Kulinarische Tradition Schweizern geht es um die Blutwurst – die beste ähnelt Pudding

Von Christiane Oelrich, dpa

14.2.2019

Die spezielle Wurstware ist das Anliegen des «Vereins zur Förderung der Blut- und Leberwürste».
Die spezielle Wurstware ist das Anliegen des «Vereins zur Förderung der Blut- und Leberwürste».
Bild: Keystone

Der «Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste» hat sich 99 Jahre Zeit genommen, sein Ziel zu erreichen. Nichts ist hier weniger wurscht als die Qualität.

«Eine gute Blutwurst löst grosse Glücksgefühle aus», sagt Peter Bolliger und spricht sogar von «Mund-Erotik». Er muss es wissen. Bolliger ist Präsident des schweizerischen «Vereins zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste» (VBL). Alle paar Wochen organisiert der VBL eine Metzgete, ein Schlemmerfest, an dem der Lust auf Schweinisches ungehemmt gefrönt wird. Rund 40 Männer und Frauen versammeln sich zum üppigen Buffet mit traditionellen Schlachtgerichten: Blutwürste, Leberwürste, Beinscheiben, Speck.

Humor ist wichtig im Verein, der sich laut Satzung nach genau 99 Jahren auflösen muss. Man schreibt sich E-Mails herzlich mit «saumässigen Grüssen». «Liebe Brüder im Schwein», eröffnet Ernst Stettler in einem Ausflugslokal bei Langenthal zwischen Bern und Zürich an diesem Abend eine Metzgete.

Frauen bekommen bei der Begrüssung keine Extrawurst, sie sind mitgemeint. Stettler war vor dem Ruhestand Bio-Metzger. Zwischen den Gästen und dem Buffet steht noch die Vereinshymne: «Heil Dir, geliebtes Schwein, heil Dir, Blutwurstverein» singen sie zur Melodie von «God Save the Queen». Die Melodie der britischen Hymne war einst auch Schweizer Hymne.

Ein bisschen spritzen darf sie beim Hineinstechen

Und dann geht es zur Sache: Die Teller füllen sich mit Blut- und Leberwürsten sowie Schwarten, Räucherspeck und Zungenwurst. Noten gibt es auch. Prall gefüllt soll die Blutwurst sein und ein bisschen spritzen darf sie beim Hineinstechen, «aber nur Fett und nicht wässeriger Saft», wie der Verein festhält. «Die Struktur der Blutwurst sollte derjenigen von Pudding entsprechen, wobei gleichmässig verteilte Einschlüsse von Zwiebelpartikeln erlaubt sind.»

Bolliger (51) ist Schreiner und engagierter Hobbykoch. Er kocht gern vegetarisch, aber wenn Fleisch im Spiel ist, dann bitte richtig. Er wurstet selbst. «Es ist eine Frage des Respekts vor dem Tier, dass alles verwendet wird, von Schnauze bis Schwanz», sagt er. Vom «Schnörrli zum Schwänzli», wie es auf Schweizerdeutsch heisst.

Seine Leidenschaft für alles Saumässige ist offensichtlich. Wenn er ein Schlachtschwein beschreibt, das er sich liefern liess, wird seine Stimme ganz warm. Mindestens 12, 14 Monate müsse es sein, nicht wie im Supermarkt, wo meist Fleisch von hochgemästeten Tieren verkauft werde, die schon nach sechs Monaten geschlachtet wurden. Die Menschen seien von Fleischindustrie und Werbung gelenkt. Da würden Filets und andere Premiumstücke angepriesen, weil damit mehr Geld zu machen sei.

Genuss steht im Vordergrund

Der VBL wurde 1968 gegründet. «Da gab es immer mehr Edelfleisch in den Gaststätten», sagt Gründungsmitglied Kasper Aeberli. Sein Name, wie er stolz erzählt, ist die schweizerdeutsche Verniedlichungsform von Eber - ein kleines männliches Schwein. «Wir konnten uns das damals nicht leisten.» So entstand die Idee einer Gegenbewegung «zur Verteidigung der traditionellen Verpflegung». Heute leitet Aeberli die VBL-Kunstkommission, die mehr als 130 «schweinische Bilder» umfasst. «Anfangs haben wir die Kollektion bei den Metzgeten im Hinterzimmer mit eigener Malerei angereichert», sagt Aeberli.

«Ein VBL-Mitglied zeichnet sich durch Genuss aus», sagt Bolliger. «Wir sind auch Leute, die kulturell gut geerdet sind.» Bei der Metzgete bei Langenthal liefern Alphornbläser und eine Musikkapelle den Rahmen. Das Publikum ist jung bis alt, etwa die Hälfte Frauen. Der VBL hat seit ein paar Jahren wieder grossen Zulauf und etwa 100 Mitglieder. In gut 48 Jahren ist alles vorbei, im November 2067. So steht es in den Statuten: «Anlässlich der Auflösung ist das gesamte Vereinsvermögen bis auf den letzten Rappen an einer Metzgete zu verfressen.»

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