TV-Kritik SRF-«Club»: Glanzstück eidgenössischer Komik

Von Gion Mathias Cavelty

22.7.2020

Dank des letzten SRF-«Club» muss TV-Experte Gion Mathias Cavelty nie wieder in die Ferien.

Wollen Sie wieder einmal herzhaft lachen in diesen düsteren Zeiten? Dann empfehle ich Ihnen, sich den letzten SRF-«Club» anzuschauen.

Thema und Setting freilich waren todernst: Aufgenommen wurde die mit «Wie reisen wir nach Corona?» betitelte Sendung im menschenleeren Dock E des Flughafens Zürich, das eher an eine Krematoriumshalle erinnerte als an sonst etwas; bewusst gewählt als Symbol «für den beispiellosen Stillstand, den die ganze Gesellschaft und Wirtschaft in den letzten Monaten wegen Corona erlebt hat», wie Moderatorin Barbara Lüthi die Fernsehzuschauer auf eleganten High Heels einmarschierend begrüsste. Dies allerdings nicht mit angemessener Leidensmiene, nein: Frau Lüthi war bombastisch gut gelaunt und braun gebrannt wie nach vier Wochen Ferien auf den Malediven; sie sah umwerfend gut aus; ein einziger Sonnenschein. Des krassen Kontrastes wegen musste ich schon ein erstes Mal lachen.



Vom apokalyptischen Groove der ganzen Angelegenheit liess sie sich auch den Rest der Sendung über ihre blendende Laune nicht verderben. Putzmunter leitete sie die Gesprächsrunde; die daran teilnehmenden Gäste – mehrheitlich blass und gräulich-schwärzlich gekleidet, wie man es erwarten darf – verbreiteten im Gegensatz zur Gastgeberin veritable Grabesstimmung.

Mopsfidel stellte Lüthi ihre Fragen: «Wie viel Geld verliert die Swiss pro Tag? – War es Ihnen peinlich, um Finanzhilfe zu bitten? – Ist der Hub Schweiz gefährdet? – 150 Arbeitsplätze hängen an einem Flugzeug, müssen Sie Leute entlassen?»

Betreten kamen die Antworten: «Den totalen Stillstand des internationalen Reiseverkehrs über mehrere Monate konnten wir uns selbst in unseren wildesten Träumen nicht ausmalen» (Stephan Widrig, CEO Flughafen Zürich AG); «In unserem Unternehmen hatten wir 85'000 Annullationen und Umbuchungen» (André Lüthi, Verwaltungsratspräsident und CEO der Globetrotter Group); «Wir werden das überleben – wir werden den Hub wieder aufbauen – aber es wird 'ne Zeit brauchen. Nicht morgen, nicht übermorgen, sondern es braucht schon zwei, drei Jahre» (Thomas Klühr, CEO Swiss International Air Lines AG).

Alles hat ein Ende, nur der Endo hat keins

Ein Glanzstück eidgenössischer Komik (Stichwort «Kontrast», siehe oben). Aber da war noch Talkgast Endo Anaconda von Stiller Has! Er holte die ganz, ganz, GANZ grosse moralische Keule gegen die «grenzenlose Mobilität» hervor: «Ich persönlich habe null Lust, die schönsten Stände Brasiliens zu besuchen, wenn sie dort die Leute dreilagig beerdigen und die Indigenen niedermetzeln!»

Wie er den Leuten permanent in ihre Sätze donnerte, brabbelte, knarzte und maulte! Stets fünf Schuhnummern zu gross, sozusagen. Larger than life! Unstoppable! Wie ein (komplett verlebter) Ausserirdischer, der mit seinem XXL-Laserschwert in die alles entscheidende, letzte Schlacht zieht! Fast hätte man sich gewünscht, er möge sich mal ein Päuschen gönnen auf einer fernen, fernen Insel … aber das geht momentan ja schlecht.

«Man kann Menschen aussperren, aber nicht Krankheiten» – «Niemand spricht über die Angestellten im Hotelwesen zum Beispiel auf Fuerteventura» – «Wenn man immer nach der Logik geht: billig, billig, billig … Und das ist auch mit den Klamotten so, jetzt ist die Frühlingskollektion – ich schweife jetzt ab – jetzt ist die Frühlingskollektion, und jetzt heisst es: Jetzt müsst ihr shoppen! Ihr müsst shoppen! Ihr müsst fliegen! Ihr müsst in die Ferien! Aber die Leute haben kein Geld. Sie sind verunsichert. Und sie werden noch verunsicherter sein. Wir reden einfach nur über die Schweiz, aber wir reden nicht über WasderFlugverkehrwasdieFormvonFlugverkehrvonfuturistischemWahnsinnderdaabgehtaufdieserWeltklimatischanrichtetsozialanrichtetundalles – ja»: Endo wollte und wollte nicht aufhören. Eine herrliche Niklaus-Meienberg-Reverenz.

Aber wie reisen wir denn nun nach Corona? Sie werden es erraten haben: Diesbezüglich war man nach dem «Club» so klug wie zuvor.

André Lüthi denkt, dass das Reisen teurer wird, aber dass man dadurch bewusster reist.



Thomas Klühr gibt zu bedenken: «Es gibt noch ganz, ganz viele Länder, die das Fliegen erst entdecken. In China zum Beispiel, in Osteuropa. Wollen wir jetzt denen sagen, ihr dürft nicht mehr in die Schweiz kommen? (…) Die Schweiz wäre nicht da, wo sie ist, wenn sie nicht so eine gute Luftanbindung hätte wie vor Corona.»

Die vom Parlament beschlossene Flugticketabgabe von 30 bis 120 Franken? «Müsste deutlich höher sein» (Greta Stieger, Projektleiterin «Zug statt Flug» Verein Umkehr). «Viel zu hoch; dadurch verhindern wir, dass es globale Instrumente gibt» (Thomas Klühr). «Das Geld müsste in die Technologie, in die Forschung fliessen, keine Lenkungsabgabe sein» (André Lüthi). «Die Kioskverkäuferin aus Oerlikon soll auch so reisen können wie jemand vom Zürichberg – am Schluss können nur die reisen, die viel Geld haben, und die anderen müssen zu Hause hocken» (Daniel Lampart, Chefökonom Schweizerischer Gewerkschaftsbund).

Tja, und das war's dann tatsächlich auch schon an, äh, Relevantem.

Was hingegen für immer bleiben wird: Barbara Lüthis alles überstrahlendes Gesamtwesen. Wer sie in dieser Sendung gesehen hat, braucht für den Rest seines Lebens nicht mehr in die Ferien zu fahren. Und bei eventuell in der Zukunft auftretenden emotionalen Verstimmungen soll er sich einfach den «Club» wieder anschauen – er wird sich fühlen wie neugeboren.

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