Live dabei «Tatort»-Dreh in Luzern: Als Statistin hautnah dran an Flückiger & Co.

Cilgia Grass

1.2.2018

Für mich gehört der «Tatort» zum Sonntagabend wie die Leiche zum Krimi. Deshalb nutze ich die Gelegenheit, als es bei SRF heisst «Statisten gesucht». Der Ausflug nach Luzern hat sich gelohnt.

Regisseur Dani Levy hat ein ehrgeiziges Ziel: Er möchte den neusten Luzerner «Tatort» in einem Take drehen. Das heisst: 90 Minuten filmen am Stück ohne Unterbrüche. Mit nur einer einzigen Kamera. Es ist also quasi wie im Theater: Wenns läuft, dann läufts. Als Schauplatz dient das KKL Luzern. Und ich bin als Statistin mittendrin. Aufregend.

Das Abenteuer beginnt für mich aber schon einige Wochen vor dem Dreh: Ich muss mir (zum ersten Mal in meinem Leben) ein Gala-Outfit besorgen. Denn auf dem Anmeldeformular der Produktionsfirma Hugofilm habe ich das betreffende Kästchen angekreuzt. Etwas weniger feine Kleider wären auch gegangen. «Aber dann sitze ich sicher weit weg vom Kamerageschehen und kriege nichts mit», denke ich mir. Und ich will ja nachher etwas zu berichten haben.

Als Datum wähle ich Dienstag, 11. Juli, also den ersten Drehtag. Wäre ich schon pensioniert, würde ich auch noch die restlichen drei Drehtage (Donnerstag, Samstag und Sonntag respektive 13., 15. und 16. Juli) dabei sein. Die Filmfirma ist froh um jeden, der das KKL bevölkert, und ich könnte vergleichen, ob etwas anders läuft.

Regisseur Dani Levy (Mitte) und seine «Tatort»-Hauptdarsteller Delia Mayer und Stefan Gubser (in diesen Outfits im «Tatort» zu sehen) wagen etwas: Sie drehen den «Tatort – Alte Männer sterben nicht» in einem «Schnurz». Das wurde vorher kaum je gemacht.
Regisseur Dani Levy (Mitte) und seine «Tatort»-Hauptdarsteller Delia Mayer und Stefan Gubser (in diesen Outfits im «Tatort» zu sehen) wagen etwas: Sie drehen den «Tatort – Alte Männer sterben nicht» in einem «Schnurz». Das wurde vorher kaum je gemacht.
Bild: SRF/David Winkler

Punkt 18.30 Uhr stehe ich also am Dienstag «putzt und gstrählt» (und bereits mit Blasen an den Füssen von den neuen Schuhen) vor dem KKL. Neben mir – in einem Seidentraum – eine meiner Busenfreundinnen, die sich von meiner Statisten-Idee anstecken liess. Ihr Mann (war zuerst weniger begeistert) ist im Smoking mit von der Partie.

Dass wir in unser Aussehen investiert haben, hat sich gelohnt: Die Dame beim Eingang tauscht unsere Anmeldezettel in Tickets für «Gruppe Gelb» um. «Was ist denn Gruppe Gelb?», wollen wir wissen. «Sie sitzen auf den Seitenplätzen, links und rechts.» Top-Plätze, wow! Wir raffen unsere langen Röcke, tippeln die Treppe hinunter und setzen uns erwartungsvoll auf unsere Stühle.

Pannen bei der Generalprobe

Auf der Bühne hat das Orchester Stellung bezogen. Auf das Zeichen des Dirigenten legen die Musiker los – mit der «Tatort»-Melodie. Das Publikum quittiert die witzige Idee mit Applaus. Danach erscheint SRF-Moderatorin Monika Schärer und «wärmt uns auf». Unter anderem mit einem kurzen Interview, das sie mit Stefan Gubser alias «Tatort»-Kommissar Reto Flückiger führt. Er habe nicht mehr Lampenfieber als sonst auch, erfahren wir. Und auch, dass bei der Generalprobe die Türe zu einem wichtigen Raum, in dem gedreht werden sollte, plötzlich zugesperrt war. Auch am Bahnhof Luzern, der ins Geschehen einbezogen wird, kam es zu einer unvorhergesehenen Szene. Stefan Gubser schmunzelnd: «Ich muss einen Flüchtigen verfolgen, der Handschellen trägt. Passanten haben ihn festgehalten, weil sie dachten, er sei tatsächlich ein Verbrecher.»

