Nach seinem Kreuzbandriss kehrt Alex Fiva beim Saisonauftakt der Skicrosser in Val Thorens ins Wettkampfgeschehen zurück. Kann der 37-jährige Weltmeister von 2021 an sein altes Niveau anknüpfen?
Zum 16. Mal steigt Alex Fiva in diesen Tagen in Frankreich in eine Weltcup-Saison. Selten begleitete ihn so viel Ungewissheit wie dieses Mal. Geht es nach dem Kreuzbandriss weiter wie zuvor oder markiert die schwere Verletzung im gehobenen Sportler-Alter einen Wendepunkt? Wird es seine letzte Saison oder hat er das Niveau noch, um weiter Richtung Heim-WM 2025 in St. Moritz und vierter Olympia-Teilnahme 2026 in Livigno nahe der Schweizer Grenze zu schielen?
Alex Fiva mag sich nicht versteifen. Der Olympiazweite von 2022 sagt: «Klar, meine Zukunft hängt von dieser Saison ab. Sehe ich eine Chance, dass ich weiterhin vorne mitfahren kann, dann will ich sicher weitermachen. Das Feuer brennt noch. Es muss aber alles passen.»
Neue Perspektive
Ziemlich genau ein Jahr wird sein letztes Rennen zurückliegen, wenn Fiva am Donnerstag in Val Thorens sein Comeback gibt; so lange ohne Wettkampf war er in seiner Laufbahn noch nie. Ein bisschen ungewohnt sei es gewesen, sagt der Bündner Routinier über seine Zeit während der Verletzung. Im ersten Rennen der letzten Saison hatte er sich einen Kreuzbandriss im linken Knie zugezogen – die grösste Verletzung seiner langen Karriere, wesentlich einschneidender als der Bandscheibenvorfall acht Jahre zuvor, der ihn an den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi zurückband, von dem er sich aber bereits nach wenigen Wochen mit einem Heimsieg in Arosa gut erholt zeigte.
Zwar diktierte der Rücken seither wiederholt das Trainingspensum, der Kreuzbandriss ist aber angesichts der langen Ausfallzeit einschneidender, besonders in seinem Alter. Einen ganzen Winter lang setzte ihn das Knie ausser Gefecht, verfolgte er die Rennen und Trainings seiner Kollegen sowie die Rücktritte seiner langjährigen Weggefährten Joos Berry und Brady Leman zuhause am Bildschirm mit, verrichtete er seine Arbeit als Athletensprecher und Mitglied des FIS-Rates aus dem Homeoffice.
Fiva, üblicherweise so etwas wie der omnipräsente Kapitän auf dem Dampfer der Skicrosser, war plötzlich aussen vor – und fand daran auch Positives. Er habe die Zeit zuhause bei Frau und Kindern sehr genossen, «Familienzeit pur» sei das gewesen, sagt der Vater eines Mädchens und eines Buben. Ein Rücktritt stand trotz der Vorzüge nie zur Debatte: «Die Gedanken drehten sich immer darum, möglichst schnell zurück zu sein. Ich spüre zwar schon seit einiger Zeit, dass das Karriereende näher rückt. Aber als ich mich verletzte, war für mich klar, dass das Kreuzbandriss nicht das Ende sein kann.»
Gutes Gefühl, schlechte Trainings
Auch dank seiner Frau, Physiotherapeutin von Beruf, verlief die Heilung nach zähen ersten Wochen wunschgemäss. Bereits im Juli trainierte Fiva wieder auf Schnee, jetzt ist er, im Gegensatz zum noch fehlenden Olympiasieger Ryan Regez, bereit fürs Comeback. «Das Gefühl ist super. Das Knie macht keine Probleme, es fühlt sich nach 100 Prozent an», sagt Fiva. Die Kraftwerte stimmen, einzig die Sehne im hinteren Oberschenkel, die bei der Operation entfernt wurde, spürt er noch – und der Rücken, der sich die Belastungen der Schneetrainings nicht mehr gewohnt war.
Auf welchem Niveau er wieder einsteigen wird, kann Fiva selbst schwer abschätzen, zumal er sein Material seit dem Wechsel von Stöckli zu Völkl im Sommer letzten Jahres noch kaum rennmässig befahren hat. «In den Trainings war ich miserabel, da fehlte einiges. Aber das kennen wir ja von mir», sagt der für seine Leistungssteigerungen bekannte Rennhund. Auch der Schweizer Nationaltrainer Enrico Vetsch ist trotz der bescheidenen Trainingsresultate keineswegs beunruhigt: «Sobald Alex eine Nummer anhat, ist es ganz anders. Dann tritt er mit einer ganz anderen Körperspannung auf.»