Nach zwei Testspielen und null Gegentoren ist beim Nationalteam das Vertrauen in die Defensive zurück. In der Offensive sucht Trainer Murat Yakin nach Alternativen.
Es sind Worte, die erstaunen. Als Murat Yakin auf die Situation im Angriff angesprochen wird, fallen plötzlich Namen wie Haris Seferovic und Joël Monteiro. «Für Seferovic ist die Tür nicht zu», sagt der Nationaltrainer. Und zu Monteiro, dessen Einbürgerung noch nicht abgeschlossen ist, meint er: «Wir hätten ihn gerne schon jetzt dabei gehabt.»
Wie kam es zu diesen Aussagen? Am Ursprung liegt das «neue» System mit drei Innenverteidigern, das wahrscheinlich auch das EM-System sein wird. Yakin, der in der Qualifikation nur zweimal in dieser Aufstellung spielen liess, zeigte sich jedenfalls überzeugt, dass die Dreierkette mit zwei Aussenläufern am besten zu den Fähigkeiten seiner Spieler passe.
Das System stabilisierte die Abwehr und brachte Gewinner hervor wie Fabian Schär, der lange nicht mehr gesetzt war, nun aber zweimal von Beginn an spielte und überzeugte. Dan Ndoye, der sich auf der linken Seite etablierte, dürfte ebenfalls zufrieden mit dem Zusammenzug sein. Und in der Mitte bewies Debütant Vincent Sierro, dass er eine valable Alternative sein kann.
Okafor fällt ab
Das System produzierte aber auch Verlierer. Dazu gehörte die Offensivabteilung, die in den letzten fünf Partien nur drei Treffer sammelte, und auch in den Testspielen für wenig Torgefahr sorgte. Vorab Noah Okafor, der bei Milan in dieser Saison fünfmal getroffen hat, musste unten durch. Gegen Dänemark, dem stärkeren der beiden Testspiel-Gegner, tauchte er kaum auf, hatte gemäss Statistik in 65 Minuten weniger Ballkontakte als der in der 37. Minute ausgewechselte Goalie Yann Sommer. Gegen Irland kam Okafor erst in der Schlussviertelstunde aufs Feld.
Aber auch Ruben Vargas und Zeki Amdouni konnten bei diesem Zusammenzug nicht viel Werbung für sich machen. Letzterer holte gegen Irland immerhin den Freistoss heraus, der zum Tor führte. Und Vargas, der im zweiten Spiel verletzt aussetzte, muss sich keine Sorgen machen. Er hat in der Qualifikation gezeigt, dass er auf der Seite mehr ausrichten kann als auf der Position des Zehners. «Es sind junge Angreifer, bei denen ich hoffe, dass sie bald den nächsten Schritt machen», sagt Yakin.
Zeit drängt für Embolo
Aufgrund der fehlenden Durchschlagskraft im Angriff, wundert es nicht, dass Yakin seit Tagen auf Breel Embolo angesprochen wird. Der 27-Jährige hat in seinen letzten sechs Pflichtspielen mit dem Nationalteam vier Tore geschossen. Mit seiner Wasserverdrängung bringt er etwas mit, was den jungen Angreifern wie Amdouni, Vargas oder Okafor noch fehlt. Jedoch datiert sein letzter Einsatz vom 3. Juni des letzten Jahres, in dieser Saison hat er aufgrund eines Kreuzbandrisses noch kein Spiel mit Monaco bestritten.
Dass seine Rückkehr bevorsteht, freut den Nationaltrainer. «Breel zu ersetzen, ist nicht einfach», sagt Yakin, der warnend anfügt: «Es wäre aber falsch, im Angriff nur auf ihn zu hoffen.» Denn wer lange ausgefallen ist, braucht auch eine Weile, um wieder zu alter Stärke zu finden. Als Faustregel nimmt man diesbezüglich meist die Hälfte der Ausfalldauer, was in Embolos Fall vier Monaten entsprechen würde. Die EM fängt jedoch bereits in zweieinhalb Monaten an.
Weitere Alternativen
Es braucht daher weitere Optionen, womit man wieder bei Yakins Aussagen zu Seferovic und Monteiro wäre. Der 32-jährige Seferovic, 93-facher Nationalspieler, spielte spätestens nach seinem Wechsel nach Dubai auf diese Saison hin keine Rolle mehr im Nationalteam. Mit Al-Wasl hat er in 23 Partien 11 Tore geschossen – ein ansehnlicher Wert, den es jedoch zu relativieren gilt. Das sportliche Niveau der Liga ist klar tiefer als in Europa und der Stürmer ist nicht immer gesetzt. Dem «Blick» sagte er im Dezember, dass er einem EM-Aufgebot Folge leisten würde, aber nicht mit einem rechne.
Der 24-jährige Monteiro würde mit 1,91 m Körpergrösse das mitbringen, wonach Yakin sucht. In seinem dritten Jahr mit Meister YB ist er in Fahrt gekommen und steht derzeit bei acht Treffern. Zuletzt stand der im Wallis aufgewachsene Portugiese in den Schlagzeilen, weil das internationale Zentrum für Sportstudien (CIES) ermittelte, dass 30,8 Prozent seiner Abschlüsse im Tor landeten. Das ist Bestwert – noch vor Real-Stürmer Jude Bellingham.
Doch wie realistisch ist es, dass Seferovic zurückkehrt oder Monteiro als Neuling gleich mit zur EM genommen wird? Yakin sagte dazu: «Wir werden den Saisonschluss intensiv beobachten. Jeder Spieler kann sich noch aufdrängen.» Dazu zählt Dereck Kutesa, der gegen Irland ebenfalls zu seinem Debüt kam. Im Blick halten wird der Nationaltrainer aber auch Cedric Itten, Steven Zuber und Andi Zeqiri, die es nur auf die Pikettliste geschafft haben. Am 17. Mai präsentiert der Nationaltrainer das EM-Aufgebot.