Auch Regisseur Dani Levy kommt noch zu Wort. Er mahnt uns, nicht zu lange zu klatschen, weil sonst der «Tatort» plötzlich 2 Stunden dauert statt der normalen 90 Minuten. Und verrät, dass er sich gerade eben im Bahnhof neben dem Dönerladen einen Anzug gekauft hat. Damit er nicht auffällt, falls er mal im Bild erscheint. Er muss nämlich mit dem Kameramann und den Schauspielern mitrennen. Deshalb hat er auch Turnschuhe montiert. Er hat sicher keine Blasen. Ich beneide ihn.

Zeit für Instruktionen

Um etwa 19.30 Uhr bekommen wir von Produktionskoordinatorin Jessica Anweisungen. Sie erklärt uns, dass im Saal vier Szenen gedreht werden. Vor jeder Szene sagt sie uns jeweils, wann wir wie heftig klatschen sollen – oder eben auch nicht. Und wann wir uns für eine Standing Ovation erheben sollen. Sie erklärt uns auch in groben Zügen die Handlung: Wir gehören zu den Reichen, Berühmten und Schönen, die 10'000 Franken für ein Ticket für das Konzert des «International Jewish Chamber Orchestra» bezahlt haben. Es ist ein Benefizanlass der «Walter Loving Foundation». Walter Loving (sitzt mit seinem Rollator in der ersten Reihe) ist ein Mäzen – und ein Mann mit Vergangenheit. Einer Vergangenheit, die mit der Judenverfolgung durch die Nazis zusammenhängt. Mehr wollen wir an dieser Stelle nicht verraten.

Um etwa 20 Uhr wird uns – also Gruppe Gelb – eine sogenannte Crowd Managerin zugewiesen. Sie nimmt uns mit und verteilt uns im Foyer. Auch die Gruppen Grün, Blau und Rot werden von ihren Betreuerinnen in und ums KKL drapiert. Noch ist Zeit für einen Snack und die Toilette. Um 21 Uhr gilts dann aber ernst: Ab sofort wird gefilmt. Ohne Unterbruch. Das heisst: Ich kann keine Fotos mehr machen. Und bloss nicht der Kamera hinterherschauen, sondern ganz natürlich sein und lockere Gespräche führen. Und zwar nicht über den «Tatort». Das fällt schwer.

Flückiger trägt die 7

Zwischendurch heisst es: Rein in den Saal und dann wieder raus aus dem Saal. Dann stehen meine Freunde und ich an einem Tischchen bei der Bar. Und plötzlich stellen sich Stefan Gubser alias Kommissar Flückiger und Delia Mayer alias Kommissarin Liz Ritschard ans Tischchen neben uns. Bloss nicht auffällig gucken. Immer ganz natürlich. Mit ein bisschen Schielen erkenne ich: Der Herr Kommissar, der von einem Match des FC Luzern weg zum Tatort gerufen wird, trägt auf seinem Trikot die Nummer 7. «Wie Alain Sutter damals», denke ich. Nur dass darüber Flückiger steht. Cool.

Plötzlich riecht es, als ob jemand sein 1.-August-Feuerwerk schon jetzt abgebrannt hätte. Draussen vor dem roten Teppich läuft eine Demo, die zum Drehbuch gehört. Es raucht, Pyros werden gezündet – es geht um die aktuelle politische Lage im nahen Osten. Glaube ich wenigstens. Ich sehe ja nichts.

Ein letztes Mal sitzen wir im Saal. Für die Schlussszene. Wir warten auf die Pianistin. Aber sie kommt und kommt nicht durch die Tür. Die Anspannung steigt, auch beim Dirigenten, der sie ansagen muss. Dann die Erlösung: Die Dame erscheint und spielt ihren Part. Schliesslich kommen noch der Mäzen und sein Sohn zum Einsatz.

Und dann verkündet Produktionskoordinatorin Jessica: «It's a wrap!» Will heissen: Die letzte Klappe ist gefallen, das Ding ist im Kasten. Erleichterung, wir applaudieren begeistert. Regisseur Dani Levy – trotz des Wahnsinnsprojekts immer noch sehr humorig gelaunt – bedankt sich bei uns. Und bittet am Schluss diejenigen, die sich für einen der anderen Dreh-Termine angemeldet haben, auch zu kommen. Denn ohne Publikum kann der neue Luzerner «Tatort» nicht entstehen. Auch Kurzentschlossene sind willkommen (hier gehts zur Anmeldung).

Ich kanns empfehlen. Denn neben den spannenden Eindrücken gibt es am Schluss noch einen kleinen Goodie-Bag als Belohnung. Darauf steht «Ich war am Tatort». Eine schöne Erinnerung.

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