Augenarzt im Interview Augenschädigung: «Vielleicht sind bald jüngere Menschen betroffen»

Von Runa Reinecke

9.1.2020

Im Dunkeln sollte das Smartphone nicht ohne Blaufilter genutzt werden. 
Im Dunkeln sollte das Smartphone nicht ohne Blaufilter genutzt werden. 
Bild: iStock

Wie gefährlich ist das blaue Licht in Smartphones, Tablets oder LED-Lampen für unsere Augen? Ein Augenarzt klärt über die langfristigen Folgen des schädlichen Lichts auf und sagt, wie wir unser Sehorgan schützen können.

Unsere digitale Welt erstrahlt vornehmlich in blau. Glaubt man Studien, darunter einer Untersuchung, die von der französischen Gesundheitsbehörde ANSES in Auftrag gegeben wurde, wird das für unsere Augen zum Problem.

Welche Auswirkungen das blaue Licht langfristig auf die Gesundheit unserer Sehorgane haben kann, und was wir tun können, damit sie keinen Schaden nehmen, weiss Dr. med. Dimitrios Kyroudis, Leitender Arzt für Augenheilkunde und Refraktive Chirurgie bei den Pallas Kliniken in Olten.

Herr Kyroudis, was muss man sich unter blauem Licht vorstellen?

Zur für uns sichtbaren, elektromagnetischen Strahlung gehört das Licht, und das Lichtspektrum umfasst alle Farben des Regenbogens. Der Blauanteil des Farbspektrums weist eine höhere Photonenenergie auf und ist intensiver als etwa rotes Licht. Blaues Licht findet sich zum Beispiel im Sonnenlicht, wir sind ihm aber auch nachts durch künstliche Lichtquellen ausgesetzt.

Wann ist blaues Licht schädlich?

Normalerweise kommen unsere Augen mit dem Streulicht, wie es etwa beim Tageslicht im Freien der Fall ist, gut zurecht. Vorausgesetzt, man schaut nicht direkt in die Sonne und trägt, wenn es besonders hell ist, eine Sonnenbrille mit gutem UV-Schutz.

Problematisch wird es, wenn eine Lichtquelle mit grossem Anteil an blauem Licht direkt fixiert wird, man direkt in ein LED-Licht schaut oder wiederholt beziehungsweise über einen längeren Zeitraum auf ein Smartphone- oder ein Tablet-Display starrt.

Was geschieht dann mit dem Auge?

In der Mitte der Netzhaut befindet sich eine Art gelber Fleck, die Makula. Dieser Bereich des Auges ist für das scharfe Sehen zuständig. Fokussiert die Makula wiederholt und anhaltend dieses Licht, werden Fotorezeptoren, auch Sehzellen genannt, geschädigt und sterben ab. Es kommt zu einer Makuladegeneration. Normalerweise macht sich dieser Prozess erst ab dem 60. bis 70. Lebensjahr bemerkbar.

Neuere Studien lassen vermuten, dass die Makuladegeneration in Zukunft vermehrt und vielleicht auch bei jüngeren Menschen auftreten wird, denn intensiv genutzte Gadgets wie Smartphones oder Tablets werden mit einem hohen Anteil an blauem Licht betrieben. Ob sich das bestätigt, wird sich zeigen. Das heisst aber nicht, dass das blaue Licht grundsätzlich nur schädlich ist.

Wie bemerke ich, dass die Makula bereits Schaden genommen hat?

Linien und Buchstaben wirken etwas verzerrt, und die Sehschärfe ist beeinträchtigt. Sobald man das feststellt, sollte man unbedingt einen Augenarzt aufsuchen. Um eine Makuladegeneration sicher diagnostizieren zu können, bedarf es verschiedener Tests: Unter anderem gehören ein Sehtest und die Untersuchung des Augenhintergrunds dazu.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Betroffene?

Wie die Therapie aussieht, hängt von der Art der Krankheit ab. Die häufigste Form ist die trockene, eher selten tritt die feuchte Makuladegeneration auf. Letztere kann mit Spritzen, die direkt ins Auge erfolgen, behandelt werden.

