Teil 27 Offside! Ein Wort, das Millionen bewegt (27/40)

Beni Thurnheer

20.6.2018

«Offside!», schreien die Leute, und wenn der Schiedsrichter-Assistent dies auch so sieht, zeigt er es mit seiner Fahne an. Dann pfeift der Schiedsrichter, und der Stürmer, der eben im Begriff war, alleine auf den Torhüter loszueilen, bricht seinen Lauf ab und lässt den Ball enttäuscht liegen.

Was soll nun das schon wieder?

Offside heisst abseits. Der Stürmer stand offenbar irgendwie auf der falschen Seite.

Über nichts wird im Fussball so häufig und so leidenschaftlich diskutiert wie über die Offside-Regel. Sie besagt im Wesentlichen, dass man einem Mannschaftskollegen den Ball nur dann vorwärts zuspielen darf, wenn zwischen diesem Mitspieler und der Torlinie noch mindestens zwei Gegner stehen.

Damit wird verhindert, dass ein Stürmer einfach vor dem gegnerischen Tor wartet. Ohne diese Regel gäbe es kaum mehr ein gepflegtes, konstruktives Zusammenspiel, die Bälle würden einfach planlos vors gegnerische Tor gedroschen.

War es Offside oder nicht? Diese Frage kann die Gemüter noch lange nach einem Spiel bewegen. Selbst im Zeitalter der Fernseh-Zeitlupen-Wiederholungen ist der Tatbestand selten eindeutig, weil auch die Kamerawinkel das Bild verzerren. Der Stürmer darf sich im Extremfall auf der gleichen Höhe, das heisst gleich weit von der Torlinie entfernt befinden wie der vorletzte Gegner. Dies ist meist der hinterste Feldspieler, weil ja im Normalfall noch der Goalie dahinter steht.

Gesucht: Gute Augen

Der entscheidende Zeitpunkt für das Urteil ist der Moment, in welchem der Mitspieler den Pass gibt, also der Augenblick der Ballabgabe. Die Unparteiischen müssen folglich einerseits kontrollieren. wann genau der Ball gekickt wird, und gleichzeitig feststellen wie zum Beispiel 50 Meter davon entfernt der vorderste Stürmer und der zweithinterste Abwehrspieler zueinander stehen. Ein Wunder, dass nicht mehr schielen!

Ein guter Unparteiischer merkt, dass sich ein solcher Pass anbahnt, und konstatiert dessen Zeitpunkt nur noch mit dem Gehör, währenddem sich seine Augen auf die Offside-Front richten. Die Offside-Beurteilung gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben der Schiedsrichter-Assistenten. Sie bewegen sich immer so der Seitenlinie entlang, dass sie für die Beurteilung einer allfälligen Offside-Position den idealen Standpunkt einnehmen, nämlich auf der Höhe des hintersten Verteidigers. Die Schiris verlassen sich voll auf sie!

Die Zuschauer, welche immer nur dem Ball nachschauen, sehen die Konstellation meistens etwa eine Sekunde zu spät. Dann ist der Stürmer längst am Verteidiger vorbei und über alle Berge, und alle schreien «Offside!» und regen sich fürchterlich auf, wenn es der Unparteiische «nicht gesehen» und das Tor anerkannt hat. Wieso gab der Schiri das Offside nicht? Weil er die Situation früher, nämlich zum richtigen Zeitpunkt, beurteilte und es eben gar keines war!

Noch verwirrender wird die Situation, wenn der Goalie sein Tor ausnahmsweise verlassen hat und nicht mehr hinterster Mann seines Teams ist. Die in den meisten Zuschauerköpfen fest verankerte Regel Der Stürmer darf nicht vor dem letzten Verteidiger stehen, welche zur Beurteilung der Offsidefrage in den meisten Fällen ja auch genügt, stimmt jetzt nicht mehr. ZWEI Spieler müssen zwischen dem fraglichen Angreifer und der Torlinie vorhanden sein, in Abwesenheit des Torhüters also zwei Feldspieler und nicht bloss einer.

Abseits muss nicht unbedingt ein Regelverstoss sein

Die Abseitsstellung eines Spielers ist aber erst ahndungswürdig, wenn er zum Zeitpunkt, wenn der Ball einen seiner Mannschaftskollegen berührt oder von einem gespielt wird, aktiv am Spielgeschehen teilnimmt, indem er ins Spiel eingreift oder einen Gegner beeinflusst oder aus seiner Stellung einen Vorteil zieht. Das sogenannte passive Abseits macht das Leben für Fussballlaien noch schwerer ...

Achtung! Bei jeder Ballberührung eines Angreifers gilt es, die Offside-Situation neu zu beurteilen!

Spieler dürfen den Platz nur mit gutem Grund und mit ausdrücklicher oder stillschweigender Genehmigung des Referees verlassen. Ein kurzes Austreten zur Beeinflussung einer Offside-Konstellation ist weder statthaft noch regelwirksam.


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