US Open Novak Djokovic – unersättlich, unfassbar, umjubelt

sda

11.9.2023 - 11:57

Novak Djokovic ist auch mit 36 Jahren eine Klasse für sich. Nach seinem 24. Grand-Slam-Titel am US Open macht er seinen jüngeren Konkurrenten wenig Hoffnung. Für den Sport ist der Serbe ein Segen.

Keystone-SDA, sda

Daniil Medwedew spricht nach dem verlorenen Final in New York aus, was viele denken. Im Scherz zwar, aber eben doch auch der Verzweiflung nahe. «Was machst du noch hier», fragte der Russe vor über 23'000 Zuschauern. «Wann hast du im Sinn, es endlich etwas ruhiger angehen zu lassen?» Nicht so bald.

Djokovic spielt auch in diesem Jahr wieder eine herausragende Saison. 27 von 28 Partien hat er bei den vier Grand-Slam-Turnieren gewonnen – und das zum dritten Mal nach 2015 und 2021. Entsprechend trauert der seit Sonntag älteste Sieger der US-Open-Geschichte dem in fünf Sätzen gegen Carlos Alcaraz verlorenen Final von Wimbledon nach, wenn auch nicht lange. «Seien wir ehrlich: Ich habe so viel mehr, über das ich mich freuen kann», betonte er.

Eine neue Rivalität

Grundsätzlich tut ihm die neue Rivalität mit dem sechzehn Jahre jüngeren Alcaraz gut. «Er hatte Glück, dass Leute wie Rafa Nadal und Roger Federer vor ihm da waren», denkt Djokovics Coach Goran Ivanisevic. «Sie haben ihn gepusht.» Nun ist dies Alcaraz, den der Serbe in den höchsten Tönen lobt, als Tennisspieler wie auch als Mensch.

Für das Tennis ist dies ein Glücksfall, wenn auch nicht für die Generation zwischen den beiden. Viele fürchteten eine Krise, wenn Federer (schon zurückgetreten) und Nadal (im Vorruhestand) einmal nicht mehr da sind. Passiert ist das Gegenteil. Die Fans strömen in Massen in die Tennisstadien, das US Open stellte mit 799'402 Besuchern in den letzten zwei Wochen einen Rekord auf. Sämtliche 25 Sessions im riesigen Arthur Ashe Stadium waren ausverkauft, im zweiten Jahr in Folge.

Die Pandemie scheint weit weg, auch für Djokovic. Mit seiner Weigerung, sich impfen zu lassen, polarisierte er über die Sportwelt hinaus. Nun ist schon fast vergessen, dass er noch vor einem Jahr in New York fehlte, weil er keine Einreiseerlaubnis in die USA erhielt. Er verpasste deswegen zwei sehr gute Chancen auf weitere Grand-Slam-Titel, den Rekord hält er mit nun deren 24 trotzdem.

Ein geborener Sieger

Auch wegen seines zuweilen übertrieben aggressiven Auftretens auf dem Platz ist Djokovic nicht jedermanns Liebling. Doch die Menschen wollen in spielen sehen, sie bewundern seine Athletik, seine Leidenschaft, seinen unbändigen Willen. So etwas könne man nicht lernen, glaubt Ivanisevic. «Er ist ein geborener Sieger. Er ist einmalig, deshalb ist er der Beste.»

Und Djokovic ist lernfähig. Ähnlich wie Federer und Nadal in der späteren Phase ihrer Karriere, wenn der Körper ein klein wenig nachlässt, hat er sein Spiel etwas umgestellt und spielt offensiver. Noch immer ist Djokovic ein Defensivkünstler par excellence, im Final gegen Medwedew machte er den Unterschied aber mit seinem eklatant verbesserten Netzspiel – wohl ein Einfluss des einst brillanten Serve-and-Volley-Spielers Ivanisevic.

Bis Olympia 2028?

Schliesslich kann Djokovic auch äusserst respektvoll und charmant sein. Nach der Niederlage gegen Alcaraz in Wimbledon zeigte er sich als ausgesprochen fairer Verlierer, am US Open begeisterte er die amerikanischen Fans mit einer Hommage an die tödlich verunglückte Basketball-Legende Kobe Bryant, einen engen Freund, mit dem er oft über «Winner-Mentalität» gesprochen habe.

Medwedew konnte er nicht viel Hoffnung geben. «Auch ich werde einmal den Stab an Jüngere weitergeben, so in 23, 24 Jahren», scherzte Djokovic. Schon eher ernsthaft war Ivanisevic mit seiner Vermutung, dass sein Schützling bis Olympia 2028 in Los Angeles weitermachen werde. Ein Olympiasieg ist – neben dem Kalender-Grand-Slam – die letzte Lücke im Palmarès von Djokovic. Er wird sie schon nächstes Jahr in Paris füllen wollen. Sein Siegeshunger ist jedenfalls noch lange nicht gestillt.