«Sie bezahlen mir genug, damit ich wegschaue» US-Comedians traten in Saudi-Arabien auf – jetzt müssen sie sich rechtfertigen

Noemi Hüsser

10.10.2025

Der Comedian Dave Chappelle bei einem Auftritt 2021.
Der Comedian Dave Chappelle bei einem Auftritt 2021.
IMAGO/Picturelux

Während Saudi-Arabien Journalisten hinrichten lässt und Homosexualität mit dem Tod bestraft, traten vergangene Woche internationale Comedians bei einem millionenschweren Festival auf – und ernten dafür heftige Kritik.

Noemi Hüsser

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • US-Comedians wie Dave Chappelle traten beim Riyadh Comedy Festival auf, obwohl Saudi-Arabien für schwere Menschenrechts-Verletzungen bekannt ist.
  • Human Rights Watch kritisierte das Festival als Imagekampagne des Regimes. Andere Komiker*innen verurteilten die Teilnahme der Comedians, da sie durch Verträge zur Selbstzensur verpflichtet waren.
  • Einige Komiker*innen entschuldigten sich später für den Auftritt am Festival und versprachen, ihre Gagen zu spenden – doch Human Rights Watch lehnte die Spenden ab.

Saudi-Arabien, das Land der Meinungsfreiheit? Zumindest, wenn es nach US-Comedian Dave Chapelle geht. «Hier fällt es mir leichter zu reden als in Amerika», hat er laut der New York Times an einem Comedyfestival in Saudi-Arabien gesagt.

Ausgerechnet in Saudi-Arabien, in dem Land, das vor ein paar Monaten den Journalisten Turki al-Jasser hinrichten liess, weil er auf X die saudische Königsfamilie kritisiert hatte. In dem Land, in dem auf Homosexualität die Todesstrafe steht und Frauen einem männlichen Vormund unterliegen.

Am Riyadh Comedy Festival traten neben Chappelle auch Kevin Hart, Pete Davidson, Bill Burr und Jimmy Carr auf. Das Festival fand vom 26. September bis 9. Oktober statt.

«Angeekelt und zutiefst enttäuscht»

Die Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch warnte, das Festival solle nur von Menschenrechts-Verletzungen ablenken und das Image des Landes aufpolieren. Die Regierung investiert dafür in Tourismus, Unterhaltung und Sport. So erhielt Saudi-Arabien kürzlich die Fussball-WM der Männer 2034 und kaufte über einen Staatsfonds den Spielehersteller Electronic Arts (EA).

Das Festival fiel zudem auf den siebten Jahrestag der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi. Human Rights Watch rief die Comedians deswegen auf, sich klar gegen die Menschenrechts-Verletzungen in Saudi-Arabien zu positionieren.

Der Journalist Jamal Khashoggi wurde 2018 von der saudischen Regierung brutal ermordet.
Der Journalist Jamal Khashoggi wurde 2018 von der saudischen Regierung brutal ermordet.
KEYSTONE

Auch von ihren Kolleg*innen wurden die auftretenden Comedians kritisiert. David Cross schrieb: «Ich bin angeekelt und zutiefst enttäuscht über diese ganze widerliche Sache.» Marc Maron sagte: «Der gleiche Typ, der sie bezahlen wird, ist derjenige, der den Typen bezahlt hat, der Jamal Khashoggi mit einer Knochensäge zerstückelt hat.»

Einige der Comedians verteidigten ihren Auftritt am Festival daraufhin. «Ein Reporter wurde von der Regierung getötet. Das ist bedauerlich, aber keine Sache, für die ich alles riskiere», sagte Jim Jefferies in einem Podcast.

Tim Dillon meinte: «Sie bezahlen mir genug, damit ich wegschaue.» Nach eigener Aussage sei er aber wieder ausgeladen worden, nachdem er Witze über Saudi-Arabien gemacht habe. Für seinen Auftritt hätte er 375 Tausend Dollar erhalten sollen. Laut Dillon bekamen andere Angebote von bis zu 1,6 Millionen Dollar.

Vertrag unterband Witze über saudische Regierung

Ganz frei reden konnten die Comedians am Festival offenbar nicht. Die Komikerin Atsuko Okatsuka erzählte, auch sie habe ein Angebot erhalten, es aber abgelehnt. Später veröffentlichte sie Ausschnitte des Vertrags, der ihr zugestellt wurde.

Die auftretenden Komiker*innen dürften kein Material zeigen, «das als herabwürdigend, diffamierend oder reputationsschädigend gegenüber Saudi-Arabien, seiner Regierung und Rechtssystem, der Königsfamilie oder jeder Religion sowie religiöser Traditionen und Persönlichkeit gesehen werden könnte», heisst es darin.

Nun liegen die Auftritte der Comedians bereits in der Vergangenheit. Und die reagieren auch rückblickend verschieden auf die anhaltende Kritik. Bill Burr schwärmte von seinem Auftritt: «Man merkte einfach, dass es dort einen richtigen Hunger nach Comedy gibt.» Für ihn sei es einer seiner besten Auftritte gewesen.

Jessica Kirson, die offen lesbisch ist und als eine der wenigen Frauen auftrat, entschuldigte sich für ihre Teilnahme. Sie sei «überrascht» gewesen, als sie gebeten wurde, dort aufzutreten, erklärte sie gegenüber dem Magazin «The Hollywood Reporter». Daher habe sie verlangt, dass sie «sich auf der Bühne offen als Lesbe outen und queeres Material aufführen» könne. «Ich hoffte, dass dies LGBTQ+-Menschen in Saudi-Arabien helfen könnte, sich gesehen und wertgeschätzt zu fühlen», sagte sie weiter. In Saudiarabien sind homosexuelle Handlungen verboten und können mit dem Tod bestraft werden.

Human Rights Watch will Spenden der Komiker*innen nicht

Dass sie den Auftritt gemacht hätte, bereue sie heute. «Ich bedaure zutiefst, dass ich unter einer Regierung aufgetreten bin, die fortlaufend grundlegende Menschenrechte verletzt.» Ihre Gage habe sie an eine Menschenrechts-Organisation gespendet, deren Namen sie aber nicht spezifiziert.

Auch andere Komiker*innen versprachen im Nachhinein, die Gage zu spenden. Aziz Ansari wollte einen Teil des Geldes Human Rights Watch geben. Doch die Organisation lehnte ab. In einer Stellungnahme gegenüber «Variety» erklärte ein Sprecher, man könne solche Spenden nicht annehmen. Human Rights Watch nimmt grundsätzlich kein Geld an, dessen Ursprung oder Bedingungen ihre Unabhängigkeit oder Glaubwürdigkeit gefährden könnten.


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