Macht süchtig Die süsseste Versuchung, seit es Caramel gibt

Bruno Bötschi

20.3.2018

Denn kaum hat man einen Löffel davon gegessen, packt einem das unbändige Verlangen, es nochmals zu tun, und nochmals, und nochmals: Caramel au beurre salé.
Denn kaum hat man einen Löffel davon gegessen, packt einem das unbändige Verlangen, es nochmals zu tun, und nochmals, und nochmals: Caramel au beurre salé.
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Das salzige Caramel aus Schaffhausen macht so süchtig, dass in letzter Zeit immer mehr Konsumenten über Entzugserscheinungen klagen.

«Das habt ihr super hingekriegt, Freunde des guten Geschmacks.» Marcel Theiler lacht, während er auf sein Handy blickt und mit dem Vor lesen der E-Mail fortfährt: «Mir wurde gestern ein Glas von eurem Caramel au beurre salé geschenkt, und heute sind wir, das heisst the whole fucking family, bereits in hohem Mass abhängig.»

Immer mehr Menschen verfallen in der Schweiz dem Caramel von drei Freunden aus Schaffhausen. Der cremig-salzige Aufstrich wird Designer Florian Fröhlich, Schreiner Felix Schaad und PR-Manager Marcel Theiler buchstäblich aus den Händen gerissen. Was nicht weiter verwundert. Denn kaum hat man einen Löffel davon gegessen, packt einem das unbändige Verlangen, es nochmals zu tun, und nochmals, und nochmals.

Drei Freunde und ihr Caramel. Die Geschichte, die Fröhlich und Theiler erzählen, beginnt vor sieben Jahren im Südwesten Frankreichs.

Auf dem Wochenmarkt in Cap Ferret probiert Fröhlich die bretonische Spezialität Caramel au beurre salé – und ist sofort angefixt. Tage später erzählt er Theiler am Telefon von seinem Geschmackserlebnis und davon, dass er bald sein eigenes Caramel produzieren werde. Ob ihm Theiler dabei helfen könne. «Immer du mit deinen verrückten Ideen», antwortete Theiler und winkte ab.

Schwarz wie eine Leermondnacht

Fröhlich arbeitete damals Designer für Reisegepäck bei Louis Vuitton (heute ist er beim Luxuslabel Mansur Gavriel in New York tätig). Von der Caramel-Produktion hatte er keine Ahnung. Dafür ist er mit einer grossen Portion Hartnäckigkeit gesegnet. Bald steht er nächtelang in der Küche seiner Pariser Wohnung und karamellisiert Zucker.

So süss, so salzig, so cremig: Das Caramel au beurre salé der drei Schaffhauser Freunde Marcel Theiler, Florian Fröhlich und Felix Schaad.
So süss, so salzig, so cremig: Das Caramel au beurre salé der drei Schaffhauser Freunde Marcel Theiler, Florian Fröhlich und Felix Schaad.
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Seine ersten Caramels werden schwarz wie eine Leermondnacht. Was nicht nur schlecht ist: So lernt er den Geruch von verbranntem Caramel und von gutem Caramel zu unterscheiden. Dazwischen liegen wenige, aber alles entscheidende Sekunden.

Wochen später reist Fröhlich in seine Heimatstadt Schaffhausen, im Gepäck hat er mehrere Gläser selbst gemachtes Caramel au beurre salé. Statt viel reden sollen seine Freunde einfach probieren. Umso überraschter ist er, als zwei innert weniger Minuten ausgelöffelte Gläser reichen, um Theiler und Schaad von seiner Idee zu überzeugen.

Seither hat das Trio ein Ziel: «Unser Caramel soll noch cremiger, noch süsser als das Original aus der Bretagne sein», sagt Fröhlich. Dort, in der kleinen Hafenstadt Quiberon, hat Maître chocolatier Henri Le Roux 1977 den gesalzenen Caramelauf strich kreiert. Vier Zutaten braucht es dafür: Zucker, Butter, Rahm und unbehandeltes Meersalz. Caramel au beurre salé schmeckt auf einer Crêpe, über Vanilleglace, im Naturejoghurt, zu Mascarpone, Ziegenkäse oder im Kaffee. Es passt zu Wildfleisch oder einfach pur – und dann am besten löffelweise.

Nach 48  Stunden ausverkauft

Drei Freunde und ihr Caramel. Im November 2011 bauen Fröhlich, Schaad und Theiler am Martinimarkt in Schaffhausen ihren Stand auf. 350 Gläser Caramel au beurre salé haben sie produziert. Eine befreundete Wirtin hat ihnen am Ruhetag die Küche zur Verfügung gestellt.

Sie haben alles selbst gemacht: Designer Fröhlich gestaltete die Etiketten für die Gläser und die weissen Verkaufsschürzen, PR-Manager Theiler rührte die Werbetrommel, Schreiner Schaad designte den Stand. Nach einem halben Markttag ist alles weg. Ein Jahr später produzieren die drei Freunde 800 Gläser. Nach 48 Stunden sind sie wieder ausverkauft.

Es dauert nicht lange, bis sich die ersten Menschen mit Entzugserscheinungen per Mail melden: «Ich habe von einer Freundin ein Glas Caramel au beurre salé erhalten und bin total begeistert. Es ist etwas vom Feinsten, was ich je gegessen habe.» – «Verführerisch gut und zum Nicht-mehr-Aufhören.» – «Ich möchte unbedingt noch eine Bestellung aufgeben. Es ist hammermässig und hat Suchtpotenzial.» – «Das leckere Caramel hat in der Verwandtschaft reissenden Absatz gefunden. Ich konnte gerade noch ein Glas für mich retten.»

Immer mehr Caramel-Süchtige

Das war vor sechs Jahren. Mittlerweile läuft das Geschäft von Trois Bons – so nennen sich die drei Freunde – so gut, dass jeden Monat ein bis zwei Tage lang Zucker karamellisiert wird.

Aus dem Trio ist ein kleines Unternehmen geworden: Mehrere Familienmitglieder und eine externe Mitarbeiterin helfen mit, wenn im eigens gemieteten Produktionsraum Caramelhergestellt wird. Caramel au beurre salé aus Schaffhausen kann man heute auf diversen Märkten, in Comestibles-Läden und im Internet kaufen.

Die Zahl der Caramel-Süchtigen steigt und steigt. Es heisst, mehrere Mitglieder des Schaffhauser Regierungsrats seien bereits angefixt. Und einmal bekam Fröhlich von einem bekannten Berner Mundartmusiker eine Drohmail: «Darf ich bitte fünf weitere Gläser bestellen!? Wenn der Stoff nicht sofort verschickt wird, komme ich persönlich vorbei und knacke die Vorratskammer. Ohne Rücksicht auf Verluste. Das kann ich euch flüstern, Ihr Zuckerbäcker!»

Bestelladresse: www.petitscaramels.ch

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