Im Spätsommer nach den Weltmeisterschaften macht sich keinesfalls Kehraus-Stimmung breit. Für die Schweizer Asse ist die Leichtathletik-Saison noch heiss.
«Bereit, schnell, stark», umschreibt Jason Joseph seine derzeitige Verfassung. Man spürt, dass der Basler mit dem Sommer 2023 noch eine Rechnung offen hat, die er bei den ausstehenden Meetings begleichen will. Zwar senkte er den Schweizer Rekord über 110 m Hürden auf 13,10 Sekunden, aber die 13er-Marke, die den Eintritt in die absolute Weltklasse markiert, will nicht fallen.
Auf die Frage, worauf der Glaube beruhe, dass bald eine Zwölf aufleuchten werde, meint der 24-Jährige keck: «Das ist kein Glaube, sondern Wissen. Die erste Rennhälfte ist auf Zwölfer-Kurs, der zweite Teil, eigentlich meine Stärke, ist auf Zwölfer-Kurs. Ich muss es nur noch zusammensetzen.»
Auf den Geschmack kam Joseph im März als Hallen-Europameister von Istanbul. 7,41 Sekunden über 60 m Hürden belegen das Potenzial für eine Zeit unter 13 Sekunden über 110 m Hürden zweifelsfrei. «Dieser Gedanke begleitet mich ständig», gibt Joseph zu. «Ich bin noch angespannt.»
Es hat Klick gemacht
Ditaji Kambundji wirkt etwas gelassener. Sie hat diesen August die markante Verbesserung über 100 m Hürden hingekriegt, nach der sich Joseph sehnt. Ende Juli stand ihr persönlicher Bestwert noch bei 12,70 Sekunden, nun hat sie schon drei Rennen im Bereich um 12,50 gezeigt.
«Es hat Klick gemacht, jetzt suche ich die Konstanz», sagt die Bernerin. Sie weiss, dass sie der Weltspitze näher und näher kommt. Um den nächsten Schritt vorzubereiten, will die 21-Jährige ihre Leistung konsolidieren. «Ich habe ein Jahr mehr Erfahrung, das hilft mir sehr viel», betont sie auf die Vergangenheit mit dem Wechsel zwischen Top und Flop angesprochen. Sie könne nun aggressiv, aber trotzdem technisch sauber laufen. «Aber ich sehe noch viele Jahre vor mir, in denen ich trainieren und mich verbessern kann.»
Heuer nur noch Weitsprung
Simon Ehammer bestreitet heuer nur noch Wettkämpfe im Weitsprung, auf einen Zehnkampf verzichtet er – als Vorsichtsmassnahme wegen der hartnäckigen Entzündung beim Bizeps in der rechten Schulter. «Ich bin eigentlich noch froh, dass mir die Verletzung den Entscheid abgenommen hat, in welcher Disziplin ich in Budapest starten soll», sagt er.
Dem vorzeitigen Out im Weitsprung-Final von Budapest, wo er einen sehr weiten Sprung nur um sieben Millimeter übertrat, trauert er kaum noch nach: «Letztes Jahr habe ich dank einem Zentimeter Vorsprung Bronze gewonnen, heuer gehe ich wegen sieben Millimeter leer aus. Es gleicht sich aus, aber diese Erfahrungen machen mich stärker.»
Das Jahr 2023 erachtet er als Jahr der Bestätigung, nachdem ihm 2022 mit drei Medaillen an drei Grossanlässen und zahlreichen Rekorden alles geglückt war. «2023 sieht für mich besser aus, als es gegen aussen den Anschein macht», betont er. «Ohne die Schulterverletzung hätte ich im Zehnkampf 8600 Punkte geliefert.» Nun steht sein Rekord immer noch bei 8468 Zählern aus dem Vorjahr.
«Meine Form stimmt», sagt Ehammer. Nur zu gerne würde er dies noch in einem Zehnkampf unter Bewies stellen. Aber eben: Knapp ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris macht es keinen Sinn, ein Risiko mit der lädierten Schulter einzugehen. Immerhin winkt ihm als Sieger des Diamond-League-Meetings von Oslo noch die Chance, bei den Spezialisten im Weitsprung weitere Glanzlichter zu setzen.