Vor der langen Durststrecke zwischen 1966 und 1994 ist die Schweizer Nationalmannschaft regelmässig bei den Weltmeisterschaften dabei. Sie schreibt Geschichte und eine seltsame Tragikomödie.
1934: Der Schweizer Poldi
Den Superstürmer erkannte man in ihm nicht auf den ersten Blick. Leopold «Poldi» Kielholz war einer der wenigen WM-Teilnehmer, die mit Brille aufs Feld liefen. Im Mai 1934 gelang ihm im Mailänder San Siro der erste Schweizer WM-Treffer. Der Stürmer von Servette, der später auch für den FC Bern, St. Gallen und die Franzosen von Stade Reims spielte, traf in der ersten Halbzeit zweimal und legte die Basis zum 3:2 gegen die Niederlande.
Nur 16 Mannschaften waren 1934 am Start. So folgte auf den Achtelfinal gegen die Niederlande der Viertelfinal gegen die Tschechoslowakei. Auch da traf Kielholz nach 18 Minuten zum 1:0, doch es waren die Tschechen, die dank dem späten 3:2 in den Halbfinal einzogen.
Dass Kielholz im Sommer 1934 mit drei Toren für die Schweiz brillierte, erstaunte in der Heimat nicht. In den Monaten zuvor sorgte er in der Schweizer Meisterschaft unter Spielertrainer Karl Rappan bei Servette mit 40 Toren in 30 Partien für den Rekord, der noch heute Bestand hat. Auch seine Treffer-Bilanz in der Nationalmannschaft lässt sich sehen: 12 Tore in 17 Partien.
1954: Fünf Gegentore in neun Minuten
Es ist der bislang letzte WM-Viertelfinal, den die Schweiz bestritten hat, und es ist einer, der in allen Annalen seinen Platz hat. Nie sind in einem WM-Spiel mehr Treffer gefallen als die zwölf beim 5:7 gegen Österreich. Als «Hitzeschlacht von Lausanne» ist der Viertelfinal verewigt. Bei rund 40 Grad mussten die 22 Spieler auf der Pontaise durchhalten. Auswechslungen waren damals noch nicht erlaubt. Österreichs Goalie Kurt Schmied spielte die Partie mit einem Sonnenstich zu Ende.
Die meisten Tore fielen allerdings, noch bevor die Spieler erschöpft sein konnten. Nachdem die Schweiz unter anderem dank zwei Toren des Baslers Seppe Hügi in den ersten 19 Minuten mit 3:0 in Führung gegangen waren, konterten die Österreicher mit Treffern in den Minuten 25, 26, 27, 32 und 34. Nach 39 Minuten und dem Anschlusstreffer von GC-Stürmer Robert Ballaman stand es schon 4:5.
Für die Schweiz war das Out umso schmerzhafter, als sie eigentlich berüchtigt war für ihren Defensiv-Riegel. In Lausanne versagte das Konzept von Karl Rappan. Der 1995 verstorbene Wiener kassierte gegen seine Landsleute die wohl schmerzhafteste Niederlage seiner vier Amtszeiten und 77 Länderspiele als Schweizer Nationalcoach.
1966: Die Nacht von Sheffield
Der spätere Nationalcoach Köbi Kuhn stand 1966 im Zentrum des berühmtesten Schweizer WM-Skandals. Bemerkenswert ist dabei, dass die ganze Geschichte längst nicht so skandalös ist, wie der vielsagende Übername es vermuten lässt. Die «Nacht von Sheffield» war nicht mehr als eine 30-minütige Verspätung eines Nati-Trios während der WM 1966, der letzten mit Schweizer Beteiligung bis 1994.
Die Spieler Köbi Kuhn, Werner Leimgruber und Leo Eichmann verliessen am Vorabend des ersten WM-Matches gegen Deutschland in Sheffield das Hotel und lernten rasch zwei junge Frauen kennen, mit denen sie in einem Mini durch die Gegend fuhren. «Weil wir im Sport-Tenü nicht in ein Restaurant konnten, luden uns die Frauen auf ein Bier zu sich nach Hause ein. Etwa um 23.30 Uhr, rund 30 Minuten nach dem offiziellen Zapfenstreich, fanden wir uns wieder im Hotel ein», erzählt Köbi Kuhn die Geschichte in seiner Autobiographie.
Im Hotel wurden die verspäteten Spieler von Nationaltrainer Alfredo Foni empfangen, der das Trio für den Match gegen Deutschland sperrte. In den Schweizer Zeitungen sorgte die Geschichte für die grossen Schlagzeilen. Je öfter die Geschichte erzählt wurde, desto mehr wurde sie ausgeschmückt. Zeitweise hiess es sogar, Kuhn und Co. hätten den Anpfiff gegen Deutschland (0:5) wegen ihrer Eskapaden verpasst.
Verärgert über die übertriebene Strafe und die daraus entstandenen Konsequenzen wollte das Trio das Camp vorzeitig verlassen, zumal die Familien daheim Erklärungen verlangten. Um vor allem Starspieler Kuhn milde zu stimmen, wurden die Frauen der drei Spieler eingeflogen, was aber die Teamkollegen verärgerte, die auch gern ihre Familie bei sich gehabt hätten. Was folgte, waren zwei Niederlagen gegen Spanien und Argentinien sowie vor allem ein Rechtsstreit wegen Ehrverletzung zwischen den drei Spielern und dem Verband, der erst zwei Jahre nach der bald einmal legendären «Nacht von Sheffield» bereinigt wurde.
sda