Yannis Voisard, bald 26-jährig, als Späteinsteiger aber doch am Anfang seiner Profikarriere, fährt an der Tour de Romandie für das Schweizer Team Tudor aufs Gesamtklassement. Die Top Ten liegen drin.
Der Prolog in Payerne über 2,3 km hat noch wenig Aussagekraft. Sicher durchkommen zählt mehr als die paar Sekunden, die allenfalls mit riskanter Fahrweise um die Kurven herausgeholt werden können. Yannis Voisard blickt mit einem Handicap von acht Sekunden auf den siegreichen Teamkollegen Maikel Zijlaard auf einen geglückten Einstieg zurück. Dies in einem Feld, das stärker besetzt ist als im Vorjahr.
Dem Jurassier aus der Ajoie kommt in der Tour de Romandie 2024 eine Rolle zu, von der mancher Profi träumt. Voisard darf für das Schweizer Team Tudor Pro Cycling auf das Gesamtklassement fahren. Dieses Privileg hat er sich selbstredend erarbeitet. Vor anderthalb Wochen schloss er die Overall-Wertung im Giro d'Abruzzo im fünften Gesamtrang ab – knapp hinter dem Tour-de-France-Dritten Adam Yates, der heuer auf der Schleife durch die Westschweiz den Vorjahressieg wiederholen will und am Dienstag im Prolog exakt gleich schnell wie Voisard unterwegs war.
Kälteresistent
«Die guten Resultate und die Gesundheit sind da», betont der Ajoulot. «Eine bessere Klassierung als 2023 liegt drin.» Mit dieser Aussage verweigert er im Prinzip eine Prognose. Denn einen 17. Rang müsste er schaffen, sofern er nicht durch Unvorhergesehenes zurückgebunden wird. Zumindest das garstige Wetter dieser Tage dürfte ihn nicht am Exploit hindern. «Mit der Kälte komme ich gut zurecht, zuletzt bei Paris-Nizza war ich jedenfalls resistent.»
Dass die Profi-Karriere von Voisard mit Verspätung Fahrt aufnahm, lässt sich begründen. Erst vergangenen Juli, nach dem Bachelor-Abschluss des Biologiestudiums an der Uni Neuchâtel, setzte er voll auf die Karte Sport. Das von Fabian Cancellara lancierte Schweizer Tudor-Team gab ihm diese Chance. Das neue, im Vergleich zur Uni etwas eintönigere Leben, bereitet dem Romand Freude, «auch weil es vorwärts geht.» Die Leistungen werden immer besser. Er könne nicht abschätzen, auf welchem Level er seine Limiten erreichen werde, meint der Radfahrer. Auch aus Sicht von Team Tudor liegt noch Potenzial brach. Dies lässt sich aus der Vertragsverlängerung bis Ende 2026 ablesen. «Dieses Vertrauen tut gut», betont der Sportler.
In Sachen Gesamtklassement bei Rundfahrten ist Voisard nach dem Tod von Gino Mäder und bis zu jenem Moment, in dem Jan Christen bei UAE Emirates seine Chance erhalten wird, die grösste Schweizer Hoffnung. Der schmächtige Kletterer, der als seine Lieblingsstrecke im Training den Anstieg zum Chasseral angibt und der trotz dem kalorienreichen Lieblingsgericht Spaghetti Carbonara nur 58 kg auf die Waage bringt, findet am Donnerstag und Samstag mit den Zielankünften in Les Marécottes und Leysin das bevorzugte Terrain vor. Vom Tagessieg will er nicht sprechen: «Klar, es ist ein Traum. Aber man muss realistisch bleiben. Das Niveau im Feld ist hoch. Aber ja: je steiler, desto besser für mich.»
Viel von Cancellara gelernt
Grossen Einfluss aufs Gesamtklassement wird auch das Zeitfahren am Freitag in Oron über 15 km haben. In dieser Disziplin, so Voisard, hätten ihm die Inputs von Team-Besitzer Fabian Cancellara weitergebracht. Der Olympiasieger 2008 und 2016 im Kampf gegen die Uhr lehrte ihn, dass Zeitfahren aus mehr besteht als nur Kraft und Ausdauer. «Die mentale Vorbereitung, das Material, die Sitzposition, das Aufwärmen, all das habe ich nochmals neu kennengelernt», sagt der Jurassier.