Geiseldrama nach Konkurs Luzerner «Tatort» im Check: Nehmen uns die Chinesen die Jobs weg?

tsha

30.12.2018

Spannende Geiselnahme und Lehrstunde zur Globalisierung: Der Schweizer «Tatort: Friss oder stirb» warf interessante Fragen auf.

Wenn Flückiger und Ritschard im Sonntagskrimi ermitteln, weiss der «Tatort»-Kenner meist schon vor der ersten Leiche: Das werden wieder lange 90 Minuten. «Friss oder stirb» aber war aufregend wie lange kein Fall aus Luzern mehr. Das lag nicht nur an der spannend inszenierten Geiselnahme im Luxusbunker hoch oberhalb des Vierwaldstättersees – sondern auch an einer brandheissen Diskussion: Nehmen uns die Chinesen die Jobs weg?

Worum ging's?

Um genau 567'840 Euro: So viel Geld wollte der Arbeitslose Mike Liebknecht (Misel Maticevic) vom Swisscoal-CEO Anton Seematter (Roland Koch) erpressen. Denn so viel hätte er in den 20 Jahren bis zu seiner Rente verdient, hatte er sich ausgerechnet – wenn sein Arbeitgeber nicht pleitegegangen wäre. Verantwortlich dafür, so glaubte Liebknecht, ist Seematter, der ein Bauteil für sein Unternehmen jetzt in Fernost produzieren lässt, weil's dort billiger ist. Also verschaffte Liebknecht sich Zugang zu Seematters Anwesen, nahm seine Frau Sofia (Katharina von Bock) und seine Tochter Leonie (Cecilia Steiner) als Geiseln und schliesslich Seematter selbst. Irgendwann fanden sich auch die Kommissare Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer), die eigentlich in einem Mordfall ermittelten, in der Gewalt des wütenden Arbeitslosen.

Job-Verlagerung nach China – ist das wirklich noch ein grosses Problem?

Auf Englisch klingt alles gleich viel schöner. «Offshoring» – da steckt das Wort «Küste» drin, da denkt man eher an Urlaub in der Karibik als an Arbeitslosigkeit. Hinter dem Begriff steckt allerdings nichts anderes als die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Vor allem nach China sind in den Jahren seit der wirtschaftlichen Öffnung des Landes ab den 80ern viele Jobs verschwunden. Studien aus den vergangenen Jahren zeigen, dass vor allem Jobs für Geringqualifizierte nach China und in andere (meist asiatische) Billiglohnländer verlagert wurden. Zahlen, wie viele Jobs deswegen hierzulande abgebaut wurde, gibt es nicht. Dass die Arbeitslosigkeit deswegen nicht dauerhaft gestiegen ist, gilt allerdings als gesichert.

Ausserdem ist seit wenigen Jahren ein neuer Trend zu beobachten: «Rückverlagerung» ist jetzt der Begriff der Stunde. Jobs, die einst nach China ausgelagert wurden, werden nun zurück ins eigene Land geholt. Die Gründe dafür sind vielfältig. So ist die Produktion in China schon lange nicht mehr so günstig wie noch in den 90er Jahren – im Reich der Mitte steigen die Löhne kräftig an, es entsteht eine zahlungskräftige Mittel- und Oberschicht, das Land will nicht mehr «Werkbank der Welt» sein. Ausserdem dämmert es vielen Unternehmen, dass günstig nicht gleich gut ist – so produziert etwa der Kuscheltierhersteller Steiff seit einigen Jahren nicht mehr in China, weil dort die Qualität nicht gestimmt habe. Hinzu kommen die hohen Transportkosten und die langen Lieferzeiten für Waren, die in China hergestellt werden. Dass die Chinesen «uns» die Jobs wegnehmen, ist also kaum mehr als ein populistisches Märchen.

Spielt Roland Koch nicht eigentlich einen Kommissar im «Tatort»?

Nicht nur Burgtheater-Besuchern, sondern auch treuen «Tatort»-Guckern dürfte Roland Koch (nein, nicht der deutsche Politiker) bekannt sein: Koch, der diesmal den Bösewicht Anton Seematter spielte, war von 2012 bis 2015 im Bodensee-«Tatort» als Schweizer Kollege der Konstanzer Ermittler Blum (Eva Mattes) und Perlmann (Sebastian Bezzel) zu sehen. Matteo Lüthi hiess er damals – und ersetzte ausgerechnet Stefan Gubser, bevor dieser als Reto Flückiger in Luzern sein eigenes Revier bekam. Verkehrte Welt in Luzern!

Wie geht es weiter mit dem Luzerner «Tatort»?

Im kommenden Jahr sollen noch zwei Folgen aus Luzern gezeigt werden, dann verabschieden sich die beiden Ermittler Ritschard und Flückiger von den Bildschirmen. Die Schweiz bleibt allerdings Teil der «Tatort»-Landkarte; ermittelt werden soll zukünftig in Zürich. Details, etwa zur Besetzung, sind allerdings noch nicht bekannt.

Der neueste Schweizer «Tatort» lief am Sonntag, 30. Dezember, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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