüne Hosen gekauft mit speziellen Gürteln dazu. Vom Geld, das ich mit meinem Radio-Gelegenheitsjob verdient habe, habe ich mir lieber Kleider gekauft, als mit den Kollegen Bier trinken zu gehen. Das hat sich weitergezogen. Jetzt ist es ein Markenzeichen, das ich pflege. Natürlich kleide ich mich jetzt aber nicht mehr gleich wie mit 30. Die Farben sind sicher weniger wild als früher. Ich mache aber keine Trends mit. Ich ziehe an, was mir gefällt. Mir ist völlig egal, was «in» ist.

Ein anderes Markenzeichen ist Ihr Dialekt.

Ja. Und ich spiele mit meinen Markenzeichen. Damit die Leute merken: «Der Salzgeber, das ist doch der mit den Kleidern. Und der mit dem komischen Dialekt.» Deshalb wäre ich ein «Tubel», wenn ich nicht Walliserdeutsch sprechen würde. Und dann kommt noch der Name Maria dazu. Früher habe ich mich dafür geschämt.

Waren Ihre Eltern Fans von Rainer Maria Rilke?

Nein, das liegt am 15. August. Ich bin an Maria Himmelfahrt zur Welt gekommen. Als ich 1994 zum Fernsehen kam, sagte Gody Baumberger bei einem meiner ersten Einsätze zu mir: «Weisst du, Rainer, ich bin der Gody Baumberger, wir haben den Willy Kym und den Heinz Pütz. Und du bist der Rainer Maria Salzgeber. Du musst dich Rainer Maria nennen. Das ist so cool!» Früher war ich bloss der Rainer. Eigentlich ist mir egal, wie man mich nennt. Rainer, Rainer Maria, Salzi. Aber bitte nicht Rainer M. Salzgeber. Das will ich nicht.

Zurück zu Ihrer Kleidung: Sie gibt sicher auch Angriffsfläche für Kommentare.

Klar, Kleider sind Geschmacksache. Daran können sich Leute reiben, das kann sie zu Kommentaren verleiten. Aber das ist bei mir in einem vernachlässigbaren Rahmen. Die Leute wissen einfach: Der Salzgeber, der probiert sich gut anzuziehen. Und manchmal schiesst er über das Ziel hinaus. Aber das ist auch nicht so schlimm (lacht).

Ihr Kollege Sascha Ruefer hat sich wegen übler Anfeindungen von Facebook zurückgezogen. Haben Sie auch schon so etwas erlebt?

Als Kommentator der Nationalmannschaft ist er extrem ausgestellt. Ich als Moderator werde da anders wahrgenommen. Auf unanständige Kommentare – es sind wenige in der Anzahl –, gehe ich gar nicht ein. Wenn aber jemand eine fundierte Rückmeldung schreibt und zum Beispiel sagt «Das und das war nicht gut» oder «Diese Kleider haben mir aus diesem und diesem Grund nicht gefallen», dann schreibe ich zurück. Ich bin aber nicht so präsent auf Social Media. Wenn ich etwas mache, dann meistens beruflich – ausser ich gehe aufs Matterhorn. Ich probiere, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Trotzdem darf man sich nicht verbiegen lassen, nur damit positive Rückmeldungen kommen. Ich bin immer ich selber geblieben.

Wie haben Sie das geschafft?

Ich glaube, das liegt an meiner Herkunft. Ich bin und bleibe Walliser. Ich komme aus diesen zwei Bergen raus. Und die haben mich nicht engstirniger, sondern bissiger gemacht. Ich wollte den Leuten zeigen, woher ich komme, und wo ich hingehen kann. Jetzt wird's ein bisschen philosophisch: Es gibt zwei Welten – die Sein-Welt und die Schein-Welt. Ich habe meine Familie, meine Kinder, da bin ich «gottefroh». Sie geben mir Halt. Das ist die Sein-Welt. Das Fernsehen ist die Schein-Welt. Wenn die Chefs morgen entscheiden «Salzgeber, wir haben jetzt andere Pläne, wir wollen dich nicht mehr als Moderator», dann verändert sich für mich die Schein-Welt. Die Sein-Welt bleibt aber gleich. Man darf die beiden einfach nicht mischen.

