Digitale Drecksarbeit Digitale Drecksarbeit: Sie löschen das Grauen im Internet

tsch

11.9.2018

«The Cleaners» zeigt, welche armen Seelen eigentlich löschen, was nicht auf Facebook und Co. zu sehen sein soll.

«Die Welt soll wissen, dass es uns gibt», sagt ein Mann aus Manila, der nicht erkannt werden will. Er ist nicht der Einzige, der in «The Cleaners» (2018) im Schatten bleibt, im Verborgenen agiert. Der Dokumentarfilm von Hans Block und Moritz Riesewieck, den das Erste nur wenige Monate nach Kinostart zeigt, ist eine Exkursion ins Halblicht, aus dem der grösste Teil des Internets besteht.

Dort, wo sich Sexbilder, Gewaltvideos und Terrorpropaganda finden, die ans Licht der sozialen Netzwerke drängen. Es sind oftmals verstörende Aufnahmen, mit denen sich Zehntausende digitale Drecksarbeiter Tag für Tag beschäftigen müssen: Sie entscheiden, was auf Facebook, Twitter, Google und Co. veröffentlicht wird.

Ignorieren oder löschen?

Dass es diese Putzkolonnen gibt, das ist nicht neu, aber eben meist auch nicht im Bewusstsein derer angelangt, zu deren Alltag die Nutzung sozialer Netzwerke gehört. Und die nicht mit dem Grauen konfrontiert werden, welches auf den Philippinen gelöscht wird. Durch bis zu 25'000 Bilder klicken sich die Cleaner jeden Tag: «Ignore or Delete?», ist die Entscheidung, für die sie bezahlt werden.

«Es geht uns nicht um Anerkennung», sagt der anonyme Mann weiter. «Wir sind wie Polizisten, es geht uns darum, die Plattform so sicher wie möglich zu machen.» Es ist ein fast schon missionarischer Eifer, den die Filmemacher in den Säuberungsbüros entdecken. Die Menschen, die dort arbeiten, können ihren Job eigentlich nicht ertragen, aber sie machen ihn, um das Internet sicherer zu machen. Das ist zumindest eine Seite der Medaille. Die andere: Sie brauchen den Job, um ihre Familien zu ernähren.

Entscheiden ohne Ausbildung und zum Hungerlohn

Hans Block und Moritz Riesewieck haben es geschafft, eine Handvoll der zehntausend «Content Moderators», wie der Jobtitel der Cleaners offiziell lautet, vor die Kamera zu bekommen. Menschen, die zwischen einem und drei US-Dollar pro Tag bekommen, um sich den Abschaum der Welt anzusehen. Menschen, die kaum ausgebildet sind, deren Entscheidungen aber weitreichende Konsequenzen für die Freiheit in den sozialen Netzwerken haben.

«The Cleaners» ist ein Film, der aussieht und sich anfühlt wie ein Noir-Thriller. Im Mittelpunkt stehen die Anti-Helden vor ihren flackernden Bildschirmen, die bestimmen dürfen, was online geht. Ihre persönlichen Schicksale aber sind Teil eines umfassenderen Ganzen, das der faszinierende Film beleuchtet: Denn am Ende sind es gar nicht die digitalen Drecksarbeiter, die bestimmen, was online gehen darf.

Zwischen Schutz und Zensur

Die Richtlinien zur vermeintlichen Verbesserung der Welt werden im Silicon Valley beschlossen. Sie greifen auch in die Meinungs- und Kunstfreiheit ein, sie sind nicht nur Schutz, sondern auch Zensur. Die Entscheidung darüber jedoch obliegt dem Klickbataillon in Manila, das nicht nur schwer erträgliche Bilder auf den Monitor bekommt, sondern Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen treffen muss: Welche Informationen überhaupt noch zugänglich sind.

«Im Schatten der Netzwelt – The Cleaners» läuft am Dienstag, 11. September, um 22.45 Uhr in der ARD. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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