Ratsam ist es, Vitamin C, E, Lutein, Zeaxanthin, Kupfer und Zink einzunehmen – und das ganz unabhängig davon, an welcher Form man erkrankt ist. Stoppen lässt sich die Makuladegeneration durch keine der verfügbaren Behandlungsmethoden, eventuell schreitet sie aber weniger schnell voran.

Das heisst also, es lohnt sich, frühzeitig vorzubeugen …

Genau, es geht darum, die Makula langfristig mit Hilfe der bereits erwähnten Massnahmen zu schonen, um Schädigungen, so gut es geht, zu verhindern.

«Stoppen lässt sich die Makuladegeneration durch keine der verfügbaren Behandlungsmethoden», erklärt Dr. med. Dimitrios Kyroudis im Interview. 
«Stoppen lässt sich die Makuladegeneration durch keine der verfügbaren Behandlungsmethoden», erklärt Dr. med. Dimitrios Kyroudis im Interview. 
Bild: zVg

Sie erwähnten zuvor, dass uns das blaue Licht nicht nur schadet …

Kinder, die zu wenig Sonnenlicht abbekommen, neigen eher zur Kurzsichtigkeit.

Wichtig ist blaues Licht aber auch für unseren Hormonhaushalt. Zum einen brauchen wir es, um das für uns lebenswichtige Vitamin D zu bilden. Aber auch der Schlaf-Wach-Rhythmus wird stark von blauem Licht beeinflusst: Sobald es hell wird, drosselt der Organismus die Produktion des Schlafhormons Melatonin, und wir werden wach.

Gerade im Herbst und im Winter, wenn es dunkler ist, leidet so mancher unter dem fehlenden Licht. Dann spricht man auch von einer Winterdepression.

Dagegen werden Lichttherapielampen eingesetzt, die über einen hohen Anteil an blauem Licht verfügen. Sie helfen, die Stimmung zu heben, schädigen aber gleichzeitig das Auge. Ist das nicht ein Widerspruch?

Es kommt darauf an, wie man mit diesen Lichtquellen umgeht, sich also nicht etwa direkt vor eine solche Lampe setzt und direkt hineinsieht. Man kann sie als zusätzliche Zimmerbeleuchtung nutzen, zum Beispiel im Badezimmer oder in der Küche. Das Streulicht, das dabei seitlich auf die Netzhaut fällt, ist unbedenklich.



Anderseits ist man diesen Lichtquellen unmittelbar ausgesetzt, wenn man etwa an einem Bildschirm arbeitet. Welche Massnahmen empfehlen Sie, um die Augen – nach Möglichkeit – zu schützen?

Dafür gibt es spezielle Computerbrillen mit integriertem Blaulichtfilter, die man während der Arbeit am Bildschirm trägt. Darüber hinaus verfügen digitale Geräte wie Tablets, Smartphones oder Laptops über einen Blaufilter, den man aktivieren beziehungsweise zu bestimmten Zeiten einstellen kann.

Muss der Blaulichtfilter immer aktiviert werden?

Ob der Blaufilter Sinn macht, hängt von den bestehenden Lichtverhältnissen in der Umgebung ab. Wenn es relativ dunkel ist, sind die negativen Auswirkungen des blauen Lichts auf die Makula grösser: Die Pupillen vergrössern sich, und dadurch fällt mehr Licht ins Auge. Grundsätzlich rate ich dazu, den Blaufilter bereits wenige Stunden vor dem Zubettgehen zu aktiveren. Dann klappt es auch mit der Melatoninausschüttung, und man schläft besser ein.

Zur Person: Dr. Dimitrios Kyroudis ist seit 2018 als Leitender Arzt für Refraktive Chirurgie bei den Pallas Kliniken tätig. Zuvor arbeitete der Facharzt für Augenheilkunde unter anderem als Chefarzt für Refraktive Chirurgie in Athen und gründete die Piraeus Laser Eye Center SA in Griechenland.

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