Apropos Chefs: Sie bekommen nächstes Jahr mit Nathalie Wappler eine neue Fernsehdirektorin. Wie ist das für Sie?

Dazu kann ich nichts sagen. Ich kenne sie weder als Mensch noch als Führungsperson, ich hatte mit ihr noch nie zu tun. Bis jetzt haben alle Vorgesetzten, die ich gehabt habe, immer das Beste für unser Unternehmen gewollt. Aber es ist klar: Die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Vor 25 Jahren, als ich angefangen habe, war ein Fernsehchef in einer anderen Position als jetzt die letzten drei Jahre während und nach «No Billag». Aber ich habe volles Vertrauen, dass die richtigen Leute am Ruder sind.

Nathalie Wappler fordert von den SRF-Journalisten eine neutrale Berichterstattung. Das führte zu Kritik. Wie stehen Sie zu diesem Punkt?

Ich kann nur für den Sport reden. In unserem Job ordnen wir immer ein. Ein Sascha Ruefer tut das mit dem, was im Spiel passiert. Ich muss mit Vladimir Petkovic immer darüber reden, ob ein Spiel gut oder schlecht war. Es ist aber auch hier eine Frage des Umgangs. Ich versuche immer, meine Gesprächspartner respekt- und würdevoll zu behandeln. Ich kritisiere ja nicht den Menschen, sondern versuche die Leistung einzuordnen, die er erbracht hat. Das trenne ich. Menschen kann man nur beurteilen, wenn man sie kennt. Und ich kenne die allerwenigsten meiner Interviewpartner als Menschen. Die meisten sind einfach Begleiter auf meinem journalistischen Weg. Wir haben eine distanzierte Nähe.

Akanji hat Sie kürzlich im «sportpanorama» mit seinem Talent im Kopfrechnen überrascht …

Er hat mich nicht nur überrascht, sondern beeindruckt. Ich wusste ja, dass er das kann. Aber dass er das in der Sendung gemacht hat, ja, dass er überhaupt mitgemacht hat, das war gigantisch. Genauso wie das, was danach auf den Sozialen Medien abging. Wir machen etwas im kleinen «sportpanorama»-Studio in Zürich – und schwuppdiwupp geht das um die Welt. Das war früher undenkbar. Einerseits beeindruckt das einen, auf der anderen Seite macht das auch Angst. Soziale Medien können genauso gut zu asozialen Medien werden. Meine Kinder haben Jahrgang 01 und 04. Es ist eine Herausforderung, ihnen zu sagen, dass es auch ein Leben gegeben hat vor dem iPhone, vor dem E-Mail.

Apropos Kinder: Ihre Tochter Cloé ist auf dem besten Weg, in Ihre Fussstapfen zu treten.

(lacht) Ja, ja.

Wie ist das für Sie?

Ich bin in erster Linie ungemein stolz. Das ist klar. Angefangen hat es mit der Kindersendung «Zambo». Da war sie etwa neun Jahre alt. Da kam sie zu mir und sagte: «Ich möchte ‹Zambo›-Moderatorin werden.» Ich sagte: «Das ist jetzt noch schwierig.» Und meinte zum Spass: «Du musst mal eine Bewerbung schreiben.» Das hat sie mit einer zweiseitigen Bewerbung plus Zeichnung und Fotos gemacht — und die «Zambo»-Verantwortlichen mit ihrer Art überzeugt. Im Nachhinein war das logisch. Sie ist damit aufgewachsen. Irgendein Mikrophonschutz von SF oder später SRF lag bei uns zu Hause immer rum. Wir haben auch viel damit gespielt. Schon als kleine Kinder haben sie und ihr Bruder Interviews nachgestellt. Als das mit «Zambo» durch war, hat es sich aber verflüchtigt. Die Schule hatte Priorität.

