Jan Scherrer mischt in der Halfpipe der Snowboarder die Weltelite auf. Nach seinem Bronze-Run verrät der Toggenburger sein Erfolgsrezept und sagt, wie alles seinen Lauf nahm.
Jan Scherrer, als Kind schauten Sie den Snowboardern in Laax zu und bewunderten Shaun White und seine Tricks. Jetzt haben Sie eine Bronzemedaille gewonnen, vor Shaun White. Was empfinden Sie?
«Ich könnte mich nicht besser fühlen. Noch fühlt sich alles recht surreal an. Es hat hier recht wenig Leute, aber ich habe mein grösstes Ziel erreicht. Dass mir das in Shaun Whites letztem Wettkampf gelingt und wir uns im Ziel umarmen, er von den Emotionen übermannt wird und sich für mich freut, das ist schön.»
Was für Bilder haben Sie im Kopf, wenn Sie an den langen Weg zu dieser Olympia-Medaille denken?
«Ich denke an mich als Kind, wie ich im Alter von vier bis sieben Ski gefahren bin, wie ich Leute auf dem Snowboard sah und fand, das sähe viel cooler aus. Ich erinnere mich an meinen Vater, der meine Motivation fürs Snowboardern gesehen hat, der mich immer unterstützt, aber nie gepusht hat. Und an mein Mami, das zuhause alles arrangiert hat. Ich erinnere mich, wie ich als Kind Bilder vom Halfpipe-Final der Snowboarder 2002 in Salt Lake City gesehen habe und den Fahrern mit ihren lustigen Frisuren und coolen Kopfhörern. Das war für mich das Grösste! Richtig ins Laufen kam alles aber erst, als ich mit 15 Jahren in Davos ans Sportgymnasium ging. Ab da wuchs der Leistungsgedanke.»
Pepe Regazzi, der Schweizer Nationaltrainer, spricht jeweils von den vielen Puzzleteilen, die für den Erfolg passen müssen. Welches sind die wichtigsten für Sie?
«So ganz kenne ich die Antwort nicht, aber das wichtigste Teil ist wohl der Kopf. Körperlich musst du natürlich auch sehr parat sein, auch damit du Stürze unverletzt überstehst. Kraft und Ausdauer sind wichtig, aber wenn es im Kopf nicht stimmt, nützt dir der stärkste Körper nichts. Entscheidend in meinem Fall ist auch, dass sich mein Fokus verschoben hat. Ich orientierte mich früher viel zu sehr an den Anderen, schaute immer, was diese machten, anstatt zu tun, was ich selber am besten konnte. Dass ich erkannt habe, dass die Alley-oop-Spins meine grosse Stärke sind, dass ich in diesem Bereich der Beste bin und diese Stärke fördern sollte, ist ein wichtiger Schlüssel. Es wäre falsch gewesen, die anderen nachzuahmen und nicht darauf zu setzen.»
Der Coach nennt als weiteren Faktor, dass Ihr Leben gut ausbalanciert ist.
«In meinem Leben passt tatsächlich alles. Ich habe geheiratet, werde bald Vater. Ich hatte am Anfang Angst, dass mir alles zu viel werden könnte. Stattdessen gelingt es mir dank der Familie perfekt, abzuschalten. Bin ich im Training, bin ich mit dem Kopf voll da. Bin ich weg vom Berg, denke ich nicht mal ans Snowboarden. Diesen Abstand zu bekommen tut gut.»
In den nächsten Monaten werden sich Ihre Prioritäten verschieben.
«Die Familie wird ab dem Frühling sicher für ein paar Monate uneingeschränkt im Zentrum stehen. Darauf freue ich mich mega. Das ist aber definitiv kein Rücktritt, nicht dass ihr mich falsch versteht.»
Note:
Präzisierung in der zweiten Antwort (2010 gestrichen)