Grammy-Gewinner Reto Peter «Vielleicht liegt es am Wohlstand in der Schweiz»

Von Bruno Bötschi

8.2.2023

Der Aargauer Reto Peter hat einen Grammy geholt. Der Toningenieur spricht über einen der schönsten Tage seines Lebens und darüber, warum Schweizer Musikschaffende kaum international reüssieren.

Von Bruno Bötschi

8.2.2023

Reto Peter, herzliche Gratulation zum Grammy in der Kategorie «Best Children’s Music Album» mit den Alphabet Rockers. Hast du schon richtig realisiert, was am Sonntag in Los Angeles alles passiert ist?

Noch nicht ganz. Es war ein sehr langer, gleichzeitig aber auch ein wunderbarer Tag.

Erzähl bitte noch etwas mehr davon.

Die Grammy-Feierlichkeiten begannen kurz nach Mittag. Vor der eigentlichen TV-Show, die am frühen Abend live im Fernsehen übertragen wurde, fand im Microsoft Theater die sogenannte «Premiere Ceremony» statt. Während dieser Show wird der Grossteil der Grammys verteilt – unter anderem auch jener für das beste Kindermusik-Album, den die Alphabet Rockers gewonnen haben.

Es heisst, die «Premiere Ceremony» sei der Ort, an dem Grammy-Nominierte zum ersten Mal zu Grammy-Gewinner*innen werden, an dem Karrieren gemacht werden und Träume Wirklichkeit werden.

So ist es. Es sassen mehrere Tausend Musikschaffende in der Halle und alle waren total chic angezogen. Es war einfach genial.

Wie ging es danach weiter?

Gegen 17 Uhr gingen wird rüber in die «Crypto.com»-Arena, wo kurz danach die grosse TV-Show begann und die Grammys in den Hauptkategorien vergeben wurden.

Dir blieb demnach gar keine Zeit, um auf euren Erfolg anzustossen?

Zum ersten Mal angestossen haben wir an der After-Party, die im Anschluss an die TV-Show stattfand. Ich war dort zusammen mit meiner Frau, die mich an die Grammy-Verleihung begleitet hat, und mit den Musiker*innen der Alphabet Rockers.

Allerdings waren wir schon etwas müde von den zwei Award-Shows. Wir blieben deshalb nicht sehr lang dort. Wenn wir morgen zurück nach Oakland reisen, wo ich seit fast zwei Jahrzehnten lebe, werden wir aber ganz sicher noch einige Male mit meinen Freund*innen auf den gewonnenen Grammy anstossen.

Die Alphabet Rockers machen Hip-Hop-Musik. Kannst du noch etwas mehr über die Band erzählen?

Die Alphabet Rockers sind ein Hip-Hop-Kindermusik-Kollektiv, das wie ich in Oakland daheim ist. Geleitet wird es von Kaitlin McGaw und Tommy Shepherd. Beide sind sehr engagiert im sozialen Bereich. Kaitlin und Tommy besuchen auch regelmässig Schulen und organisieren Workshops. Wir kennen uns schon einige Jahre. Umso mehr freute es mich, als sie mich fragten, ob ich bei ihrem Album «The Movement» mitarbeiten will.

Welches waren genau deine Aufgaben bei der Produktion des Albums?

Von ingesamt 13 Songs auf der Platte habe ich acht in meinem Musikstudio abgemischt.

Du bist in Aarau aufgewachsen, lebst jedoch seit fast 30 Jahren in den USA. Wie kommt’s?

Ich zog 1994 nach Boston, um am Berklee College of Music die Ausbildung als Tontechniker und Produzent zu machen. Schuld, dass ich damals in die USA ging, ist übrigens Fritz Renold aus dem solothurnischen Schönenwerd, dessen Familie diesmal auch für zwei Grammys nominiert war.

Fritz unterrichtete einige Jahre am Berklee College of Music als Lehrer.  Nach dem Studium arbeitete ich während drei Jahren im legendären Magic Shop Studio in New York. Danach zog ich nach Oakland, wo ich mein eigenes Musikstudio aufgebaut habe.

Du hast schon mit weltbekannten Bands wie «Green Day» zusammengearbeitet, bist aber auch nach wie vor regelmässig für Schweizer Künstler*innen tätig – etwa für Adrian Stern, Eliane, Kunz und Florian Ast. Wie kommt's?

Ich bin in Aarau in einer musikalischen Familie aufgewachsen. Meine Mutter arbeitete viele Jahre als Musiktherapeutin. Im Alter von sieben Jahren fing ich an, Schlagzeug zu spielen, später war ich Mitglied in verschiedenen Bands.

Viele meiner Freund*innen von damals machen nach wie vor Musik und wir stehen bis heute noch regelmässig in Kontakt. Ich bin mindestens ein-, zweimal im Jahr auf Besuch in meiner alten Heimat. Das Produzieren von Schweizer Musiker*innen macht mir extrem viel Spass.

Es ist erst der neunte Grammy Award, den ein Schweizer Musikschaffender gewinnen konnte. Warum fällt es Künstler*innen hierzulande so schwer, sich auch international durchzusetzen?

Eine gute Frage – aber ehrlich gesagt: So genau kann ich dir das auch nicht erklären. Lange Zeit hatte ich das Gefühl, dass es vielleicht am Wohlstand in der Schweiz liegen könnte. Aber ich weiss nicht, ob das wirklich stimmt. Eine Schwierigkeit ist sicher, dass Schweizer Musiker*innen, die auf Mundart singen, nur ein sehr kleines Einzugsgebiet haben.

Schweden ist bevölkerungsmässig vergleichbar mit der Schweiz, feiert aber auf dem internationalen Musikmarkt deutlich grössere Erfolge als wir. Warum ist dem so?

Ich weiss es nicht – an der musikalischen Ausbildung kann es auf alle Fälle nicht liegen, die ist in der Schweiz ähnlich gut. Und ich finde auch in Sachen Songwriting tut sich in unserem Land sehr viel. Ich jedenfalls mag die Musik, die aus der Schweiz kommt.

Dein Tipp an Schweizer Musiker*innen, die auch international Erfolg haben wollen?

Immer weitermachen und an sich selber glauben – und ganz wichtig: Make the record you wanna make.

Wo wirst du den Grammy Award aufstellen?

Er wird einen Ehrenplatz in meinem Tonstudio bekommen. Aber zuerst muss ich ihn noch bekommen. 

Du hast ihn noch nicht bekommen?

Nein. Die Grammy Awards müssen erst alle noch graviert werden, bevor sie danach an alle Künstler*innen und weiteren beteiligten Menschen verschickt werden.


Die ganze 65. Grammy-Verleihung mit den launigen Einschätzungen der beiden blue News Moderatoren Frank Richter und Manuel Kellerhals kannst du dir auf blue Music ansehen.

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