Nationalmannschaft Verband vertraut darauf, dass Yakins Lösungen Wirkung zeigen

sda

30.11.2023 - 17:01

Nationalteam-Direktor Pierluigi Tami stellt sich nach der Analyse der Qualifikation hinter Trainer Murat Yakin
Nationalteam-Direktor Pierluigi Tami stellt sich nach der Analyse der Qualifikation hinter Trainer Murat Yakin
Keystone

Pierluigi Tami hat nach der Qualifikation eine eingehende Analyse angekündigt. Nun äussert sich der Nationalteam-Direktor zum Entscheid, mit Murat Yakin als Trainer an die EM-Endrunde zu gehen.

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Plötzlich musste es schnell gehen. Die Verantwortlichen im Schweizer Fussballverband (SFV) hatten eingesehen, dass die Trainersituation im Nationalteam noch vor der Auslosung der EM-Gruppen am kommenden Samstag geklärt werden musste. So wurde aus den angekündigten «Dezember-Gesprächen» eine «November-Analyse». Dass diese nötig wurde, lag mitunter an Pierluigi Tami. Der Direktor hatte nach dem letzten Spiel in Bukarest – anders als Verbandspräsident Dominique Blanc einige Tage zuvor – darauf verzichtet, den Rücken von Trainer Murat Yakin zu stärken.

So kam es am Dienstag dazu, dass der Zweck einer Medienmitteilung ad absurdum geführt wurde. Statt eine Neuerung wie etwa eine Entlassung oder eine Vertragsverlängerung zu verkünden, teilte der SFV mit, dass alles beim Alten bleibt. Tags darauf ging Tami auf die Fragen zu Yakins Bestätigung im Amt ein. Der 62-jährige Tessiner sprach über...

... den Entscheid, mit Yakin an die EM zu gehen

Tami hob nochmals hervor, dass Yakin alle Ziele seit seinem Amtsantritt erreicht habe. «Es gab keine Gründe, den bis nach der EM laufenden Vertrag mit unserem Trainer aufzulösen.» Allerdings gab es offensichtlich auch keine Gründe, den Vertrag zu verlängern. Ob Yakins langfristige Zukunft noch vor der EM geklärt wird, liess Tami offen. Es ist möglich, dass im Frühling Gespräche dazu geführt werden.

Vorerst war es Tami wichtig, dass die Leistungen nicht schöngeredet werden, wie es der Trainer während der Kampagne gemacht hatte. «Murat hat sich selbstkritisch gezeigt und er hat uns einen klaren Plan präsentiert, was Kader und Staff betrifft. Mit dieser Grundlage sind wir bereit, ihn weiter zu unterstützen.» Kontakte zu anderen Trainern wie Urs Fischer oder Lucien Favre habe es keine gegeben.

... die Inhalte der Analyse

Bei der Analyse der Qualifikation wurde unter anderem eine Diagrammachse erstellt, in welcher der kombinierte Wert von Ballbesitz und Torgefährlichkeit dargestellt wurde. Mit Ausnahme eines Spiels (auswärts gegen Kosovo) befand sich die Schweiz stets im gewünschten Bereich. Dies unterstreiche die Dominanz, mit der das Team aufgetreten sei, so Tami. «Die grosse Frage ist, warum wir trotz dieser Werte so viele Punkte liegengelassen haben.»

Tami vermisste vom Team «den Killerinstinkt» und «die Emotionen im Strafraum». Zu oft sei es ihm vorgekommen, als ob die Spieler in den Abschluss oder in das Kopfballduell gegangen seien, weil es in dieser Situation von ihnen erwartet wurde – die «letzte Überzeugung» habe er nicht gesehen. Das sind Kritikpunkte, die in vielen Fällen zu einer Trainerentlassung führen. Warum nicht bei Yakin? «Murat hat die Herausforderungen erkannt und uns Lösungen präsentiert», sagte Tami. Wie diese konkret aussehen, behielt er für sich. Er sagte nur, dass Yakin Vorschläge gemacht habe, die ihn und den Zentralvorstand überzeugt hätten.

... die möglichen Änderungen

Während der Trainer bleibt, dürfte sein Assistent gehen. Vincent Cavin hatte den Verband bereits vor den letzten Qualifikationsspielen über das Angebot von Lausanne-Sport informiert. Inzwischen verdichten sich die Hinweise auf seinen Abgang. Die Nachfolge möchte Tami noch in diesem Jahr klären.

Bedeckter hielt sich Tami zu den von Yakin präsentierten Kaderplänen. Es gehe vor allem darum, die Integration von jungen Spielern voranzutreiben. Auch mit Blick auf den sich ankündigenden Umbruch im Team. Stützen wie Yann Sommer, Ricardo Rodriguez, Remo Freuler, Xherdan Shaqiri und auch Captain Granit Xhaka sind über 30 Jahre alt.

... die Beziehung zwischen Captain und Trainer

Die Stimmung in der Mannschaft empfindet Tami als gut. Dennoch galt es, die Episode nach dem Auswärtsspiel gegen Kosovo aufzuarbeiten, als Granit Xhaka die Trainingsintensität angeprangert hatte. Tami erzählte, dass er Xhaka nach seinen Äusserungen angewiesen habe, Probleme direkt mit dem Trainer zu klären statt über die Medien. «Danach haben sich die beiden ausgesprochen und mir versichert, den Weg gemeinsam weiter bestreiten zu wollen.»

Dass Xhaka später zum wiederholten Mal zu verstehen gab, mit seiner Position in der Aufstellung nicht zufrieden zu sein, wollte Tami nicht überbewerten. Es sei normal, dass man nicht immer hundertprozentig auf einer Linie mit dem Trainer sei. «Das gilt aber für alle Spieler, nicht nur für Granit.» Insgesamt sei er überzeugt, dass die Mannschaft hinter dem Trainer stehe, sagte Tami. Jedoch verzichtete er darauf, die Führungsspieler in die Trainer-Analyse miteinzubeziehen. «Die Spieler sollen Fussball spielen, den Entscheid über den Trainer fällen andere.»

... seine Rolle als Direktor

Weil er es verpasst hatte, Ruhe ins Nationalteam zu bringen, und zum Schluss die Trainerdiskussionen angeheizt hatte, geriet auch Tami in Kritik. Das Argument, dass er es gewesen sei, der öffentlich an Yakins Stuhl gesägt habe, wollte Tami nicht gelten lassen. Seine Aussagen seien «negativ interpretiert» worden. «Natürlich war ich enttäuscht über die Resultate und das Ende der Qualifikation», erklärte Tami. «Aber das waren auch der Trainer und die Spieler.» Inzwischen sei die erste «360-Grad-Analyse» mit einem klaren und logischen Entscheid abgeschlossen worden.

Es ist ein Entscheid für Konstanz, in der Hoffnung, dass es sich bei den mässigen Auftritten des Teams bloss um ein Herbsttief gehandelt hat. Dabei nehmen es Tami sowie der SFV-Zentralvorstand in Kauf, dass die Diskussionen bei erster Gelegenheit – beispielsweise nach einer Testspiel-Niederlage im März – wieder aufflammen.