Aber die Geschichte geht noch weiter…

Vor einem Jahr durfte ich die Laureus-Gala mit ihr moderieren. Die Laureus-Leute hatten die Idee, weil sie Generationen thematisieren wollten. Ich lehnte zuerst ab. Anstandshalber erzählte ich Cloé davon, und dass ich Nein gesagt hatte. Da meinte sie: «Das darfst du nicht. Du darfst nicht Nein sagen, wenn du mich nicht gefragt hast.» Ich sagte: «Gut, dann frage ich dich jetzt: Willst du es machen?» «Ja!» Dann mussten wir es durchziehen. Und jetzt kam das mit dem «Samschtig-Jass». Cloé hat sicherlich das Gen in sich. Sie ist offen, geht auf Leute zu, hat Leute gern. Wie sich das beruflich niederschlägt, wird sich dann zeigen.

Wie sieht es mit ihrem Bruder Jascha aus?

Er ist anders. Er ist sehr empathisch. Aber er schaut zuerst und entscheidet dann. Cloé dagegen ist wie ich: Wumm! Das ist spannend. Der Sohn ist so, die Tochter so. Er kommt nach der Mutter, sie nach dem Vater. Aber es ist egal, was sie machen. Ich habe beide extrem gern, und ich freue mich, wenn sie etwas tun und etwas erreichen. Das ist cool.

Was unternehmen Sie so als Familie?

Meine Tochter wird nächstes Jahr 18, aber wir gehen immer noch zusammen in die Ferien. Sie kommt auch immer mit, wenn wir in Zermatt Ski fahren. Wir gehen zudem zusammen Badminton spielen oder golfen ein bisschen. Die Mutter konnten wir aber noch nicht dazu überreden. Die Kinder haben aber die Platzreife gemacht. Mein Wunsch wäre, mal zu viert auf dem Platz zu stehen. Wir schauen uns auch immer wieder einmal Comedians an. Zum Beispiel Divertimento oder Stefan Büsser. Und einmal pro Jahr reisen wir in eine europäische Stadt und schauen uns einen Fussballmatch an. Einen grossen Match. Wir haben zum Beispiel Real Madrid gegen Barcelona gesehen und Manchester City gegen Manchester United. Wir waren schon auf Schalke und bei Bayern. Da kommen die Frauen immer mit und finden das auch cool.

Was ist das nächste Projekt?

Wir überlegen uns gerade, mal Dortmund gegen Schalke anzuschauen. Oder das Old Firm Derby in Glasgow zwischen Celtic und den Rangers. Wenn du Fussball-Fan bist, musst du das mindestens einmal im Leben gesehen haben. Celtic sind die Katholiken, die Rangers sind die Protestanten. Angesichts der geschichtlichen Ereignisse war das früher purer Hass. Mittlerweile ist es ein traditionsreiches Derby. Ich durfte das vor bald 20 Jahren schon mal sehen. Und vielleicht organisieren wir das jetzt.

Wie halten Sie sich selber fit?

Ich versuche, immer wieder einen Ausgleich zu finden zwischen selber Sport machen und darüber berichten. Ich war auf dem Matterhorn, habe die Patrouille des Glaciers gemacht. Und jetzt fahre ich Velo. Ich habe mir ein Rennvelo gekauft. Zu Hause habe ich einen Rollentrainer, damit ich im Keller Velo fahren kann. Dazu schaue ich mir Fussballmatches an. Aber ich habe nur noch einen Gegner. Und das bin ich. Mir ist völlig egal, wie viele Schläge ich im Golf brauche. Wie schnell ich im Skifahren bin. Ob ich im Tennis gewinne oder verliere. Ich will einfach fit sein und fit bleiben. Es soll eine Freude sein. Und ich will es einfach mit Leidenschaft tun. Wie alles, was ich mache. Ob ich jetzt Velo fahre oder zu Hause mit meiner Frau ein Glas Wein trinke (lacht).

Die «Credit Suisse Sports Awards» werden am Sonntag, 9. Dezember, ab 20.05 Uhr auf SRF 1 übertragen. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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